Porzellanfabrik Schmuck, Welsch & Klein (1898–1899)
Die Fabrik wurde 1898 unter dem vielversprechenden Namen „Fortuna“ von den Kaufleuten Schmuck, Welsch und Klein gegründet – ohne eigene Erfahrung in der Porzellanherstellung, was von Anfang an zu gravierenden Problemen führte.
Bereits nach einem Jahr folgte die Insolvenz (1899). Den Betrieb kauften Emanuel Gareis, Joseph Kühnl, Moritz Reis und Philipp Rosenau.
Porzellanfabrik Gareis, Kühnl & Co. (1899–1950)
Reis und Rosenau verantworteten die Finanzen; Gareis und Kühnl übernahmen die Produktion. Beide stammten aus dem Raum Karlsbad (Böhmen) und brachten das nötige Know-how mit. Bereits 1900 schied Gareis aus; ihn ersetzte Karl Pleier, ein ehemaliger Steinmetz aus Pechgrün bei Chodau (Böhmen).
1903 verließ Kühnl das Unternehmen und führte Adolf Stark ein, der technischer Leiter wurde. Stark erwies sich als prägende Persönlichkeit: Er lieferte zahlreiche Ideen und Produkte, wurde 1904 Gesellschafter und später Generaldirektor. In den Folgejahren expandierte das Werk auf acht Brennöfen, Schwerpunkt war Tafelgeschirr. Technisch rüstete man u. a. mit zwei Dampfmaschinen (50 PS und 120 PS, Maschinenbau-AG Marktredwitz, Lieferung 1907) auf; eine weitere 200/265 PS-Maschine von M.A.N. Augsburg-Nürnberg wurde am 25. April 1921 installiert.
Nach zwanzig erfolgreichen Jahren trat Stark 1924 zurück; die Geschäftsführung übernahmen Hans Stark (sein Sohn) und Karl Pleier jun. Unter ihrer Leitung stieg die Belegschaft von rund 300 (1925) auf 450 (1930). Im Zuge der offen antisemitischen Anfeindungen 1936 emigrierten die jüdischen Gesellschafter Reis und Rosenau in die USA. Der einsetzende Rüstungsboom veränderte die Nachfrage; Auftragsrückgänge wurden 1937 durch Personalabbau auf etwa 200 Beschäftigte kompensiert. Während des Kriegs litt der Betrieb unter Rohstoff- und Arbeitskräftemangel, vor allem aber unter dem Zusammenbruch der Exportmärkte. Karl Pleier jun. hielt den Betrieb mit großem Einsatz am Laufen; er verstarb 1946 an den Folgen der Überlastung. Hans Stark führte das Werk allein weiter, stabilisierte es und bereitete die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1950 vor.
Porzellanfabrik Gareis, Kühnl & Co. AG (1950–1969)
Nach der Umwandlung blieb Hans Stark als Vorstand. Als letzte Stufe des Modernisierungsplans wurde 1954 der erste Tunnelofen installiert. Im selben Jahr veräußerten die in den USA lebenden Gesellschafter ihre Anteile; diese gingen an deutsche Anteilseigner sowie an Emil Engel, Inhaber der Baufirma Franz Kassecker (Waldsassen).
Trotz weiterhin solider Geschäfte setzte in den Folgejahren ein langsamer Rückgang ein. Eine starke Führungspersönlichkeit wie Stark fehlte; unter maßgeblichem Einfluss von Emil Engel beschloss die Direktion schließlich die Fusion mit der Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co. AG (1969). Das Werk blieb als Tochterbetrieb in Betrieb – bis zur Schließung der Bareuther & Co. AG 1994.
Timeline – Schmuck, Welsch & Klein → Gareis, Kühnl & Co.
1898
Gründung „Fortuna“ durch Schmuck, Welsch & Klein (ohne Branchenerfahrung) – Startprobleme.
1899
Insolvenz; Übernahme durch Gareis, Kühnl, Reis, Rosenau → Gareis, Kühnl & Co.
1903–1904
Eintritt Adolf Stark (Technik, 1903); 1904 Gesellschafter & Generaldirektor.
1907 / 1921
Rockstroh-Dampfmaschinen (50/120 PS, 1907); M.A.N.-Dampfmaschine 200/265 PS (25.04.1921).
1924–1930
Stark (sen.) tritt ab; Leitung Hans Stark & Karl Pleier jun.; Belegschaft 300 → 450.
1936–1937
Emigration von Reis & Rosenau; Personalabbau auf ~200; Exporte brechen ein.
1946
Tod Karl Pleier jun.; Hans Stark stabilisiert den Betrieb.
1950 / 1954
Umwandlung in die AG; erster Tunnelofen (1954); Anteilsverkäufe (USA) an dt. Gesellschafter & Emil Engel.
1969
Fusion mit Bareuther & Co. AG (Waldsassen); Werk weiter als Tochter aktiv.
1994
Ende mit der Schließung von Bareuther & Co. AG; Betrieb wird aufgegeben.
Interne Vernetzung – Oberpflälzische Porzellanregion
Diese Übersicht verbindet die wichtigsten Standorte und Unternehmen im Netzwerk der Porzellanindustrie: Gareis, Bareuther, Mitterteich und Tirschenreuth. Alle vier prägten die Region durch Tradition, Export und Designlinien.
Porzellanfabrik Gareis, Kühnl & Co.
Gegründet 1899 in Waldsassen, später mit Kühnl & Stark geführt, prägte Gareis die Serienproduktion im 20. Jahrhundert.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Gareis“Porzellanfabrik Bareuther & Co.
Seit 1885 in Waldsassen ansässig, bekannt für Serien wie „Indisch Blau“. Fusion 1969 mit Gareis, Kühnl & Co.
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Seit 1895 bedeutender Produzent. Mit Werken A, B, C und bis zu 800 MA wichtiger Teil der Oberpfälzer Industrie.
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Seit 1838 aktiv, im 20. Jahrhundert mit Dekoren wie „Juliette“ oder „Rhapsodie“ international erfolgreich.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Tirschenreuth“Tirschenreuth Porzellan
Übersicht zu Markenentwicklung, Dekoren und Bedeutung der Tirschenreuther Produktion seit dem 19. Jahrhundert.
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