Neben Thüringen, Sachsen und Bayern entwickelte sich Schlesien im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Porzellanregion. Von 1820 bis in die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts entstanden in Schlesien (ohne Ostoberschlesien) in 21 Orten Porzellanfabriken. Gerhard Schmidt-Stein hat in seinem Handbuch Schlesisches Porzellan vor 1945 folgende Übersicht über die Standorte schlesischer Porzellanindustrie erstellt:
Porzellanfabriken in Schlesien – vor und bis 1945
Ort / Manufaktur | Zeitraum & Kurzbeschreibung |
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Waldenburg | 1820 – 1945, bedeutendes Zentrum der schlesischen Porzellanindustrie |
Hirschberg | ca. 1825 – 1923, regionale Produktion von Tafel- und Zierporzellan |
Breslau | ca. 1826 und 1912, verschiedene Fabriken; Dekorporzellan |
Plottnitz / Reichenstein | ca. 1828 – 1893, Porzellanproduktion mit regionalem Vertrieb |
Freiwaldau | 1841 – 1935, Gebrauchsporzellan und Zierstücke |
Fellhammer | ca. 1845 – 1851, kleine Produktionsstätte mit kurzer Laufzeit |
Altwasser | 1845 – 1945, einer der wichtigsten Standorte in Schlesien |
Weißstein | 1846 – 1856, Porzellanproduktion in kleiner Stückzahl |
Tillowitz | ca. 1852 – 1945, hochwertige Tafelservices, Exportware |
Ober-Weistritz | 1855 – 1860, kleine Manufaktur mit regionalem Absatz |
Sophienau | 1857 – 1945, kontinuierliche Produktion bis Kriegsende |
Königszelt | 1860 – 1945, bedeutender Exporteur von Porzellan |
Tiefenfurt | 1865 – 1945, Tafel- und Hotelporzellan |
Brieg | 1866 – 1869, kurzzeitige Produktion von Porzellanwaren |
Schmiedeberg | 1871 – 1945, Zier- und Gebrauchsporzellan |
Niedersalzbrunn | 1882 – ca. 1933, Hotel- und Gebrauchsporzellan |
Haselbach (Rsgb.) | 1892 – 1945, Porzellanfabrik mit überregionalem Absatz |
Weißwasser | 1895 – nach 1945, Spezialist für Hartporzellan |
Erdmannsdorf | 1908 – ca. 1945, kleinere Porzellanproduktion |
Peterwitz | 1919 – ca. 1942/45, Porzellanproduktion bis Kriegsende |
Die Gewerbestatistik von 1882 kannte nur zwei Porzellanfabriken im Deutschen Reich mit mehr als 1.000 Beschäftigten in den Hauptbetrieben: Karl Krister in Waldenburg und Carl Tielsch im benachbarten Altwasser. Mehr als 60% aller im Königreich Preußen im Bereich von Porzellanherstellung und -Veredelung Beschäftigten arbeiteten bis zum Ersten Weltkrieg in Schlesien. Weit über die Hälfte der Produkte wurde in alle Welt exportiert und durch zahlreiche Verkaufsniederlassungen im In- und Ausland vertrieben.
Im Waldenburger Bergland schlug das Herz der schlesischen Porzellanindustrie. Durch seine Bergwälder und Steinkohlevorkommen verfugte es über ausreichend Rohstoffe für den Brennvorgang. Die Anbindung an die Eisenbahn 1853 erleicherte sowohl den Transport der Rohstoffe Kaolin, Feldspat, Quarzsand und Kapselton als auch den der fertigen Produkte. Neben den fünf Porzellanfabriken Krister, Tielsch, Ohme, Prause und Schachtel (siehe Schlesisches Porzellan) hatten hier zahlreiche Porzellanmalereien ihren Sitz, darunter die Firma Wunderlich, die größte kontinentaleuropäische Druckerei, die einbrennbare Abziehbilddekore für Porzellan herstellte.
Den hohen Stellenwert, den die keramische Produktion in Schlesien einnahm, unterstrich die Gründung einer Keramischen Fachschule in Bunzlau im Jahre 1897, die für eine gute Ausbildung der keramischen Fachkräfte sorgte. Zusätzlich wurde an der Technischen Hochschule Breslau schon bei deren Gründung im Jahre 1910 ein Institut für feuerfeste Materialien und Keramik eingerichtet. Im Unterschied zu vielen traditionellen Porzellanherstellern bemühten sich die schlesischen Unternehmer, durch Verbesserung der Produktionsmittel nicht nur qualitätvolles, sondern auch preiswertes Porzellan auf den Markt zu bringen, um so neue Käuferschichten zu erschließen. Einige bahnbrechende Errungenschaften in der Porzellanproduktion wurden in Schlesien entwickelt und erprobt.
