Dachmarke für böhmisches Porzellan im 20. Jahrhundert
Die Abkürzung EPIAG steht für Erste Porzellan-Industrie AG – ein Zusammenschluss bedeutender böhmischer Porzellanfabriken mit dem Ziel, den Export unter einer gemeinsamen Marke zu fördern. Gegründet in der Zwischenkriegszeit, wurde EPIAG zum Synonym für hochwertiges, dekorativ anspruchsvolles Porzellan aus der Tschechoslowakei, insbesondere aus dem deutschsprachigen Westböhmen.


Gründung und Zielsetzung
EPIAG wurde 1918, kurz nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie, als wirtschaftlicher Zusammenschluss verschiedener Privatfabriken gegründet. Hintergrund war die Notwendigkeit, sich auf dem Weltmarkt gegenüber der erstarkenden deutschen, französischen und englischen Konkurrenz zu behaupten. Die Idee: gemeinsamer Vertrieb unter einem neutralen Exportnamen. Das Ziel war es, hochwertige Porzellanprodukte – meist dekorierte Service, Vasen und Geschenkartikel – unter einer einheitlichen Marke zu bündeln, um vor allem im angelsächsischen Raum und in Übersee konkurrenzfähig zu bleiben.
Mitglieder und Werke
Die EPIAG-Marke umfasste zahlreiche bekannte böhmische Hersteller, darunter:
Viele dieser Werke hatten bereits einen ausgezeichneten Ruf im In- und Ausland. EPIAG diente als Exportorgan – die Ware wurde mit dem jeweiligen Herstellernamen und dem Zusatz „EPIAG“ versehen, z. B. „Victoria – EPIAG Czechoslovakia“.
Stil und Produkte
Die Produkte unter EPIAG zeichneten sich durch eine Kombination aus:
Besonders beliebt waren:
Entwicklung nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde EPIAG in die zentralisierte Struktur der tschechoslowakischen Porzellanindustrie überführt. Die bisherigen Mitgliedsbetriebe wurden verstaatlicht und teilweise unter dem Dach der Marken Thun, Bohemia oder Karlovarský Porcelán geführt. Trotzdem blieb der Begriff „EPIAG“ im Ausland lange erhalten – insbesondere in den USA galten „EPIAG“-Stücke als Qualitätsware „Made in Czechoslovakia“.
Bedeutung für den Sammlermarkt
Heute ist Porzellan mit der Markung EPIAG unter Sammlern gefragt – insbesondere aus der Zeit zwischen 1918 und 1938. Viele Serien sind qualitativ hochwertig und stilistisch reizvoll, gerade im Bereich des Art Déco. Die Kennzeichnungen variieren: Neben der Wortmarke „EPIAG“ finden sich auch stilisierte Adler, Kränze oder Kombinationen mit Herstellernamen. EPIAG war mehr als nur eine Exportmarke – es war ein strategischer Markenverbund, der es kleinen und mittleren böhmischen Porzellanbetrieben ermöglichte, global sichtbar zu bleiben. Die überregionale Bedeutung und der künstlerische Anspruch machen EPIAG bis heute zu einem wichtigen Kapitel in der Geschichte der mitteleuropäischen Porzellanindustrie.
Merkmal | EPIAG | OEPIAG |
---|---|---|
Langform | Erste Porzellan-Industrie AG | Österreichische Porzellan-Industrie AG |
Gründung | 1918 in der Tschechoslowakei | 1918 in der Ersten Republik Österreich |
Sitz / Region | Westböhmen (Pirkenhammer, Altrohlau, Schlaggenwald) | Österreich (Wilhelmsburg, Elbogen/A, Karlsbad/A) |
Zweck | Exportvereinigung böhmischer Porzellanfabriken | Markenstrategie österreichischer Hersteller |
Hintergrund | Nach Zerfall der Monarchie, Exportmarke für USA & Welt | Stärkung österreichischer Identität im Porzellanmarkt |
Typische Marken-Kombis | „Victoria – EPIAG“, „Fischer & Mieg – EPIAG“ | „OEPIAG – Austria“, „Elbogen – OEPIAG“ |
Produktstil | Goldränder, Rokokoformen, Art Déco-Serien | Klassisch, volkstümlich, eher regional ausgerichtet |
Dekore | Feine Streublumen, Jugendstil, Golddekor | Einfache Blumenmotive, Goldrand, ländlicher Stil |
Nutzung der Marke | 1918–1945 (teilweise bis 1950er) | 1918–1938 (selten bis 1950er) |
Verwechslungsgefahr | Häufig – vor allem bei USA-Importen | Wird oft mit tschechischem Porzellan verwechselt |
Sammlerwert | Je nach Werk und Zustand mittel bis hoch | Teilweise rarer – höheres Interesse bei Kennern |
Typische Bodenmarken | „EPIAG Czechoslovakia“, Adlerwappen, Kränze | „OEPIAG Austria“, einfache Kränze, Schriftzug |
Übergang der Marken EPIAG und OEPIAG nach 1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden nahezu alle Porzellanfabriken in der Tschechoslowakei **verstaatlicht**. Die unter dem Dach von EPIAG organisierten Betriebe wurden in den neu geschaffenen Kombinaten wie Thun und Karlovarský porcelán weitergeführt. Die Marke „EPIAG“ verschwand nach und nach aus dem aktiven Gebrauch, wurde aber für den Export vereinzelt bis in die 1950er weiterverwendet.
In Österreich wurde die Dachmarke OEPIAG nach 1945 nicht weitergeführt. Einige kleinere Werke wie Wilhelmsburg wurden stillgelegt oder privatisiert. Andere gingen in neue Strukturen über, insbesondere in die **Lilienporzellanwerke** (gegründet 1947) oder die **Gmundner Keramik**. Die Markennamen „OEPIAG“ und „Austria Porzellan“ wurden teilweise noch in alten Formen verwendet, verschwanden aber in den 1950er-Jahren vom Markt.