Reinhold Hanke – Steinzeugfabrik und Kunsttöpferei in Höhr-Grenzhausen
Einer der wichtigsten Westerwälder Betriebe des späten 19. Jahrhunderts – vom Historismus zur Reformkeramik.
Gründung und frühe Jahre
Die Firma Reinhold Hanke zählt zu den bedeutendsten Westerwälder Steinzeugunternehmen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Gegründet 1868 in Höhr-Grenzhausen, entwickelte sich die Werkstatt zu einer der innovativsten Manufakturen des Kannenbäckerlandes.
Reinhold Hanke, 1839 in Böhmen geboren, kam 1864 nach Höhr und begann als Modelleur in einer Siderolithfabrik. 1868 gründete er seine eigene Werkstatt, die zunächst mit zwei Lehrlingen arbeitete. Früh entstanden Keramiken nach historischen Vorbildern; Hanke erhielt zahlreiche Aufträge, ganze Zimmer mit Steinzeug auszustatten – etwa für Burg Eltz oder Wiener Weltausstellungen.
Bereits 1876 ernannte ihn Kaiserin Augusta zum Hoflieferanten. Um 1880 beschäftigte die Firma über 100 Mitarbeiter. Nach Hankes Tod 1886 führte seine Witwe das Unternehmen 15 Jahre weiter, bis die Söhne Karl (Kaufmann) und August (Chemiker, später technischer Leiter) die Leitung übernahmen.
Künstlerische Impulse – Zusammenarbeit mit Henry van de Velde
Ein entscheidender Schritt war die Teilnahme an der Pariser Weltausstellung 1900, die August Hanke stark prägte. Hier knüpfte er Kontakte zu Künstlern wie Henry van de Velde und Peter Behrens, die neue Formideen nach Höhr brachten. Van de Velde entwarf Vasen und Serviceformen, die in Hanke’s Werkstätten umgesetzt wurden.
Auf der Düsseldorfer Gewerbeausstellung 1902 wurde die „van de Velde-Abteilung“ des Kunstpalastes hervorgehoben: besonders Vasen und Gefäße aus der Produktion von Hanke wurden dort präsentiert. Dies galt als sichtbarer Beleg für den Einfluss der Weimarer Reformkunst auf die Westerwälder Steinzeugindustrie.
Glasuren und Techniken
August Hanke entwickelte zahlreiche Glasuren, darunter die blaue Kupferoxidglasur „Chinarot“ mit Salzglasur sowie farbintensive „Chinaglasuren“ (Rot, Blau, Violett). Auch neue Techniken wie Intarsia (farbige Toneinlagen), Reserveglasuren oder Terra Sigillata-Experimente prägten die Produktion.
Bekannt ist auch das Dekor „Kölnisch Braun“, inspiriert von rheinischer Renaissancekeramik, das später durch Elfriede Balzar-Kopp weitergeführt wurde. Neben Lauf- und Effektglasuren entstanden Craquelé-Glasuren und Schlangenhaut-Dekore. Trotz vieler Experimente blieben manche Glasuren technisch problematisch, dennoch war die künstlerische Ausstrahlung hoch.
Zusammenschlüsse und Deutscher Werkbund
Um 1912 schloss sich die Firma mit Gerz und Merkelbach zu den Steinzeugwerken Höhr-Grenzhausen GmbH zusammen. In diesem Verbund nahm Hanke weiterhin an wichtigen Ausstellungen teil und war im Deutschen Werkbund vertreten. Viele Stücke tragen das Signum „DWB“ oder den Stempel „HANKE“.
Auszeichnungen
- 1902 – Silbermedaille Düsseldorf
- 1904 – Silbermedaille Düsseldorf
- 1905 – Goldmedaille St. Louis
- 1906 – Goldmedaille Dresden, Dritte Deutsche Kunstgewerbeausstellung
- 1910 – Ehrendiplom Brüssel
- 1937 – Reichssieger im Meisterwettkampf des Töpferhandwerks
Bedeutung
Zeitgenossen wie Eduard Berdel schrieben 1913: „Die Firma Reinhold Hanke brachte der niederliegenden Industrie des Kannenbäckerlandes bleibende kulturgeschichtliche Bedeutung.“ Hanke war damit Wegbereiter für den Übergang von historisierendem Steinzeug zur Reformkeramik um 1900.
Noch heute gelten seine Stücke, insbesondere die Arbeiten nach Entwürfen von Henry van de Velde, als bedeutende Zeugnisse der Verbindung von Westerwälder Handwerkstradition und internationaler Reformkunst.
Timeline – Reinhold Hanke
- 1868 – Gründung der Steinzeugfabrik durch Reinhold Hanke
- 1876 – Ernennung zum Hoflieferanten der Kaiserin Augusta
- 1886 – Tod Reinhold Hanke, Leitung durch seine Witwe
- 1900 – Teilnahme Pariser Weltausstellung – künstlerische Öffnung
- 1902 – Kooperation mit Henry van de Velde, Düsseldorfer Ausstellung
- 1912 – Zusammenschluss mit Gerz und Merkelbach (Steinzeugwerke Höhr-Grenzhausen GmbH)
- 1937 – Reichssieger im Meisterwettkampf des Töpferhandwerks
Bodenmarken & Signaturen
Die Stücke der Firma Hanke tragen unterschiedliche Signaturen, darunter:
- HANKE – eingepresst (ab Anfang 20. Jh.)
- DWB – Deutscher Werkbund, ab 1912 auf Serienware
- A. Hanke – auf einigen Arbeiten von August Hanke
- Weitere Stempel & Händlerkennzeichen für Exportware

Weiterführende Themen – Westerwälder Steinzeug
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➔ Simon Peter Gerz – Steinzeugfabrik Höhr
Historismus-Krüge und die Öffnung zu Reformideen unter Henry van de Velde.
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➔ Reinhold Hanke – Kunsttöpferei Höhr-Grenzhausen
Von Burg Eltz bis van de Velde: Glasur-Experimente und Reformkeramik.
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➔ Henry van de Velde & Steinzeug
Kooperationen mit Gerz und Hanke, Reformideen für das Westerwälder Steinzeug.
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➔ Westerwälder Steinzeug – Überblick
Geschichte, Technik und führende Fabriken aus Höhr-Grenzhausen und Umgebung.
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