Traditionelles Spitzenporzellan aus Böhmen
Die Porzellanfabrik Pirkenhammer wurde 1803 in der böhmischen Gemeinde Pirkenhammer (heute Březová), unweit von Karlsbad (Karlovy Vary), gegründet. Der Thüringer Kaufmann Friedrich Höcke und Johann Gottlob List legten damit den Grundstein für eine der renommiertesten Porzellanmanufakturen Böhmens.
Bereits 1811 übernahmen Johann Martin Fischer sowie der technische Leiter Christopher Reichenbach die Anlage. Unter dem Namen Fischer & Reichenbach erhielt die Fabrik 1822 eine offizielle Lizenz zur Porzellanproduktion. Nach Fischers Tod im Jahr 1824 übernahm seine Witwe Sophie Friederike die Leitung. 1831 übernahm ihr Sohn Christian Fischer das Werk, unter dessen Führung Pirkenhammer in den 1820er Jahren als das beste Porzellan Böhmens galt – berühmt für seine Durchsichtigkeit, glatte Glasur und feine Malerei. Pirkenhammer erzielte auf internationalen Ausstellungen große Erfolge: Bronze 1835 auf der Wiener Ausstellung, Gold 1839 in Wien, Silber auf der Pariser Weltausstellung 1857 sowie Teilnahme an den Weltmärkten in Wien (1873) und Paris (1900).
Timeline – Porzellanfabrik Pirkenhammer (Březová)
Eine Schlüsselperson in der Designentwicklung war der französische Künstler André Carrière, der 1868 Chefdesigner wurde und bis ins frühe 20. Jahrhundert prägend wirkte. 1874 erhielt er ein eigenes Atelier in Paris – ein außergewöhnlicher Schritt, der den kreativen Anspruch der Manufaktur unterstrich. Im Jahr 1852 heiratete Christian Fischers Tochter Wilhelmine Ludwig von Mieg. Dieser wurde Co-Inhaber und formte die Fabrik unter dem erweiterten Namen Fischer & Mieg of Pirkenhammer, welcher bis in die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts getragen wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1945, wurde Pirkenhammer im Zuge der Verstaatlichung aller tschechoslowakischen Porzellanbetriebe umbenannt – zunächst in Starorolský Porcelán, später in Karlovarský Porcelán. Das Werk wurde zum Zentrum für Forschung und Entwicklung im Porzellansektor. 2006 startete eine neue Phase: Der russische Designer Alexey Narovlyansky wurde engagiert, um das Unternehmen mit einer modernen Linie hochwertiger, technikfokussierter Porzellane neu zu positionieren. Heute operiert das Werk unter dem Namen Manufaktura Pirkenhammer I.S. Original Porcelán Fabrik Březová s.r.o., erkennbar am Markenzeichen: gekreuzte Hämmer.
Höhepunkte der Geschichte
Zeittafel – Porzellanfabrik Pirkenhammer (Březová)
Jahr | Ereignis |
---|---|
1803 | Gründung durch Friedrich Höcke und Johann Gottlob List |
1811 | Übernahme durch Johann Martin Fischer und Christopher Reichenbach |
1822 | Offizielle Lizenz zur Porzellanproduktion |
1824 | Sophie Friederike Fischer übernimmt nach dem Tod ihres Mannes |
1831 | Christian Fischer wird Inhaber; Aufbau internationalen Rufs |
1835–1900 | Auszeichnungen: Bronze (1835), Gold (1839), Silber (1857), Teilnahme Wien (1873) und Paris (1900) |
1852 | Heirat Wilhelmine Fischer mit Ludwig von Mieg – Umfirmierung in „Fischer & Mieg“ |
1868 | André Carrière wird Chefdesigner |
1874 | Eröffnung eines Ateliers in Paris |
1945 | Verstaatlichung, Integration in Karlovarský Porcelán |
2006 | Neuausrichtung unter Alexey Narovlyansky; Fortführung als Manufaktura Pirkenhammer I.S. |
Vergleich – Pirkenhammer (Březová) vs. Karlsbader Porzellanlandschaft
Kriterium | Pirkenhammer (Březová) | Karlsbader Porzellanlandschaft (Auswahl) |
---|---|---|
Gründung / Zeitraum | 1803; Entwicklung über Fischer & Reichenbach → Fischer & Mieg; maßgebliche Prägung bis ins 20. Jh. | 1792–1904 (Bandbreite): z. B. Thun (1794, Klösterle), Haas & Czjzek (1792, Neurohlau), Bohemia (1792, Schlaggenwald), Ludwig (1904, Karlsbad). |
Standort(e) | Březová (Pirkenhammer) bei Karlsbad; eigenes Atelier in Paris (ab 1874, Designhub). | Region Karlovy Vary/Karlsbad inkl. Klášterec n. Ohří, Nová Role, Horní Slavkov, Dalovice u. a. |
