Metzler & Ortloff – Geschichte einer thüringischen Porzellanmanufaktur

Die Porzellanmanufaktur Metzler & Ortloff zählt zu den traditionsreichen Betrieben Thüringens. Ihre Wurzeln reichen ins Jahr 1875 zurück, als in Ilmenau eine Fabrik gegründet wurde, die zunächst auf Gebrauchsgeschirr, Puppenköpfe und Haushaltsartikel spezialisiert war. Schon früh zeichnete sich das Unternehmen durch hohe handwerkliche Qualität und die Fähigkeit aus, sich auf die sich wandelnden Märkte einzustellen.

Die Anfänge (1875–1900)

Gegründet von Rudolf Metzler, erlebte die Firma zunächst einen kontinuierlichen Ausbau. Produziert wurden Puppenköpfe, Apotheker- und Sanitärartikel sowie Geschirr für den täglichen Bedarf. Schon bald traten auch seine Söhne Hugo und Robert Metzler in die Leitung ein. 1875 stieg Hugo Ortloff in die Firma ein und wurde zum Namensgeber des späteren Unternehmens. In dieser Zeit beschäftigte man nur wenige Dutzend Arbeiter, doch die Palette erweiterte sich rasch. Um 1900 begann die Herstellung von Zierporzellan, Vasen, Leuchten und figürlichen Arbeiten – ein entscheidender Schritt, der Metzler & Ortloff einen Platz im kunsthandwerklichen Bereich verschaffte.

Aufstieg im Kaiserreich und in der Weimarer Republik

Der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte eine enorme Ausweitung des Angebots. Neben Haushaltsgeschirr entstanden auch dekorative Artikel. Die Einführung neuer Glasuren, Farbkombinationen und Techniken sorgte für internationale Anerkennung. Auf Ausstellungen und Messen präsentierte das Unternehmen seine Produkte erfolgreich. Künstlerische Leiter wie Gustav Oppel oder Claire Weiss-Herceg prägten den Stil der Manufaktur. Besonders beliebt waren die Kind- und Tierfiguren, die sich in vielen Haushalten fanden.

Die 1920er-Jahre sahen Metzler & Ortloff auf dem Höhepunkt: Eine Vielzahl von Formen und Modellen wurde entwickelt, die Produktpalette reichte von schlichten Alltagsgefäßen bis hin zu fantasievollen Figuren im Art-Déco-Stil. Die Manufaktur war zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Arbeitgeber in Ilmenau.

Die Zeit des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg

In den 1930er-Jahren musste das Unternehmen, wie viele andere auch, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen. Die Weltwirtschaftskrise führte zu einem Rückgang der Bestellungen. Dennoch gelang es, sich mit neuen Modellen und Exporten über Wasser zu halten. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Produktion teilweise auf kriegswichtige Güter umgestellt. Künstlerisch blieb die Zeit eher konservativ geprägt, gleichwohl entstanden weiterhin dekorative Figuren.

Neubeginn nach 1945

Nach dem Krieg begann für Metzler & Ortloff eine schwierige Phase. Die Fabrik lag in der sowjetischen Besatzungszone, später in der DDR. Zunächst kämpfte man mit Materialknappheit, gleichzeitig bestand aber ein hoher Bedarf an Porzellanartikeln. Ab den 1950er-Jahren wurden Figurenserien, Servicegeschirre und Zierporzellan wieder in großer Zahl produziert.

In den 1960er-Jahren wurde die Firma in den VEB Kunstporzellan Ilmenau integriert. Damit verlor Metzler & Ortloff seine Selbstständigkeit, blieb jedoch als Markenname auf Figuren und Zierobjekten präsent. Zahlreiche Entwürfe aus den 1920er- bis 1950er-Jahren wurden neu aufgelegt. Modelle von Künstlern wie Hans Kneisl, Walter Bosse und anderen sind bis heute auf dem Sammlermarkt begehrt.

