Porzellanfabrik Moschendorf – Ein Kapitel Hofer Industriegeschichte
Die Stadt Hof an der Saale zählte in der Blütezeit der Oberfränkischen Porzellanindustrie zu den relevanten Produktionsorten. Besonders prägend war die Porzellanfabrik Moschendorf, die 1878 im Hofer Stadtteil Moschendorf gegründet wurde. Ihre Entwicklung steht exemplarisch für den Aufstieg vom regional geprägten Handwerk hin zur international vernetzten Porzellanindustrie – und für den späteren Strukturwandel, der viele Traditionsbetriebe zum Aufgeben zwang.
Gegründet wurde das Unternehmen von Hermann Kühnert und Magnus Tischer. Bereits 1895 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft; ab 1907 prägten Paul und Otto Reinecke die Ausrichtung des Werks. Um 1906 beschäftigte die Porzellanfabrik Moschendorf rund 600 Mitarbeitende – eine Zahl, die die regionale Bedeutung als Arbeitgeber eindrucksvoll unterstreicht. Parallel wurde die Einbindung in Verbände und Handelsnetzwerke intensiviert, Musterlager in europäischen Metropolen aufgebaut und der Export gezielt ausgebaut.
Das Programm reichte von robustem Gebrauchsporzellan bis zu luxuriösen Dekoren. Besonders bekannt wurde das Strohhalmdekor, das ab 1915 (bis 1957) in vielen Varianten gefertigt wurde. Beliebte Formen waren u. a. die Form 1457 (um 1910) sowie Feston mit charakteristischem Wellenrand (ab ca. 1920). Daneben machte das sogenannte Schokoladenmädchen-Service die Marke weithin bekannt. Typisch war die Verbindung aus eleganter Linienführung und alltagstauglicher Qualität, die Moschendorfer Porzellan für ein breites Publikum attraktiv machte.
International war die Fabrik früh aktiv: In Berlin, Hamburg, Amsterdam, London, Paris oder Kopenhagen unterhielt man Musterlager; beliefert wurden Märkte in den USA, Skandinavien, Italien und weiteren Ländern Europas. Diese, für die Zeit bemerkenswerte, Exportorientierung stärkte die Marke und machte sie in Händlerkreisen zu einem verlässlichen Partner. Gleichzeitig blieb die Fertigung vor Ort techniknah: Formgebung, Masse, Glasur und Dekor wurden kontinuierlich verfeinert, um Effizienz und Qualität in Einklang zu bringen.
Wie viele Porzellanhersteller war auch Moschendorf äußeren Schocks ausgesetzt: Konjunkturkrisen, die beiden Weltkriege, Energie- und Kostendruck sowie veränderte Wohn- und Konsumgewohnheiten ab der Nachkriegszeit. Trotz Anpassungen an Programm und Märkte musste die Porzellanfabrik Moschendorf im Jahr 1957 schließen. Damit endete nach fast acht Jahrzehnten ein bedeutendes Kapitel Hofer Industriegeschichte. Heute erinnern Markenzeichen, Formnummern und Dekornamen sowie Sammlerobjekte an die Manufakturleistung einer Epoche, in der Oberfranken zu den wichtigsten Porzellanlandschaften Europas zählte.
Fakten in Kürze
- Gründung: 1878, Stadtteil Hof-Moschendorf
- Belegschaft: ca. 600 Mitarbeitende um 1906
- Programm: Gebrauchsporzellan, Tafelservice, Luxusdekore
- Ikonische Dekore/Formen: Strohhalmdekor (ab 1915), Form 1457 (um 1910), Feston (ca. 1920–1957)
- Export: Europa (u. a. London, Paris, Kopenhagen) und Übersee (USA)
- Schließung: 1957
Schnittstelle: Porzellanstandorte Hof–Moschendorf ↔ Oberkotzau
Verknüpfung der historischen Porzellanstandorte: Porzellanfabrik Moschendorf (Hof) und die Oberkotzauer Betriebe Parbus, Greiner & Herda sowie Neuerer KG – mit Übergängen zu Museen und Marken in der Region.
Hof–Moschendorf
- Porzellanfabrik Moschendorf (1878–1957) – Gebrauch & Luxus; Strohhalmdekor ab 1915, starke Exportnetze.
- Um 1906 ca. 600 Mitarbeitende; Musterlager in europäischen Metropolen.
Oberkotzau
- Porzellanmanufaktur Parbus (1904–1999) – Dekorierte Serien, Bauerndekor, Export; später „Leni Parbus“.
- Greiner & Herda (1886–1943) – Dekorationsatelier → Eigenproduktion; Export u. a. USA; bis ~200 Mitarbeitende.
- Neuerer KG / Elektroporzellanfabrik (1943–1982) – Technisches Porzellan & Haushaltsgeräte (Aromat/Aromator).
Direktvergleich: Moschendorf ↔ Oberkotzau
Aspekt | Hof–Moschendorf | Oberkotzau |
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Zeitraum | 1878–1957 | 1830er/1886–1999 (Parbus bis 1999; Neuerer bis 1982) |
Profil | Gebrauch & Luxus, Strohhalmdekor, starke Exporte | Dekor/Manufaktur (Parbus), Eigenproduktion & Export (G&H), techn. Porzellan (Neuerer) |
Beschäftigte (Peak) | ca. 600 (um 1906) | bis ~200 (G&H), ~80–100 (Neuerer 1950er) |
Ende | 1957 | 1982 (Neuerer), 1999 (Parbus) |
Route & Museen (Porzellanstraße)
- Porzellanikon Selb-Plößberg – Industrie, Technik & Rosenthal unter einem Dach.
- Museum Porzellanikon Hohenberg – Museum der Deutschen Porzellanindustrie (ehem. Hutschenreuther-Villa).
Tipp: Die Strecke lässt sich als Nordschleife (Hof–Oberkotzau–Selb/Hohenberg) in einem Tagesausflug erkunden.