Die nächsten Jahrzehnte waren von stetigem Wachstum geprägt. 1889/90 vergrößerte die Porzellanfabrik Königszelt das Firmengelände um fünf Hektar. Es entstanden zwei neue Brennöfen und zahlreiche Nebengebäude, wie z.B. eine Ziegelei, eine Bäckerei, eine Gärtnerei und eine Badeanstalt. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf ca. 675. Im Jahre 1905 wurde das Aktienkapital auf 2,6 Mio. Reichsmark erhöht, um damit die Aktienmehrheit der konkurrierenden Fabrik Lorenz Hutschenreuther im bayerischen Selb zu erwerben. Das Königszelter Unternehmen war nun die zweitgrößte Aktiengesellschaft der Porzellanindustrie im Deutschen Reich. Noch vor dem ersten Weltkrieg wurde die Produktionskapazität auf 16 Brenn- und 4 Muffelöfen erhöht.
Nach den Einschränkungen durch den ersten Weltkrieg erfuhr die Fabrik erst ab 1921 unter Generaldirektor Friedrich Kempcke einen neuen Aufschwung. 1922/23 wurde sie durch den Bau einer gasbefeuerten Tunnelofenanlage, die in ihrer Leistung acht herkömmlichen Rundöfen entsprach, modernisiert. Die Zahl der Beschäftigten stieg von 850 (1922) auf 1.000 (1925); infolge der Weltwirtschaftskrise sank sie jedoch 1929/30 auf nur noch 622. Unter dem von 1931 bis 1945 tätigen Direktor Ernst Gramss erholte sich die Fabrik langsam wieder, erreichte jedoch nicht mehr die alte Größe; 1938 zählte das Unternehmen etwa 750 Beschäftigte. Ein Jahr zuvor wurden seine Produkte auf der Weltausstellung in Paris mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
Von Anfang an war Königszelt bestrebt, gutes und formschönes Porzellangeschirr in unteren bis mittleren Preislagen anzubieten. Über lange Zeit beliebt war der Unterglasurdekor „Indischblau“ (Abb. 2). Eine Spezialität waren silberdekorierte Porzellane, die in den dreißiger Jahren hergestellt wurden. Angeboten wurden in dieser Zeit auch Vasen, Dosen, Mokka- und Sammeltassen, Konfektgarnituren und eine Vielzahl verschiedener Service in unterschiedlichen Ausführungen und Preisklassen, sowie Hotel-, Gaststätten- und Kantinengeschirr. Während des Zweiten Weltkrieges fertigte die Fabrik auch Porzellan für militärische Einrichtungen.
Das Ende des Krieges brachte eine kurzfristige Unterbrechung der Porzellanproduktion. Schon im Juli 1945 wurde unter polnischer Regie der erste Brennofen wieder in Betrieb genommen. Anfangs waren es noch zurückgehaltene deutsche Arbeiter, die die Produktion aufrechterhielten und ihre polnischen Nachfolger anlernen mußten. Bis 1950 mußten auch sie Schlesien verlassen. Viele von ihnen fanden in den Porzellanfabriken Oberfrankens und der Oberpfalz ein neues Auskommen. 1954 erhielt die Königszelter Fabrik ihren neuen Namen Karolina. Sie gehört den neben den beiden großen Waldenburger Unternehmen zu den wenigen, die auch unter der neuen Leitung bei der Porzellanherstellung blieben und bis heute produzieren.
Die Marken der Königszelter Porzellanfabrik (siehe die Übersicht auf dem Umschlag) gestalteten sich vornehmlich aus den Variationen von drei Hauptmotiven. Von 1871/72 bis zum Ersten Weltkrieg zeigte sie einen heraldischen Adler über den Initialen des Inhabers oder dem Schriftzug „P.K. Silesia“, von 1914 bis etwa 1925 prägte ein Zelt mit Königskrone das Bild und 1922-1945 beherrschte das bekrönte Wort „Koenigszelt“ die Marke, oft mit dem Zusatz „Silesia“ oder „Germany“. Eine neue „Königszelter“ Marke entstand 1979, als die Bayerische Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co., die viele Angestellte und Facharbeiter aus Königszelt übernommen und schon früher mit der schlesischen Fabrik bei der Entwicklung des Dekors „Indischblau“ zusammengearbeitet hatte, den Namen Königszelt in ihre Marke für Sammelteller aufnahmen.