Künstlerische Bedeutung

Besonders charakteristisch sind die Figuren von Kindern, Tänzerinnen und Tieren, die mit natürlicher Leichtigkeit und liebevollen Details gestaltet wurden. Viele dieser Arbeiten spiegeln den Zeitgeist der 1920er- bis 1950er-Jahre wider: Verspieltheit, Eleganz und zugleich eine gewisse Alltagstauglichkeit. Zu den bekannten Modellnummern zählen u. a. das „Gretchen“ (Modell 6830), Kindertänzerinnen von Claire Weiss-Herceg, Tierfiguren von Paul Zeiller sowie die beliebten Skulpturen von Hans Kneisl.

Die Vielfalt der Formen und die hohe Qualität der Glasuren machen Metzler & Ortloff bis heute zu einem Sammelgebiet, das Kunstfreunde wie Porzellansammler gleichermaßen fasziniert.

Internationale Präsenz und Exportmärkte

Schon früh exportierte die Firma ihre Erzeugnisse nach England, Frankreich und in die USA. Besonders die figürlichen Arbeiten, die sich durch eine Mischung aus Charme und handwerklicher Perfektion auszeichneten, fanden ein internationales Publikum. Sammler in Skandinavien und Osteuropa schätzten die feinen Glasuren und die harmonische Farbgestaltung. In der Nachkriegszeit waren es vor allem die kleinformatigen Figuren, die als Mitbringsel und Geschenkartikel beliebt waren.

Sammlerwert und heutige Rezeption

Metzler & Ortloff ist heute eine feste Größe auf Auktionen und Sammlerbörsen. Modelle aus den 1920er- und 1930er-Jahren, die häufig in kleinen Serien gefertigt wurden, erzielen Höchstpreise. Figuren aus der DDR-Zeit sind ebenfalls gefragt, wenngleich ihre Stückzahlen höher waren. Besonders geschätzt werden Werke mit gut erhaltener Bodenmarke, da diese eine präzise zeitliche Einordnung erlauben.

Das Spektrum der Sammler reicht von Privatliebhabern bis hin zu Museen, die den kulturhistorischen Wert der Figuren dokumentieren. In Ilmenau selbst erinnert bis heute das historische Fabrikgebäude an die lange Geschichte der Marke.

Das Ende und das Erbe

1975 wurde die Produktion in Ilmenau eingestellt, die Gebäude gingen in den Besitz des VEB Graf von Henneberg über. Damit endete nach genau 100 Jahren die eigenständige Geschichte von Metzler & Ortloff. Heute sind die Erzeugnisse der Manufaktur gesuchte Sammlerstücke. Besonders frühe Modelle aus den 1920er- und 1930er-Jahren sowie Figuren aus den 1950er- und 1960er-Jahren erzielen auf Auktionen beachtliche Preise. Die Vielfalt der Markenzeichen – von der Krone über das verschlungene M&O bis zu den DDR-Zusätzen – erlaubt eine genaue zeitliche Einordnung der Stücke.

Die Geschichte von Metzler & Ortloff ist ein Spiegelbild der deutschen Porzellanindustrie zwischen Kaiserreich, Weltkriegen und DDR-Zeit. Von den schlichten Anfängen über die glanzvollen Art-Déco-Jahre bis zum Ende in der DDR steht die Manufaktur für handwerkliche Qualität, künstlerische Vielfalt und ein Jahrhundert wechselvoller Industriegeschichte. Ihre Produkte sind heute nicht nur begehrte Sammlerobjekte, sondern auch ein wichtiges Kulturerbe Thüringens. Mit jeder Figur und jedem Service lebt ein Stück deutscher Kultur- und Wirtschaftsgeschichte weiter – ein Erbe, das Sammler auf der ganzen Welt fasziniert und bis heute nachwirkt.

