Hedwig Bollhagen

Hedwig Bollhagen – Bauhaus im Alltag: Form, Funktion, Handwerk

Geb. 30. Januar 1907, Hannover  |  Gest. 8. Juli 2001, Marwitz (Brandenburg)

Biografie

Hedwig Bollhagen gilt als eine der einflussreichsten deutschen Keramikerinnen des 20. Jahrhunderts. Nach der Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Hannover arbeitete sie in verschiedenen Werkstätten (u. a. Velten, Haël-Werkstätten) und gründete 1934 die HB-Werkstätten für Keramik in Marwitz.

Die Frühphase der Werkstatt ist historisch kritisch einzuordnen: Sie entstand im Kontext der Arisierung jüdischen Eigentums (Grete Heymann-Loebenstein musste emigrieren). Bollhagen führte die Werkstätten nach 1945 in der DDR als künstlerische Leiterin weiter.

HB-Werkstätten für Keramik (Marwitz)

Die HB-Werkstätten wurden zu einem Zentrum zeitloser Gebrauchskeramik. Nach Bauhaus-Prinzipien – Form folgt Funktion – entstanden Tafelgeschirre, Kannen, Vasen und Fliesen. Produktionstechnisch verband Bollhagen Drehscheibenarbeit mit Schablonenmalerei; es entstanden erschwingliche Serien für den Alltag.

Typisch sind die handbemalten Streifen-, Punkt- und Schachbrett-Dekore in Schwarz, Weiß, Blau, Rot, Gelb. Viele Formen werden bis heute nach Originalmodellen gefertigt.

Stilmerkmale & Bedeutung

Bollhagens Formen sind klar, schnörkellos und funktional – geprägt von Bauhaus und Neuer Sachlichkeit. Ihre Dekore sind geometrisch und rhythmisch, stets handwerklich ausgeführt. Damit machte sie die Bauhaus-Idee alltagstauglich und prägte das Bild moderner deutscher Keramik nach 1945 entscheidend mit.

Ihre Werke finden sich in wichtigen Sammlungen (u. a. Bröhan-Museum Berlin, Grassimuseum Leipzig, Bauhaus-Archiv Berlin) und gelten als Ikonen des 20. Jahrhunderts.

Auszeichnungen & Nachwirkung

Sie erhielt u. a. das Bundesverdienstkreuz am Bande (1997) und das Große Bundesverdienstkreuz (1999). Die HB-Werkstätten produzieren bis heute nach ihren Entwürfen; frühe Originale (1930er–1960er) sind besonders begehrt.

Hedwig Bollhagen bleibt eine Schlüsselgestalt, die Tradition, Handwerk und Moderne zu einer eigenständigen, zeitlosen Formensprache verband.

Hael-Werkstätten für künstlerische Keramik GmbH

Eine bedeutende Station der deutschen Keramikgeschichte der 1920er-Jahre

Die Hael-Werkstätten in Marwitz bei Velten hatten in den 1920er-Jahren einen hohen künstlerischen Ruf erlangt. Rückblickend ist festzustellen, dass sie sich in Formgebung und Dekoration oft an den Keramiken der benachbarten Manufaktur Velten von Hermann Harkort orientierten. Dennoch entstanden auch eigenständige künstlerische Entwürfe, die zur Wertschätzung beitrugen und der Werkstatt einen Platz in der Keramikgeschichte sicherten.

Produktion und Stil

In den Hael-Werkstätten entstanden Gefäße mit klaren, einfachen Formen aus Steingut und Fayence. Sie zeichneten sich durch eine Malerei aus, die mit kräftigem Strich betonte Flächen schuf und eine enge Verwandtschaft zur bäuerlichen Keramik aufwies. Neben Glasuren auf rotem Scherben wurden auch Mattglasuren in Verbindung mit zurückhaltender Malerei eingesetzt.

Ein ausgestellter Teller verdeutlicht die hohe Beherrschung der Fayencemalerei. Besonders der kubistische und abstrakte Dekorationsstil der 1920er-Jahre zeigt, wie sehr die Hael-Werkstätten mit ihrer figürlichen Bildsprache den Zeitgeist trafen. Die breite Pinselarbeit verlangte Präzision und Erfahrung, da jeder Strich endgültig saß und keine Korrektur möglich war. Gerade dieser sichere Strich, verbunden mit einem feinen Farbgefühl, wurde zu einer stilbildenden Eigenheit.

