Porzellanfabrik Ludwig Lindner (1887–1895)
Im Jahr 1887 gründete Ludwig Lindner die erste Porzellanfabrik in Mitterteich. Die Anlage wurde während einer Modernisierung später abgerissen und durch eine neue Fabrikhalle ersetzt, die als „Werk A“ bis zur Schließung 2006 bekannt blieb.
Porzellanfabrik Mitterteich, Max Emanuel & Co. (1895–1917)
1895 übernahm die Londoner Firma Max Emanuel & Co., vertreten durch Alfred Pappenheim, die Fabrik. Das Unternehmen war ein Glas- und Porzellanhandelshaus mit Netzwerk in Europa. Auch bekannte Manufakturen wie Riessner, Stellmacher & Kessel (Amphora) in Böhmen kooperierten mit ihm. Unter seiner Leitung beschäftigte Mitterteich um 1913 rund 360 Arbeiter.
Das häufig genannte „Mosanic Pottery“ war kein Fabrikname, sondern ein Markenname von Max Emanuel für Produkte seines Londoner Geschäfts. Julius Müller, ein Porzellandekorateur, führte nebenbei das Gasthaus „Zum Lindenzweig“, das als Kantine für Arbeiter diente und auch politischer Treffpunkt war.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die britischen Eigentümer enteignet und die Fabrik 1917 in eine Aktiengesellschaft überführt.
Porzellanfabrik Mitterteich AG (1917–2006)
1917 entstand die Mitterteich AG mit über 300 Beschäftigten. Werk B wurde 1925 errichtet, Werk C folgte 1937. Anfang der 1950er-Jahre stellte man von Kohle- auf moderne Gas-Tunnelöfen um.
Ein Brand zerstörte 1988 Werk C, doch bis 1989 war die Rekonstruktion abgeschlossen. In der Hochphase hatte die Fabrik rund 800 Mitarbeiter und eine Produktionsfläche von 20.000 m².
Bekannt wurde Mitterteich für dünnwandiges Porzellan mit hoher Lichtdurchlässigkeit. Besonders populär waren Serviceformen mit Japonais-Dekoren nach Entwürfen von Julius Rother sowie klassische Serien wie „Waldstein“ oder „Rosenmuster“.
Am 1. März 2006 wurde die Produktion nach Insolvenz eingestellt. Rund 360 Beschäftigte verloren ihre Arbeit.
Sammlerperspektive
Heute sind Mitterteicher Porzellane, vor allem aus der Exportphase ins 19. und frühe 20. Jahrhundert, begehrte Sammlerstücke. Wertbestimmung erfolgt über:
- Bodenmarken – sie änderten sich mehrfach und erlauben die Datierung.
- Form- und Dekornummern – wichtig zur Identifizierung klassischer Serien.
- Zustand – Vergoldungen, Kanten und Henkel bestimmen den Marktwert.
Nachwirkung & Museum
Nach der Schließung wurden Teile des Werks A in ein Museum für Porzellan, Glas und Handwerk umgewandelt (seit 2010). Dort sind Exponate, Werkzeuge und historische Dokumente zu sehen, die an die über 120-jährige Geschichte der Fabrik erinnern.
Die Marke Mitterteich bleibt als Beispiel für oberfränkische Porzellantradition erhalten – vom Aufstieg im 19. Jahrhundert bis zum Niedergang im frühen 21. Jahrhundert.
Timeline – Porzellanfabrik Mitterteich (1887–2010)
1887
Gründung durch Ludwig Lindner in Mitterteich; späterer Neubau an gleicher Stelle („Werk A“).
1895
Übernahme durch Max Emanuel & Co., London (Alfred Pappenheim); Ausbau der Kapazitäten.
1913
Ca. 360 Beschäftigte; Dekorateur Julius Müller führt den „Gasthof zum Lindenzweig“ als Arbeiterkantine.
1917
Nach Enteignung britischer Eigentümer Umwandlung zur Porzellanfabrik Mitterteich AG.
1925 / 1937
Neubauten „Werk B“ (Hüblteichstraße) und „Werk C“ (Schulgartenstraße) zur Kapazitätserweiterung.
frühe 1950er
Umstellung von kohlegefeuerten Rundöfen auf Gas-Tunnelöfen (kontinuierliche Brenntechnik).
ca. 1900–1960
Dünnwandige Service mit hoher Lichtdurchlässigkeit; populär u. a. Japonais-Dekore (nach Julius Rother).
1988–1989
Werk C brennt nieder; Wiederaufbau bis 1989. Spitzenzeiten: ~800 Mitarbeitende, ~20.000 m² Produktionsfläche.
Aug. 2005 / 01.03.2006
Insolvenzantrag; Schließung der Produktion am 1. März 2006 (~360 Arbeitsplätze betroffen).
ab 2010
Teile von „Werk A“ werden zum Museum für Porzellan, Glas & Handwerk – Industriekultur Mitterteich.
Interne Vernetzung – Oberpflälzische Porzellanregion
Diese Übersicht verbindet die wichtigsten Standorte und Unternehmen im Netzwerk der Porzellanindustrie: Gareis, Bareuther, Mitterteich und Tirschenreuth. Alle vier prägten die Region durch Tradition, Export und Designlinien.
Porzellanfabrik Gareis, Kühnl & Co.
Gegründet 1899 in Waldsassen, später mit Kühnl & Stark geführt, prägte Gareis die Serienproduktion im 20. Jahrhundert.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Gareis“Porzellanfabrik Bareuther & Co.
Seit 1885 in Waldsassen ansässig, bekannt für Serien wie „Indisch Blau“. Fusion 1969 mit Gareis, Kühnl & Co.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Bareuther“Porzellanfabrik Mitterteich
Seit 1895 bedeutender Produzent. Mit Werken A, B, C und bis zu 800 MA wichtiger Teil der Oberpfälzer Industrie.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Mitterteich“Porzellanfabrik Tirschenreuth
Seit 1838 aktiv, im 20. Jahrhundert mit Dekoren wie „Juliette“ oder „Rhapsodie“ international erfolgreich.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Tirschenreuth“Tirschenreuth Porzellan
Übersicht zu Markenentwicklung, Dekoren und Bedeutung der Tirschenreuther Produktion seit dem 19. Jahrhundert.
➜ Zur Übersicht „Tirschenreuth Porzellan“