Timeline – Metzler & Ortloff (Ilmenau)

Timeline – Metzler & Ortloff (Ilmenau)

Wichtige Meilensteine der thüringischen Porzellanmanufaktur von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

1875
Gründung in Ilmenau (Thüringen) durch Rudolf Metzler. Herstellung von Puppenköpfen und -armen, Apotheken- und Sanitärartikeln sowie einfachem Gebrauchsporzellan.
1878–1883
Ausbau der Betriebsgrundstücke; Beteiligungen/Umfirmierungen (u. a. „Metzler & Höhn“). Hugo Ortloff steigt ins Unternehmen ein.
1890er
Festigung des Namens „Metzler & Ortloff“. Starkes Wachstum der Belegschaft; Aufbau eines umfangreichen Formenbestands für Haushalt und Apotheke.
1899
Fertigstellung des markanten Fabrikgebäudes in der Weimarer Straße – späteres Wahrzeichen der Firma.
ab 1900
Programmwechsel: Zusätzlich zum Gebrauchsporzellan entstehen Zierporzellane (Vasen, Leuchter, Schalen) sowie erste Figuren.
1907–1910
Neue Porzellanmassen, Glasuren und Dekore; systematische Modellbücher und Kataloge werden angelegt.
1916
Nach dem Tod von Robert Metzler führt Prokurist Karl Haftmann die Geschäfte kommissarisch weiter.
1917–1922
Dr. Hugo Ortloff übernimmt leitende Funktionen. Trotz Engpässen Modernisierung (Spritzerei/Gießerei, Ofenanlagen).
1920er
Künstlerische Blüte mit Art-Déco-Figuren (Kinder, Tänzerinnen, Tiere). Kooperation mit Bildhauern; Ausbau des Exports und starke Präsenz in Fachpublikationen.
1925
Feier des 50-jährigen Jubiläums. Über 120 Mitarbeitende; mehrere tausend Formen im Sortiment.
1930–1939
Weltwirtschaftskrise belastet die Branche. Gleichwohl Festigung der Auslandsmärkte (u. a. England, USA). Neue Figurenserien kommen auf den Markt.
1939–1945
Zweiter Weltkrieg: Teilumstellung der Produktion, Material- und Personalknappheit.
ab 1945
Neustart in der sowjetischen Besatzungszone/DDR. Fortführung des Figurensortiments, Modernisierung der Fertigung, Aufbau neuer Exportbeziehungen nach Osteuropa.
1950er
Hohe Nachfrage nach dekorativen Figuren (Kinder, Tiere, Ballerinen). Serienerweiterungen; klare Modellnummern- und Stempelsysteme.
1960er
Integration in den VEB Kunstporzellan Ilmenau; Markenstempel „M&O“ bleiben auf vielen Erzeugnissen sichtbar.
1968
Kombinatsstruktur: Betriebsführung geht an die VEB Wallendorfer Porzellanfabrik Lichte über.
1972
Im Zuge der Verstaatlichung weitere Zentralisierung der thüringischen Porzellanproduktion.
1973
Angliederung an das neue Werk des VEB Graf von Henneberg in Eichicht. Schließung des Traditionsstandortes Ilmenau; Verlagerung von Formen und Personal in Kombinatswerke.
1990
Nach der Wiedervereinigung Reprivatisierung der Liegenschaften; das Fabrikgebäude wird saniert und anderweitig genutzt. Der Name Metzler & Ortloff bleibt in der Sammlerwelt präsent.
2000er
Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte in Sammlerkreisen; systematische Erfassung von Modellnummern, Stempeln und Dekoren. Bedeutende Figuren erzielen beachtliche Auktionspreise.
2010er
Wachsende Aufmerksamkeit für Thüringer Porzellan der 1920–50er Jahre; museale Präsentationen ausgewählter Stücke aus Ilmenau.
Heute
Metzler & Ortloff steht bei Sammler:innen für charakterstarke Figuren und sorgfältig dekoriertes Zierporzellan. Historische Stempel (Krone „M&O“, Kreis-M, Export „GERMANY“ u. a.) dienen der Datierung; der ehemalige Standort ist Teil der regionalen Industriegeschichte Ilmenaus.

Verbindungen zu Ilmenau

porzellanselb

Ich kaufe Porzellan überwiegend von Rosenthal und KPM von 1950 bis 1980 Studio-Line, Hubert Griemert, Tapio Wirkala, Victor Vasarely, Grießhaber, Otto Piene, Wolf Karnagel und viele mehr.