Mit den Anfängen unserer Kaolin- und Porzellanindustrie ist der Name keines geringeren Mannes aufs engste verknüpft als der unseres größten deutschen Dichters – Johann Wolfgang von Goethe. Durch seine zahlreichen Bäderreisen nach Böhmen, besonders nach Karlsbad von 1785 bis 1823, war ihm unsere Heimat so vertraut und lieb geworden, wie das grüne Herz Deutschlands, sein Thüringer Land. Er fühlte sich in monatelangen Aufenthalten in Karlsbad so wohl, daß er einmal sogar im Ernste daran dachte, ein Haus zu erwerben und sich hier dauernd niederzulassen. Zu Goethes liebsten Beschäftigungen, die er besonders gern in der Nachkurzeit betrieb, gehörte die geologische Untersuchung der Karlsbader Umgebung. Fleißig wurden, besonders ab 1806, mit dem alten Steinschleifer Josef Müller Ausflüge unternomrnen, um die verschiedensten Gesteine zusammenzutragen und sie seinen Sammlungen einzureihen. Daß er dabei auch mit unserer Porzellanerde bekannt werden mußte, ist selbstverständlich. Für Josef Müller schrieb er im Jahre 1806 seine Abhandlung „Sammlung zur Kenntnis der Gebirge von und um Karlsbad“ und weist ausdrücklich darauf hin, daß es „hier auch große Thonlager aller Art vom Capselthone an bis zum Porzellanthone mit Spuren von Quarz und Glimmerll gebe. In seiner Karlsbader Gesteinssammlung, die er auf 100 Stück brachte, bezeichnet Nr. 14 „Granit, in welchem braunrothe Crystalle in Porzellanerde übergehen“, und die Nummern 68 und 69 „Thonarten aus der Gegend“, worunter auch Kaolin vorkommt.
Wie stark sich Goethe mit der Geologie unserer Gegend beschäftigte, zeigte ein ideeller Durchschnitt des „Lessauer und Hohdorfer Gebirges bei Karlsbad“ nach Struve, der sich in seinen Nachlaßpapieren fand. Die Lagerung der Gesteine beginnt mit Granit, es folgen Gneis, Quarzfels, scheinbare Breccie mit bituminösen Holzteilen, bituminöse Holzkohle, Sandstein und schließlich als letzte Schichte an der Oberfläche Ton- und Porzellanerde. Mit Recht hebt von dieser interessanten Zeichnung, einer der frühesten geologischen Skizzen unserer Gegend, Max Semper hervor: „Vergleicht man dieses Profil unter Beachtung seines idealen, d. h. schematischen Charakters mit einem neuzeitlichen, so findet man in den Angaben über die Oberflächenbeschaffenheit viel Übereinstimmung. In der Schichtenfolge Quarzfels und scheinbare Breccie, biturninöse Holzkohle und Sandstein ist die heutige Teilung der dortigen Braunkohlenformation vorgedeutet; der wesentlichste Unterschied ist, daß Ton- und Porzellanerde als oberstes auftreten, die in Wirklichkeit Sattelkerne bilden.“ Dieses Vorkommen an bester Porzellanerde in der nächsten Umgebung Karlsbads bildete die Grundlage für die Entwicklung unserer Porzellanindustrie.
Hatte Goethe, als er vor seiner italienischen Reise noch die Kammergeschäfte in Weimar führte, nicht viel für die Porzellanindustrie übrig gehabt, so fesselte ihn die aufstrebende böhmische Porzellanindustrie im Karlsbader Land während seiner Badeaufenthalte um so mehr, so daß er von 1806 bis 1820 sechsmal die Fabrik in Dallwitz, 1819 die Fabrik in Altrohlau und von 1818 an mehreremale die Fabrik in Elbogen besucht hatte. Schon zum 25. Juli 1806 schreibt er in sein Tagebuch:… „Auf Dallwitz in die Porzellanfabrik, wo der Feldspath, der in der Nähe in großen Felsen mit Quarz ansteht, und manche andere Thonart der Nachbarschaft (Zettlitz) benutzt wird.“ Besonders war es Benedikt Haßlacher, der damalige Direktor der Dallwitzer Fabrik, der schon von 1806 an Goethe für unsere Porzellanindustrie interessierte. Auch im Jahre 1807 wird der Dallwitzer Fabrik wieder ein Besuch abgestattet und so lesen wir in Johann Wolfgang von Goethes Tagebüchern zum 18. Juli d.J.: Jn Dallwitz die Fabrik besucht, den Vorsteher derselben, Herrn Haßlacher, vom vorigen Jahr noch gefunden und die Anstalt im Wachsen.