- Die Feuerung der Brennöfen mit Steinkohle statt mit Holz, erstmalig 1840 bei Krister in Waidenburg mit Erfolg eingesetzt;
- die Verwendung des keramischen Buntdrucks mit Schmelzfarben, zuerst 1888 bei Ohme in Niedersalzbrunn angewandt;
- das Einbrennen von Photographien auf Porzellan, wofür die Waldenburger Firma A. Leisner erstmalig auf der Weltausstellung in Wien 1873 ausgezeichnet wurde;
- die Verwendung von Tunnelöfen, die den Brenn- und Abkühlungsvorgang erheblich abkürzten; sie wurden 1906 das erste Mal bei Tielsch in Altwasser eingesetzt. Von den Porzellanfabriken, die außerhalb des Waldenburger Berglandes gegründet wurden, sollen in dieser Schrift jene vorgestellt werden, die durch ihre Produkte besonders gut im Museum für Landeskunde dokumentiert sind.
Königszelt, Kreis Schweidnitz
Die Gemeinde Königszelt erhielt ihren Namen in Erinnerung an das Zeltlager König Friedrichs IL von Preußen während des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1761. Mit ihrem Gründungsjahr 1868 gehört sie zu den jüngsten Gemeinden des Kreises Schweidnitz. Sie entwickelte sich um den Eisenbahnknotenpunkt, der mit dem Bau der Eisenbahnlinien Breslau-Freiburg (1843), Königszelt-Schweidnitz (1844) und Jauer-Striegau-Königszelt (1856) entstand. Die verkehrstechnisch günstige Lage und die 1843 entdeckten Lagerstätten weißen Tons waren es wohl, die den Maurermeister Traugott Silber veranlaßten, hier im Jahre 1860 eine Porzellanfabrik mit zunächst zwei Rundöfen zu gründen, die seinen Namen trug: Porzellanfabrik Silber & Comp. Vielleicht war dieser Compagnon der aus Frankfurt/Oder stammende Maschinenbauer August Friedrich Wilhelm Rappsilber (1832-1891), der zusammen mit dem Berliner Porzellanmaler Carl Heinrich Otto Heckmann (geb. 1829) die Fabrik 1871/72 über-nahm. Kennengelernt haben sie sich wohl in Tillowitz/OS, wo Rappsilber seit 1858 einen Teil der Theresienhütte gepachtet hatte und Heckmann seit 1864 zu den Pächtern der Gräflich Frankenberg’sehen Porzellanfabrik zählte. Gemeinsam pachteten sie von spätestens 1873 bis 1878 auch dieses Unternehmen.
Timeline – Schlesische Porzellanindustrie bis 1945
Die Porzellanfabrik C.Heckmann & Rappsilber florierte. 1872 produzierte sie bereits Waren im Wert von 270.000 Talern. Auf der Weltausstellung in Wien 1873 wurde ihre Produkte mit einem Anerkennungsdiplom ausgezeichnet. 1874 wurde die Fabrik durch umfangreiche Neubauten erweitert. Mit acht Rundöfen und ca. 400 Beschäftigten war sie nun die drittgrößte Porzellanfabrik in Schlesien. Sie hatte sich auf die Herstellung von Gebrauchsgeschirr wie Tassen und Teller spezialisiert, daneben wurden auch Tafel-, Kaffee-, Tee- und Waschservice in unterschiedlicher Ausfuhrung angeboten. Um 1878 verließ Heckmann die Firma. August Rappsilber, dessen Pachtverträge in Tillowitz 1878 und 1880 endeten, führte sie für einige Jahre unter seinem Namen allein weiter. Er verbesserte vor allem die technische Ausführung seiner Ware und präsentierte Prunkstücke seiner Produktion 1881 auf der Breslauer Industrie- und Gewerbeausstellung.
In demselben Jahr verließ sein Schwiegersohn und Wunschnachfolger Carl Bernhard Weisbach die Firma, um sein Erbe in Plauen anzutreten. Seinen Platz in der Firmenleitung nahm der Prokurist Paul Mogwitz ein. Wohl aus Gesundheitsgründen verkaufte August Rappsilber die Fabrik Ende 1886. Unter Führung des Thüringer Bankhauses Strupp in Meiningen wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft mit 1,6 Mio. Reichs-mark Grundkapital umgewandelt, mit Paul Mogwitz als geschäftsführendem Generaldirektor. 1894 wurde Ernst Voisin sein Nachfolger.
