Carstens Konzern – Werke und Entwicklung in den 1920er & 1930er Jahren
Der Carstens-Konzern war einer der größten deutschen Keramikproduzenten des 20. Jahrhunderts. Mit Werken in Hirschau, Rheinsberg, Sorau und Tönnieshof deckte das Unternehmen in den 1920er- und 1930er-Jahren die gesamte Bandbreite von Steingut bis Luxusporzellan ab.
Struktur und Standorte
Die Familie Carstens baute seit dem 19. Jahrhundert ein weit verzweigtes Firmenimperium auf. In den 1920er-Jahren gehörten zum Konzern über ein Dutzend Werke. Bedeutende Standorte waren:
- Hirschau (Oberpfalz): 1892 gegründet, spezialisiert auf Steingutgeschirr für den Alltag.
- Rheinsberg (Mark Brandenburg): Seriengeschirr und Steingutproduktion.
- Sorau (Niederschlesien): Hochwertiges Porzellan, Exportware.
- Tönnieshof bei Rheinsberg: Kunst- und Zierkeramik, später bekannt für die berühmten Vasen.
Produktion und Sortiment
Carstens produzierte in den 1920er- und 1930er-Jahren ein breites Spektrum:
- Alltagsgeschirr: Steingutservice, Teller, Schüsseln und Kaffeeservice aus Hirschau und Rheinsberg.
- Luxusporzellan: Hochwertige Serien aus Sorau, oft für den Export nach Übersee.
- Zier- und Kunstkeramik: Tönnieshof produzierte Dekorvasen, Schalen und Kunstobjekte im Geist von Art Déco und Bauhaus.
Das Sortiment reichte von erschwinglichen Produkten für breite Bevölkerungsschichten bis zu künstlerischen Objekten für gehobene Ansprüche.
Die 1920er Jahre – Expansion und Modernisierung
Nach dem Ersten Weltkrieg expandierte Carstens durch den Zukauf mehrerer Werke. Der Konzern beschäftigte mehrere Tausend Mitarbeiter. Hirschau und Rheinsberg produzierten massenhaft Gebrauchsgeschirr, Sorau entwickelte sich zum Vorzeige-Standort für Porzellan. In den späten 1920er Jahren hielten moderne Gestaltungsströmungen wie Art Déco und Bauhaus-Einflüsse Einzug.
Die 1930er Jahre – Konsolidierung und Designer
In den 1930er Jahren behauptete sich Carstens im Wettbewerb mit Rosenthal und Villeroy & Boch. Hirschau lieferte Steingut für breite Märkte, Sorau glänzte mit Exportware, und Tönnieshof entwickelte sich zu einem Zentrum für Kunstkeramik. Designerinnen wie Eva Zeisel arbeiteten zeitweise bei Carstens Hirschau und brachten moderne Impulse in die Produktion.
Wirtschaftliche Bedeutung
Der Konzern zählte in den 1930er Jahren zu den drei größten Keramikherstellern Deutschlands. Durch die Kombination von Alltagsware, Luxusporzellan und Kunstkeramik war Carstens krisenfest aufgestellt. Selbst während der Weltwirtschaftskrise konnte das Unternehmen seine Marktstellung halten.
Timeline – Carstens Konzern (1920–1939)
- 1920er: Expansion durch neue Werke, mehrere Tausend Mitarbeiter
- 1925–1930: Moderne Formen & Dekore, Art Déco-Einflüsse
- 1930er: Eva Zeisel arbeitet in Hirschau, internationale Exportaktivitäten
- 1939: Carstens zählt zu den Top-3-Keramikproduzenten in Deutschland
Carstens Hirschau – Steingutfabrik in der Oberpfalz
Die 1892 gegründete Steingutfabrik Carstens Hirschau war ein wichtiger Teil des Carstens-Konzerns und prägte die Keramikproduktion in Bayern. Gebrauchsgeschirr, Service und Entwürfe von Designerinnen wie Eva Zeisel machten Hirschau bekannt.
Gründung und frühe Entwicklung
Die Steingutfabrik Carstens Hirschau wurde 1892 in der Oberpfalz gegründet. Sie gehörte zum weit verzweigten Carstens-Konzern, der zahlreiche Porzellan- und Steingutwerke in Deutschland betrieb, darunter Rheinsberg, Sorau und Tönnieshof. Hirschau spezialisierte sich auf die Herstellung von Steingutgeschirr und belieferte vor allem den mittleren Marktbereich.
Produktion und Sortiment
Hergestellt wurden Tafel- und Gebrauchsgeschirre, Kaffeeservice, Schüsseln und Teller. Während in den 1920er- und 1930er-Jahren auch moderne Formen Einzug hielten, blieb der Schwerpunkt auf funktionaler Alltagskeramik. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Hirschau eine Blütezeit mit seriengefertigtem Geschirr für breite Bevölkerungsschichten.
Eva Zeisel in Hirschau
Anfang der 1930er Jahre arbeitete die ungarische Keramikerin Eva Zeisel bei Carstens Hirschau. Sie entwarf Gebrauchsgeschirr mit klaren Linien, weichen Rundungen und reduzierten Dekoren – Merkmale, die später ihr internationales Werk kennzeichnen sollten. Die Arbeit in Hirschau brachte sie in engen Kontakt mit der deutschen Porzellanindustrie und ebnete ihr den Weg nach Moskau und schließlich in die USA.
Bedeutung im Carstens-Konzern
Im Carstens-Verbund zählte Hirschau neben Rheinsberg und Tönnieshof zu den wichtigen Produktionsstätten. Während Carstens Tönnieshof durch Vasen und Kunstkeramik berühmt wurde, blieb Hirschau stärker auf Gebrauchsgeschirr ausgerichtet. Es lieferte erschwingliche, formschöne Keramik für den Alltag, die in ganz Deutschland vertrieben wurde.
Niedergang und heutiger Sammlerwert
Wie viele deutsche Steingut- und Porzellanfabriken geriet Carstens Hirschau ab den 1970er Jahren unter Druck durch billigere Importe. Das Werk wurde in den 1980er/90er Jahren geschlossen. Heute sind Geschirre aus Hirschau weniger bekannt als die berühmten Carstens-Vasen aus Tönnieshof, werden aber von Sammlern als authentische Zeitzeugen geschätzt. Besonders interessant sind Entwürfe aus den 1920er- und 1930er-Jahren, darunter die frühen Arbeiten von Eva Zeisel.
Timeline – Carstens Hirschau
- 1892: Gründung der Steingutfabrik Carstens Hirschau
- 1920er/30er: Moderne Formen, erste Designerentwürfe
- 1930er: Eva Zeisel arbeitet bei Carstens Hirschau
- Nach 1945: Serienproduktion für breite Märkte
- 1970er: Wirtschaftliche Schwierigkeiten durch Importe
- 1980/90er: Schließung des Werks