Ende der Hael-Werkstätten und Übergang zu HB

1934 beendeten die Hael-Werkstätten ihre Arbeit. An ihre Stelle trat Hedwig Bollhagen, die die Produktionsstätte übernahm und unter dem Namen „HB-Werkstätten für Keramik“ ein neues, eigenständiges Programm entwickelte. Damit setzte sie die Tradition fort, führte aber gleichzeitig die Moderne in eine neue Richtung. Die HB-Werkstätten existieren bis heute und gelten als bedeutende Vertreter der deutschen Gebrauchskeramik.

Signatur

Die Stücke der Hael-Werkstätten sind mit einem Pressstempel versehen: ineinandergestellte Buchstaben „HaEL“ (Marke 70). Diese Markierung dient heute Sammlern als wichtiges Echtheitsmerkmal.

Literatur

  • Katalog: Alte und neue Keramik, Bayerisches Nationalmuseum, München 1926
  • K. Strauß: Deutsche Keramik der Gegenwart, Halle/Saale 1927
  • Berichte der Ausstellung im Grassi-Museum, 1927
  • Leipzig 1928, Taf. 103
  • Musterbuch in der Kunstbibliothek, Berlin, Jebensstraße

Timeline – Hedwig Bollhagen

Meilensteine im Leben und Werk der Keramikerin

1907 – Geburt von Hedwig Bollhagen in Hannover.
1920er Jahre – Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Hannover, erste Tätigkeiten in Keramikwerkstätten.
1934 – Gründung der HB-Werkstätten für Keramik in Marwitz auf dem Gelände der ehemaligen Haël-Werkstätten.
1945–1980er Jahre – Fortführung und künstlerische Leitung der Werkstätten in der DDR. Bollhagen prägt das Sortiment über Jahrzehnte.
1997 – Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
1999 – Auszeichnung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.
2001 – Hedwig Bollhagen stirbt in Marwitz. Ihre Werkstätten produzieren bis heute nach ihren Entwürfen.

Vernetzung: Richard Bampi & das Netzwerk der Keramikmoderne

Von Bauhaus-Impulsen über Burg Giebichenstein bis zur Glasur-Avantgarde – hier finden Sie die thematischen Brücken rund um Richard Bampi.

Bauhaus-Keramik

Frühe Eindrücke, reduziertes Formdenken und die Idee der Typenware bilden den historischen Resonanzraum für Bampis Weg zur klaren Gefäßplastik. Zum Überblick über Personen, Werkstätten und Leitideen: Bauhaus-Keramik.

Burg Giebichenstein

Bampis Hinwendung zur experimentellen, künstlerisch autonomen Keramik steht im Dialog mit der Lehre und Praxis in Halle/Saale (Serienkompetenz, Laborarbeit, Glasurforschung). Zur Schule, den Marken (Hügelzeichen) und gesuchten Objekten: Burg Giebichenstein.

Hedwig Bollhagen (HB)

Die 1934 neu aufgestellten HB-Werkstätten (Nachfolge der Haël-Werkstätten) zeigen – wie Bampi – das Spannungsfeld von Gebrauchskeramik und künstlerischer Handschrift. Mit Fokus auf Bauhaus-naher Funktionalität und Dekorökonomie liefert HB einen Gegenpol zu Bampis späterer Glasur-Avantgarde: Hedwig Bollhagen.

Hubert Griemert

Wie Bampi legte Griemert größtes Gewicht auf Glasurforschung (Matt-/Tonenglasuren, farbige Oberflächen). Beide stehen für die Verschmelzung von strenger Form und farblicher Tiefe – zwei Positionen, die sammlerisch häufig gemeinsam betrachtet werden: Hubert Griemert.

Staatliche Majolika-Manufaktur Karlsruhe

Über Max Laeuger und die Karlsruher Schule lässt sich Bampis frühes Form- und Glasurbewusstsein verorten (Fayence-/Majolika-Referenzen, konsequente Oberflächenführung). Der Blick auf Karlsruhe ergänzt das Verständnis seiner frühen Entwicklungsphase.

