Keramische Werkstätten in Deutschland – 1920er Jahre
Bauhaus, Reformkeramik & Jugendstil: Zentren, Werkstätten, Künstlergruppen der Zwischenkriegszeit
Burg Giebichenstein (Halle/Saale)
Ab 1925 Standort der modernen Keramikausbildung (u. a. Gerhard Marcks, Marguerite Friedländer). Funktionsorientierte Gefäßkeramik, klare Formen, sachliche Glasuren; wichtiger Übergangsort zwischen Bauhaus und angewandter Kunst.
Dornburger Bauhaus-Töpferei
Bauhaus-Werkstatt (bis 1925), später unter Otto Lindig. Entwicklung der Typenware: stapelbares, serielles Gebrauchsgeschirr (Zylinder/Konus/Kugel als Grundformen), modular gedachte Henkel/Deckel/Tüllen – „Form folgt Funktion“ in Keramik.
Haël-Werkstätten Marwitz (1923–1934)
Gegründet von Margarete Heymann-Loebenstein. Avantgardistische Formen und farbige Dekore im Geist des Bauhauses; Serien für den Alltag und expressive Zierkeramik.
Hedwig Bollhagen Werkstätten (ab 1930, Marwitz)
Fortführung und Neuordnung der Marwitzer Tradition nach Schließung der Haël-Werkstätten. „HB“-Signaturen, Typenprogramme und zeitlose Gebrauchskeramik mit klarer Linienführung.
Steingutfabriken Velten-Vordamm
Zentrum der Reformkeramik nördlich von Berlin: Mitarbeit von Hedwig Bollhagen, Charlotte Hartmann, Werner Burri, Luise Harkort u. a.; moderne Dekore, serielle Steingutproduktion.
Tonwerke Kandern (Baden)
Reformkeramik mit Max Laeuger und Nachfolgern: Jugendstil-Formen, Baukeramik, experimentelle Lauf-/Kristallglasuren; internationale Ausstellungspräsenz.
Werkstatt Richard Bampi (Kandern, ab 1925)
Reformkeramiker von internationalem Rang: strenge Gefäßformen, differenzierte Glasuren, später prägend für die Nachkriegs-Studiokeramik (Einfluss auf Horst Kerstan).
Werkstätten für Keramik Bürgel (Thüringen)
Carl & Walter Gebauer, C. A. Schack u. a.: zwischen Traditionsware, expressionistischen Ansätzen und reformorientierter Keramik; Zusammenarbeit mit Henry van de Velde.
Staatliche Majolika-Manufaktur Karlsruhe
Kunstkeramisches Zentrum mit Werkstattprogrammen und angewandter Baukeramik. Gestalter wie Theodor Bogler, Erwin Spuler, Theodor Schmuz-Baudiss prägten die 1920er-Programme.
Wächtersbacher Steingutfabrik (Hessen)
Reformprogramme ab den 1890ern; Kunstabteilung unter Christian Neureuther. Jugendstil- und Art-Déco-Dekore, Seriengeschirr und Zierkeramik.
Keramische Werkstätten Herrsching
Reformkeramik mit internationalen Bezügen; u. a. Julius von Guldbrandsen. Experimentelle Glasuren & klare Gefäßkörper.
Oberlausitzer Werkstätten
Reformorientierte Produktion im Umfeld der frühen Moderne; Kooperationen mit entwerfenden Künstlern, Schnittstelle zwischen Handwerk und Design-Serien.
Oranienburger Werkstätten
Kunsthandwerkliche Keramikproduktion im Berliner Raum; Fertigungsort für reformorientierte Gefäße und Baukeramik (Bezüge zu Richard Mutz und Nachfolge).
Netzwerk – Keramische Werkstätten & Zentren
Klicke auf einen Ort für Details & interne Links (Bauhaus · Reform · Jugendstil).
Zeitliche Einordnung – Keramiker:innen der 1920er bis 1950er
Schlüsseljahre der sechs Positionen: Bauhaus, Burg Giebichenstein, Marwitz, Kandern & Bürgel.
Marguerite Friedlaender (später Wildenhain)
- 1920
Bauhaus Weimar/Dornburg – Töpferei bei Marcks & Krehan.
- 1925
Leitung Keramik an der Burg Giebichenstein, Halle (Typenware, klare Formen).
- 1933
Emigration (Frankreich), später USA.
- 1948
Gründung Pond Farm Pottery, Kalifornien (Lehre & Studiokeramik).
Otto Lindig
- 1919–20
Bauhaus Weimar; Wechsel nach Dornburg.
- ab 1923
Entwicklung der Bauhaus-Typenware (stapelbares Gebrauchsgeschirr).
- 1925–30er
Dornburg-Serien & Lehrtätigkeit; Bauhaus-Prinzip „Form folgt Funktion“.
- 1950er
Lehraufträge/Hochschulbezug (u. a. Hamburg) – Nachwirkung der Typenprogramme.
Margarete Heymann-Loebenstein (Haël-Werkstätten)
- 1923
Gründung Haël-Werkstätten Marwitz (avantgardistische Serien, farbige Dekore).
- 1925–30
Export & Ausstellungen; enge Nähe zu Bauhaus-Gebrauchskeramik.
- 1934–36
Schließung/Emigration nach Großbritannien; Fortsetzung der Arbeit im Exil.
Hedwig Bollhagen (HB-Werkstätten, Marwitz)
- 1930
Beginn der Tätigkeit in Marwitz, Übergang aus Haël-Strukturen.
- 1934
Gründung HB-Werkstätten (Ritzdekor, Streifen, Typenserien).
- 1945–50er
Neuaufbau & Kontinuität der klassischen Serviceformen.
Richard Bampi (Kandern)
- 1925
Werkstattgründung Kandern (Reformkeramik, Lauf-/Kristallglasuren).
- 1930er
Reduzierte Gefäßformen, internationale Anerkennung.
- 1950er
Einfluss auf Nachkriegs-Studiokeramik; Lehrerfigur (u. a. Horst Kerstan).
Walter Gebauer (Bürgel)
- 1922–32
Lehre/Meister; Werkstatt Bürgel (Tradition & Reform).
- 1945–60er
DDR-Keramik: Landesobermeister, Lehre (Burg Giebichenstein, Gastdozent).
- 1960–80er
Auszeichnungen (Prag, Faenza), prägende Gefäßkultur in Thüringen.
Keramiker:innen der 1920er Jahre
Zentrale Gestalterpersönlichkeiten zwischen Bauhaus, Burg Giebichenstein und Reformkeramik: