Gründung der Porzellanfabrik Kahla
Der Begründer der Kahlaer Porzellanfabrik war Christian Eckardt. Im Jahre 1844 baute er ein in der Rudolstädter Straße gelegenes Farbenwerk zu einer Massenmühle mit Brennofen um. Die Zeit war wirtschaftlich ungünstig gewählt, das Unternehmen blieb zunächst in bescheidenen Anfängen bestehen. 1856 ging es in den Besitz von Fr. A. Koch über. Noch Ende der 1860er Jahre verfügte die Fabrik nur über zwei kleine Holzöfen und war kaum gewinnbringend. Erst der wirtschaftliche Aufschwung nach den Kriegen 1870/71 brachte die Wende.
Expansion unter Hermann Koch
1871 übernahm Hermann Koch, der älteste Sohn von Fr. A. Koch, die Leitung und führte die Fabrik zur Blüte. In den 1870er Jahren kaufte er die sogenannte Wiesenmühle und baute sie zu einer Porzellanfabrik aus. Unter seiner Leitung wuchs das Unternehmen schnell und erweiterte seine Standorte. 1888 wurde die Fabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt – mit Unterstützung des Bankhauses B. M. Strupp in Meiningen.
Bereits 1889 wurde eine weitere Fabrik, die alte Lehmannsche Fabrik mit fünf Öfen, hinzugekauft. Mit ihr kam auch die Saalmühle in den Besitz der Porzellanfabrik, die sich zur größten Massenmühle Deutschlands entwickelte.
Gründung von Zweigfabriken
In dieser Phase begann auch die Expansion über Kahla hinaus. Eine Zweigfabrik in Hermsdorf legte den Grundstein für die Produktion von technischem und elektrotechnischem Porzellan. 1890 folgte der Ankauf der Zwickauer Porzellanfabrik. Der Erfolg in Hermsdorf führte 1906 zum Bau einer großen Fabrik im sächsischen Freiberg, um das Geschäftsfeld weiter auszubauen.
Aufstieg zur Aktiengesellschaft
1881 feierte die Fabrik ihr 25-jähriges Jubiläum im Besitz der Familie Koch. 1888 gründeten Hermann Koch, Mitglieder des Bankhauses Strupp und weitere Investoren die A.-G. Porzellanfabrik Kahla. Der Vorstand setzte sich aus Koch, dem Techniker Johann Bünzli und dem Buchhalter Leopold Frank zusammen. Der neue finanzielle Rückhalt ermöglichte große Investitionen, darunter den Bau der Fabrik in Hermsdorf und den Erwerb weiterer Werke.
Bis 1914 verfügte das Unternehmen über 78 Rundöfen und beschäftigte mehr als 3.300 Personen. Damit gehörte Kahla zu den größten Porzellanherstellern Deutschlands. Hauptprodukt war Haushaltsgeschirr, das in großen Mengen gefertigt und überwiegend exportiert wurde.
Technische Neuerungen & Produktion
Die Werke in Kahla, insbesondere die Bahnhofsfabrik und die Fabrik an der Jenaer Landstraße, waren mit modernsten Generatorgasfeuerungen ausgestattet. Dort standen täglich Brände an, sodass die Produktion kontinuierlich lief. Das Unternehmen sicherte sich nicht nur Quarzsandvorkommen, sondern auch Porzellanerde, um die Rohstoffversorgung abzusichern. Vor dem Ersten Weltkrieg gingen drei Viertel der Produktion ins Ausland.
Krisen, VEB-Zeit & Neugründung
Nach dem Ersten Weltkrieg litt die Porzellanfabrik Kahla unter den wirtschaftlichen Folgen, konnte sich jedoch wieder erholen. 1946 wurde das Unternehmen eine russische Aktiengesellschaft, 1952 in einen VEB-Betrieb der DDR überführt. 1991 folgte die Privatisierung, doch schon zwei Jahre später kam es zum Konkurs. 1994 wurde das Werk als Kahla/Thüringen GmbH neu gegründet.
Auszeichnungen & Bedeutung
1885 wurde Hermann Koch vom Herzog zum Kommerzienrat ernannt. 1886 präsentierte er auf der Landes-Gewerbeausstellung die Herstellung von Porzellan in einem eigenen Pavillon. Zwischen 1880 und 1890 wuchs die Belegschaft von 180 auf 800 Mitarbeiter. Kahla entwickelte sich in dieser Zeit zum weltgrößten Hersteller für Haushaltsporzellan. Trotz Krisen und Umbrüche blieb der Name Kahla stets ein Synonym für Innovation, industrielle Größe und Porzellanqualität.
Timeline – Geschichte der Porzellanfabrik Kahla
Wichtige Stationen von der Gründung 1844 bis zur Neugründung 1994
Kahla Porzellan nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Porzellanfabrik Kahla tiefgreifende Veränderungen. 1946 wurde sie in eine sowjetische Aktiengesellschaft überführt. Ab 1952 firmierte das Werk als VEB Porzellanwerk Kahla und war fortan einer der bedeutendsten Porzellanhersteller in der DDR. Die Werke wurden modernisiert, ab 1961 begann der Bau eines neuen Werkes mit Tunnelöfen, das mehrere verstreute Betriebsstätten zusammenfasste.
Expansion in der DDR
1962 fusionierte Kahla mit dem Könitzer Werk zu den VEB Vereinigten Porzellanwerken Könitz–Kahla. In den 1970er-Jahren wurden weitere Betriebe in Volkstedt, Uhlstädt und anderen Orten eingegliedert. Ende der 1970er-Jahre war das Kombinat Kahla mit 17 Werken und rund 18.000 Beschäftigten das Zentrum der Porzellanproduktion in der DDR.
Neben klassischem Geschirr wurde in Hermsdorf und Freiberg besonders technisches und elektrotechnisches Porzellan gefertigt. Kahla exportierte in zahlreiche Länder und genoss hohes Ansehen als industrieller Großproduzent.
Wendezeit & Privatisierung
Nach der Wiedervereinigung 1990 übernahm die Treuhandanstalt das Werk. 1991 folgte die Privatisierung, die sich jedoch schwierig gestaltete. Bereits 1993 musste die Fabrik Konkurs anmelden. 1994 gründete Günther Raithel, ehemaliger Rosenthal-Manager, die Kahla/Thüringen Porzellan GmbH neu. Mit Investitionen in moderne Technik und Design begann eine erfolgreiche Neuausrichtung.
Innovationen & Nachhaltigkeit
In den 2000er-Jahren setzte Kahla auf Designvielfalt und technologische Innovationen. Die patentierte touch!®-Technologie (2005) machte Oberflächen samtweich. 2009 führte die Form TAO eine „Pro Öko“-Strategie ein. 2011 wurde in ein energieeffizientes Ofen- und Handling-System investiert, das den CO₂-Ausstoß erheblich reduzierte. Zudem erhielt das Unternehmen 1996 die ISO 9001-Zertifizierung und 2012 die ISO 14001-Zertifizierung für Umweltmanagement.
Kahla trat 2014 dem Thüringer Nachhaltigkeitsabkommen bei und feierte zugleich sein 170-jähriges Bestehen. Mit über 2.000 Designs und einer täglichen Produktion von rund 45.000 Teilen etablierte sich das Unternehmen weltweit.
Krise & Neubeginn
2020 musste Kahla wegen eines Großauftragsausfalls Insolvenz anmelden. Noch im selben Jahr übernahm die HANSA Beteiligungsgesellschaft mbH den Betrieb. Seit dem 1. September 2020 läuft die Produktion wieder – restrukturiert und zurückgeführt nach Kahla. Trotz steigender Energiekosten blickt das Unternehmen optimistisch in die Zukunft und feierte 2024 sein 180-jähriges Jubiläum.
Fazit
Die Geschichte von Kahla Porzellan nach 1945 spiegelt die Umbrüche deutscher Industriegeschichte wider: von der VEB-Zeit in der DDR über die schwierige Privatisierung nach 1990 bis hin zu Innovation, Nachhaltigkeit und neuen Wegen im 21. Jahrhundert. Trotz aller Krisen bleibt Kahla ein Symbol für Qualität, Anpassungsfähigkeit und die fortdauernde Tradition thüringischer Porzellankunst.