Stanowitz, Kreis Striegau
Nur fünf Kilometer von Königszelt entfernt entstand im Jahre 1873 eine weitere Porzellanfabrik. Sie wurde von dem Striegauer Conrad Walter in den Gebäuden einer ehemaligen Walkmühle in dem Ort Stanowitz (1937 in Standorf umbenannt) unweit der seit 1856 bestehenden Eisenbahnlinie Jauer-Striegau-Königszelt errichtet. 1898 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Conrad Walter stand ihr weiterhin bis 1905 als Direktor vor. In diesem Jahr waren 130 Menschen bei ihm beschäftigt. Mit drei Öfen wurden Tafel-, Kaffee- und Teeservice, Hotelgeschirr, Andenkentassen, Obstschalen, Küchensets sowie das beliebte Silberhochszeitsporzellan produziert.
Der neue Direktor, Johannes Wolff, starb bereits ein Jahr später. Sein Nachfolger wurde Friedrich Wilhelm Flamm, der vorher bei der Porzellanfabrik Ohme in Niedersalzbrunn beschäftigt gewesen war. Unter seiner Direktion florierte die Firma zunächst. Um 1913 arbeiteten bereits 200 Personen in der Fabrik und die Zahl der Brennöfen war auf fünf gestiegen. Für die beliebten Dekore „Indischblau“, „Strohmuster“ u.a. sorgten eine Malerei und eine Druckerei. In den zwanziger Jahren wurden in der Striegauer Porzellanfabrik A.-G., vormals Walter & Co. (oder auch STRIEPAG, wie sich das Unternehmen in seinen Anzeigen nannte) ein breitgefächertes Spektrum moderner Formen, aber auch die nach wie vor beliebten Formen des Biedermeier und des Rokoko produziert. Auch Tierplastiken gehörten zum Repertoire. Die Zahl der Beschäftigten stieg in dieser Zeit auf über 300.
1927 wurden große Teile der Fabrik durch ein Feuer zerstört, dem auch sämtliche Modelle und zahlreiche Formen zum Opfer fielen. Nach dem Wiederaufbau der Fabrikanlagen erlebte das Unternehmen nochmals eine kurze Blüte. Doch Anfang der dreißiger Jahre, als die deutsche Porzellanproduktion in einer allgemeinen Krise steckte, brach die Aktiengesellschaft zusammen. 1933 wurde das Konkursverfahren der STRIEPAG eröffnet und die Fabrik stillgelegt. Die Gebäude der Fabrik gingen 1934/5 an eine Vegetabilien-Großhandlung und dienten nach dem Abriß der Öfen und der sonstigen Einrichtungen dem Trocknen verschiedener Heilkräuter.
Die Markenzeichen der Striegauer Fabrik orientierten sich zwischen 1873 und etwa 1918 an den alten Marken der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin: Verwendet wurden die Initialen „St.P.M.“ allein oder in Verbindung mit einem senkrechten Strich oder einem Adler. Ab 1912 zeigten die Marken über dem Ortsnamen die drei Zacken der Striegauer Berge in stark stilisierter Form. Damit griffen sie ein altes Striegauer Motiv auf, das bereits auf den Stempeln erscheint, mit denen die Striegauer Heilerde im 17. Jahrhundert gekennzeichnet wurde.
Tiefenfurt, Kreis Bunzlau
Die gesamte Ortschaft Tiefenfurt gehörte vor 1816 zum Kreis Görlitz, danach wurde erst der östlich des Hammerbachs gelegene Ortsteil, 1938 auch der westlich gelegene der Bunzlauer Kreis Verwaltung unterstellt. Die nahegelegenen Tonlager der Klitschdorfer Heide und der Holzreichtum der Umgegend begünstigten die Ansiedlung von Töpfereien, die seit dem 18. Jahrhundert in Tiefenfurt nachgewiesen sind. Im frühen 19. Jahrhundert folgten Steinzeugmanufakturen, die die Grundlage für die Entwicklung der Porzellanfabriken bildeten.
Mindestens genauso wichtig wie die Rohstofflage war für einen erfolgreichen Standort eine gute Verkehrslage. In ungefähr 10 km Entfernung lagen, über Straßen gut erreichbar, die Bahnhöfe von Rauscha und Kohlftirt, die Bunzlau seit 1846 mit Frankfurt/O. und seit 1847 auch mit Görlitz verbanden. Tiefenfurt wies trotz seiner geringen Größe (1939 hatte es 1.350 Einwohner) in seiner Geschichte ungewöhnlich viele Porzellanfirmen auf. Im wesentlichen waren es drei Fabriken mit abwechslungsreicher Firmengeschichte und verschiedenen Besitzern, die das Bild von Tiefenfurt prägten: C. H. Tuppack, K. Steinmann und Silesia, die später in der Firma Steinmann aufging.