Die nächsten Jahrzehnte waren von stetigem Wachstum geprägt. 1889/90 vergrößerte die Porzellanfabrik Königszelt das Firmengelände um fünf Hektar. Es entstanden zwei neue Brennöfen und zahlreiche Nebengebäude, wie z.B. eine Ziegelei, eine Bäckerei, eine Gärtnerei und eine Badeanstalt. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf ca. 675. Im Jahre 1905 wurde das Aktienkapital auf 2,6 Mio. Reichsmark erhöht, um damit die Aktienmehrheit der konkurrierenden Fabrik Lorenz Hutschenreuther im bayerischen Selb zu erwerben. Das Königszelter Unternehmen war nun die zweitgrößte Aktiengesellschaft der Porzellanindustrie im Deutschen Reich. Noch vor dem ersten Weltkrieg wurde die Produktionskapazität auf 16 Brenn- und 4 Muffelöfen erhöht.
Nach den Einschränkungen durch den ersten Weltkrieg erfuhr die Fabrik erst ab 1921 unter Generaldirektor Friedrich Kempcke einen neuen Aufschwung. 1922/23 wurde sie durch den Bau einer gasbefeuerten Tunnelofenanlage, die in ihrer Leistung acht herkömmlichen Rundöfen entsprach, modernisiert. Die Zahl der Beschäftigten stieg von 850 (1922) auf 1.000 (1925); infolge der Weltwirtschaftskrise sank sie jedoch 1929/30 auf nur noch 622. Unter dem von 1931 bis 1945 tätigen Direktor Ernst Gramss erholte sich die Fabrik langsam wieder, erreichte jedoch nicht mehr die alte Größe; 1938 zählte das Unternehmen etwa 750 Beschäftigte. Ein Jahr zuvor wurden seine Produkte auf der Weltausstellung in Paris mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
Von Anfang an war Königszelt bestrebt, gutes und formschönes Porzellangeschirr in unteren bis mittleren Preislagen anzubieten. Über lange Zeit beliebt war der Unterglasurdekor „Indischblau“ (Abb. 2). Eine Spezialität waren silberdekorierte Porzellane, die in den dreißiger Jahren hergestellt wurden. Angeboten wurden in dieser Zeit auch Vasen, Dosen, Mokka- und Sammeltassen, Konfektgarnituren und eine Vielzahl verschiedener Service in unterschiedlichen Ausführungen und Preisklassen, sowie Hotel-, Gaststätten- und Kantinengeschirr. Während des Zweiten Weltkrieges fertigte die Fabrik auch Porzellan für militärische Einrichtungen.
Das Ende des Krieges brachte eine kurzfristige Unterbrechung der Porzellanproduktion. Schon im Juli 1945 wurde unter polnischer Regie der erste Brennofen wieder in Betrieb genommen. Anfangs waren es noch zurückgehaltene deutsche Arbeiter, die die Produktion aufrechterhielten und ihre polnischen Nachfolger anlernen mußten. Bis 1950 mußten auch sie Schlesien verlassen. Viele von ihnen fanden in den Porzellanfabriken Oberfrankens und der Oberpfalz ein neues Auskommen. 1954 erhielt die Königszelter Fabrik ihren neuen Namen Karolina. Sie gehört den neben den beiden großen Waldenburger Unternehmen zu den wenigen, die auch unter der neuen Leitung bei der Porzellanherstellung blieben und bis heute produzieren.
Die Marken der Königszelter Porzellanfabrik (siehe die Übersicht auf dem Umschlag) gestalteten sich vornehmlich aus den Variationen von drei Hauptmotiven. Von 1871/72 bis zum Ersten Weltkrieg zeigte sie einen heraldischen Adler über den Initialen des Inhabers oder dem Schriftzug „P.K. Silesia“, von 1914 bis etwa 1925 prägte ein Zelt mit Königskrone das Bild und 1922-1945 beherrschte das bekrönte Wort „Koenigszelt“ die Marke, oft mit dem Zusatz „Silesia“ oder „Germany“. Eine neue „Königszelter“ Marke entstand 1979, als die Bayerische Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co., die viele Angestellte und Facharbeiter aus Königszelt übernommen und schon früher mit der schlesischen Fabrik bei der Entwicklung des Dekors „Indischblau“ zusammengearbeitet hatte, den Namen Königszelt in ihre Marke für Sammelteller aufnahmen.