Für Sammler: Querbezüge & Markt

  • Form & Serie: Bauhaus-Keramik (Dornburg) → Typenware, reduzierte Gefäßfamilien.
  • Schule & Marke: Burg Giebichenstein → Hügelzeichen/Marken, Lehrwerkstatt, Serien- & Unikate.
  • Dekor & Alltag: HB (Bollhagen) → alltagstaugliche Formen, Streifen-/Punktdekore.
  • Glasur & Experiment: Griemert/Bampi → Matt- & Hochbrandglasuren, Unikatcharakter, asymmetrische Gefäße.

Hinweis: Provenienz (Werkstattmarken, Signaturen „RB“, „HG“, Hügelzeichen etc.), Erhaltungszustand und Entstehungszeitraum (z. B. 1920er/40er) sind die preistreibenden Faktoren.

Werkstätten für Keramik Marwitz – Hedwig Bollhagen & das Ritz-Dekor

Schlichte Formen, starke Dekore: Marwitzer Keramik als Ikone der deutschen Moderne

Gründung & Idee

Die Werkstätten für Keramik (HB-Werkstätten) in Marwitz entstanden 1934 auf dem Gelände der ehemaligen Haël-Werkstätten. Hedwig Bollhagen (1907–2001) übernahm die Leitung und entwickelte den Betrieb zu einer der prägenden Adressen moderner Keramik in Deutschland: alltagstaugliche, formschöne Geschirre, handwerklich gefertigt und erschwinglich gedacht.

Hedwig Bollhagen – Form & Haltung

Bollhagen verband einfache, klare Gefäßkörper mit einer großen Dekorvielfalt. Ihr Ziel war eine „schöne Gebrauchsware“, die Funktion und Ästhetik versöhnt. Ihre Serviceformen gelten als zeitlos, weil die Proportionen ruhig, die Profile präzise und die Griffe/Henkel alltagsgerecht sind – ideale Bühnen für die Vielfalt der Dekore.

Ritz-Dekor – Technik & Wirkung

Das Ritz-Dekor entsteht, indem in den lederharten Scherben Linien, Punkte oder grafische Felder eingeritzt werden. Nach dem Glasieren treten diese Vertiefungen plastisch hervor, die Linien zeichnen sich dunkel gegen die glasierte Oberfläche ab. Der Effekt ist klar, grafisch, lebendig – ohne die Form zu überladen. Motive reichen von streng geometrischen Gittern über Wellen und Kreise bis zu abstrahierten Naturzeichen.

Historische Vorbilder (islamische/ostasiatische Keramik) werden in Marwitz eigensinnig modernisiert: Das Dekor folgt der Form, betont Schulter, Bauch und Rand, spielt mit Wiederholung und Rhythmus und bleibt zugleich robust für den alltäglichen Gebrauch.

Handwerk & Dekorvielfalt

Neben dem Ritz-Dekor prägen Schlicker-, Mal- und Glasurdekore das Bild der Werkstätten. Viele Dekore wurden – und werden – von Malerinnen in Handarbeit aufgetragen. So lassen sich identische Grundformen immer wieder neu interpretieren: streng, verspielt, floral, grafisch. Die Werkstätten wurden dadurch zu einem Resonanzraum für Talente, die das Spektrum von Form und Oberfläche erweiterten.

Bedeutung & Gegenwart

Die HB-Werkstätten sind eine Ikone der deutschen Keramikgeschichte. Die Serviceformen und das Ritz-Dekor stehen für die Verbindung von künstlerischem Anspruch, handwerklicher Perfektion und alltäglicher Funktion. Bis heute werden Klassiker gefertigt – begehrt bei Nutzerinnen und Nutzern, aber auch bei Sammlerinnen und Sammlern, die die Kontinuität der Marwitzer Keramikkultur schätzen.

porzellanselb

Ich kaufe Porzellan überwiegend von Rosenthal und KPM von 1950 bis 1980 Studio-Line, Hubert Griemert, Tapio Wirkala, Victor Vasarely, Grießhaber, Otto Piene, Wolf Karnagel und viele mehr.