Julius V. Guldbrandsen – ein Pionier moderner keramischer Dekorationskunst
In der Welt der Keramik gibt es bis heute Künstlerpersönlichkeiten, die jenseits industrieller Massenproduktion konsequent den Weg der freien Kunst gehen. Einer der herausragendsten unter ihnen war der dänische Maler und Porzellandekorateur Julius V. Guldbrandsen. Seine künstlerische Lebensaufgabe war die Dekoration keramischer Gefäße – ein Thema, das er mit großer gestalterischer Tiefe und Innovationskraft verfolgte.
Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen orientierte sich Guldbrandsen nicht an ostasiatischen Vorbildern oder den Klassikern des 18. Jahrhunderts. Stattdessen war er von Beginn an ein Vertreter der Moderne. Sein zentrales Anliegen: das zeitgenössische keramische Ornament. Dabei kam er nicht, wie viele andere, über das Kunsthandwerk zur Keramik – Guldbrandsen war von Anfang an bildender Künstler, Maler, Gestalter.
Nach seiner Ausbildung in Kopenhagen arbeitete er in Deutschland, Italien und der Schweiz, bevor er wieder in seine Heimatstadt zurückkehrte und in die Königliche Porzellanmanufaktur eintrat. Hier entwickelte er sich rasch zu einem gefragten Spezialisten für Porzellankunst. 1910 wechselte er zur Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co. in Selb, Bayern. Dort gründete er die Kunstabteilung und leitete sie bis 1923 in künstlerischer und technischer Hinsicht – eine Phase, die für Rosenthal von strategischer Bedeutung war.
Im Anschluss gründete Guldbrandsen die „Keramischen Werkstätten München-Herrsching A.G.“ am Ammersee, wo er sich der Gestaltung und Dekoration von Feinsteinzeug widmete. Auch hier bewies er seine Fähigkeit, das Material nicht nur zu beherrschen, sondern gestalterisch neu zu definieren.
Der dänische Publizist Georg Brandes beschrieb den Charakter seines Volkes einst mit den Worten: „Der Däne hat Wikingerblut und eine Mädchenseele.“ Diese Charakterisierung trifft in besonderer Weise auch auf Guldbrandsen zu – seine Dekore spiegeln eine kraftvolle, neugierige Fantasie ebenso wie eine feinsinnige, zarte Gestaltungshaltung wider.
Besonders einprägsam sind seine Arbeiten in Unterglasurtechnik, die er aus Kopenhagen mitbrachte und in Deutschland weiterentwickelte. Die feinen Farbverläufe seiner Landschaftsmotive, oft inspiriert von der oberfränkischen Natur rund um Selb, bestechen durch Tiefe, Stimmung und technische Meisterschaft. Seine Landschaften auf Vasen, Dosen und Tellern wirken nie plakativ, sondern wie poetische Aquarelle auf Porzellan.
Doch auch im Ornamentalen setzte Guldbrandsen Maßstäbe. Seine Entwicklung vom naturalistischen Pflanzenornament hin zum abstrahierten Stilornament ist beispielhaft. Besonders hervorzuheben ist das Dekor „Rosari“, das für Rosenthal in zahlreichen Varianten produziert wurde. Mit leuchtendem Kobaltblau, goldenen Akzenten und der weißen Grundfarbe des Porzellans schuf er eine künstlerisch unverkennbare Handschrift – heute ein begehrtes Sammlerobjekt.
Guldbrandsens Innovationskraft zeigte sich auch in der figürlichen Gestaltung. Vor allem Tiermotive setzte er in stilisierten, fast abstrahierten Formen um, häufig ebenfalls in Blau und Gold. Die Herausforderung, Figürliches harmonisch mit ornamentalen Elementen zu verbinden, meisterte er mit bemerkenswerter Stilsicherheit.
Seine späteren Arbeiten mit glasiertem Steinzeug belegen, dass er nicht nur als Porzellanmaler, sondern auch als Materialkünstler überzeugen konnte. Mit einem eigens entwickelten, fein auf seine Farbvision abgestimmten Steinzeug kombinierte er einfache Formen mit dekorativen Motiven in Grau, Grün, Blau und Rot. Die resultierenden Arbeiten verbinden handwerkliche Strenge mit spielerischer Kreativität.
Guldbrandsen war nicht nur Künstler, sondern auch ein reflektierter Mensch mit literarischer Bildung und starker persönlicher Ausstrahlung. Sein privates Umfeld war geprägt von einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik, sein Umgang mit Freunden von Humor und kultureller Tiefe. In Gesprächen und Lesekreisen widmete er sich besonders der skandinavischen Literatur – als Vermittler, Übersetzer und Interpret. Julius V. Guldbrandsen zählt heute zu den stilbildenden Persönlichkeiten der modernen europäischen Keramikkunst. Seine Arbeiten haben nicht nur die dekorative Sprache seiner Zeit geprägt, sondern einen Maßstab gesetzt, der bis heute Gültigkeit hat.