Eigentum / Markenführung | Familiengeführt (Fischer/Mieg), später Staat, danach verschiedene Trägerschaften; heute Manufaktura Pirkenhammer I.S. | Mehrere Häuser, teils eigenständig, teils in Verbünden; nach 1945 unter Dach von Karlovarský Porcelán / Thun-Gruppe konsolidiert. |
Produktprofil | Hochfeines Tafel- & Zierporzellan; transparente Scherbe, feine Glasuren, akribische Malerei. | Breite Spanne: Tafel-, Hotel- & Zierporzellan; von Luxuslinien bis Großserien (Hotel/Gastro, Export). |
Design-Highlights | Chefdesign ab 1868 (u. a. André Carrière); Pariser Atelier (1874) – starke künstlerische Handschrift. | Jugendstil- und Art-Déco-Einflüsse regionweit; eigenständige Servicelinien und Dekorprogramme je Werk. |
Technik & Innovation | Frühe Qualitätsmaßstäbe bei Masse & Glasur; konsequente Form-/Dekorpflege, Wettbewerbserfolge. | Regionale Rohstoffnähe (Kaolin/Feldspat/Quarz); ab 20. Jh. Rationalisierung und teilw. Automatisierung (v. a. Hotelporzellan). |
Auszeichnungen | Mehrfach prämiert im 19. Jh. (u. a. Wien/Paris) – Reputation als „feinste Ware Böhmens“. | Vielfältige Messe- und Ausstellungserfolge (Wien, Paris u. a.) durch mehrere Häuser der Region. |
Exportmärkte | Europaweit bis Übersee; starker Markenname im gehobenen Segment. | Breit diversifiziert: Mitteleuropa, Westeuropa, teils USA/Übersee; Hotel-/Gastronomieschiene als Volumentreiber. |
Markenzeichen | Gekreuzte Hämmer (Pirkenhammer); zeittypische Zusätze (Fischer & Mieg). | Werksspezifisch: z. B. „H&C Neurohlau“, „Thun“, „Bohemia“ – meist mit Ortsangabe. |
1945–1990 | Verstaatlichung; Eingliederung in staatliche Strukturen, später im Karlovarský-Verbund. | Weitgehende Verstaatlichung sämtlicher Werke; Marken im Kombinat zusammengeführt (Qualitätsstandardisierung). |
Heute | Fortführung als Manufaktura Pirkenhammer I.S.; Traditionspflege, hochwertige Linien. | Region produziert weiterhin: Thun 1794 a.s. & weitere; starke Identität als Porzellan-Cluster. |
Profil in einem Satz | ikonischkunstnahauszeichnungsstark | breit aufgestelltexportorientiertcluster-Stärke |
Hinweis: Die Spalte „Karlsbader Porzellanlandschaft“ fasst typische Merkmale führender Häuser der Region (z. B. Thun, Haas & Czjzek, Bohemia, Ludwig) zusammen – gedacht als strukturierter Überblick.
Vergleich – Pirkenhammer vs. Thun vs. Haas & Czjzek
Kriterium | Pirkenhammer (Březová) | Thun (Klášterec n. Ohří) | Haas & Czjzek (Nová Role) |
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Gründung | 1803 durch Höcke & List; später Fischer & Reichenbach → Fischer & Mieg | 1794 durch Graf Thun; älteste aktive Porzellanfabrik Böhmens | 1792 in Neurohlau; einer der größten Hersteller der Region |
Standort(e) | Březová bei Karlsbad; eigenes Pariser Atelier (ab 1874) | Klášterec n. Ohří (Klösterle) am Egerufer | Nová Role (Neurohlau) bei Karlsbad |
Besonderheiten | Feinstes Tafel- & Zierporzellan, kunstnahe Gestaltung | Großserien- & Premiumlinien, Exportstärke | Breiteste Produktionspalette der Region, inkl. Hotelporzellan |
Design-Highlights | André Carrière (ab 1868), Atelier in Paris | Künstlerische Kooperationen ab 19. Jh., ab 20. Jh. Studio-Programme | Starke Hotel- & Gastronomieschiene, funktionale Serviceformen |
Technik | Frühe Qualitätsmaßstäbe bei Masse & Glasur, mehrfach prämiert | Modernisierung & Automatisierung im 20. Jh., eigene Rohstoffquellen | Hohe Automatisierung für Großserien, Kaolin aus Region |
Auszeichnungen | Wien 1835/1839, Paris 1857, Wien 1873, Paris 1900 | Mehrfach prämierte Linien auf internationalen Ausstellungen | Zahlreiche Messeerfolge für Hotel- & Exportserien |
Exportmärkte | Europa, Übersee; Premiumsegment | Weltweit, stark in Europa & Asien | Europa, Nahost, Asien; Fokus Hotel/Gastro |
Markenzeichen | Gekreuzte Hämmer, Zusätze „Fischer & Mieg“ | „Thun“ mit Wappen, Ortsname | „H&C“ mit Zusatz „Neurohlau“ |
Heute | Manufaktura Pirkenhammer I.S.; hochwertige Linien | Thun 1794 a.s.; größter tschechischer Hersteller | Marke im Thun-Verbund; Schwerpunkt Hotelporzellan |