Stanowitz, Kreis Striegau
Nur fünf Kilometer von Königszelt entfernt entstand im Jahre 1873 eine weitere Porzellanfabrik. Sie wurde von dem Striegauer Conrad Walter in den Gebäuden einer ehemaligen Walkmühle in dem Ort Stanowitz (1937 in Standorf umbenannt) unweit der seit 1856 bestehenden Eisenbahnlinie Jauer-Striegau-Königszelt errichtet. 1898 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Conrad Walter stand ihr weiterhin bis 1905 als Direktor vor. In diesem Jahr waren 130 Menschen bei ihm beschäftigt. Mit drei Öfen wurden Tafel-, Kaffee- und Teeservice, Hotelgeschirr, Andenkentassen, Obstschalen, Küchensets sowie das beliebte Silberhochszeitsporzellan produziert.
Der neue Direktor, Johannes Wolff, starb bereits ein Jahr später. Sein Nachfolger wurde Friedrich Wilhelm Flamm, der vorher bei der Porzellanfabrik Ohme in Niedersalzbrunn beschäftigt gewesen war. Unter seiner Direktion florierte die Firma zunächst. Um 1913 arbeiteten bereits 200 Personen in der Fabrik und die Zahl der Brennöfen war auf fünf gestiegen. Für die beliebten Dekore „Indischblau“, „Strohmuster“ u.a. sorgten eine Malerei und eine Druckerei. In den zwanziger Jahren wurden in der Striegauer Porzellanfabrik A.-G., vormals Walter & Co. (oder auch STRIEPAG, wie sich das Unternehmen in seinen Anzeigen nannte) ein breitgefächertes Spektrum moderner Formen, aber auch die nach wie vor beliebten Formen des Biedermeier und des Rokoko produziert. Auch Tierplastiken gehörten zum Repertoire. Die Zahl der Beschäftigten stieg in dieser Zeit auf über 300.
1927 wurden große Teile der Fabrik durch ein Feuer zerstört, dem auch sämtliche Modelle und zahlreiche Formen zum Opfer fielen. Nach dem Wiederaufbau der Fabrikanlagen erlebte das Unternehmen nochmals eine kurze Blüte. Doch Anfang der dreißiger Jahre, als die deutsche Porzellanproduktion in einer allgemeinen Krise steckte, brach die Aktiengesellschaft zusammen. 1933 wurde das Konkursverfahren der STRIEPAG eröffnet und die Fabrik stillgelegt. Die Gebäude der Fabrik gingen 1934/5 an eine Vegetabilien-Großhandlung und dienten nach dem Abriß der Öfen und der sonstigen Einrichtungen dem Trocknen verschiedener Heilkräuter.
Die Markenzeichen der Striegauer Fabrik orientierten sich zwischen 1873 und etwa 1918 an den alten Marken der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin: Verwendet wurden die Initialen „St.P.M.“ allein oder in Verbindung mit einem senkrechten Strich oder einem Adler. Ab 1912 zeigten die Marken über dem Ortsnamen die drei Zacken der Striegauer Berge in stark stilisierter Form. Damit griffen sie ein altes Striegauer Motiv auf, das bereits auf den Stempeln erscheint, mit denen die Striegauer Heilerde im 17. Jahrhundert gekennzeichnet wurde.
Tiefenfurt, Kreis Bunzlau
Die gesamte Ortschaft Tiefenfurt gehörte vor 1816 zum Kreis Görlitz, danach wurde erst der östlich des Hammerbachs gelegene Ortsteil, 1938 auch der westlich gelegene der Bunzlauer Kreis Verwaltung unterstellt. Die nahegelegenen Tonlager der Klitschdorfer Heide und der Holzreichtum der Umgegend begünstigten die Ansiedlung von Töpfereien, die seit dem 18. Jahrhundert in Tiefenfurt nachgewiesen sind. Im frühen 19. Jahrhundert folgten Steinzeugmanufakturen, die die Grundlage für die Entwicklung der Porzellanfabriken bildeten.
Mindestens genauso wichtig wie die Rohstofflage war für einen erfolgreichen Standort eine gute Verkehrslage. In ungefähr 10 km Entfernung lagen, über Straßen gut erreichbar, die Bahnhöfe von Rauscha und Kohlftirt, die Bunzlau seit 1846 mit Frankfurt/O. und seit 1847 auch mit Görlitz verbanden. Tiefenfurt wies trotz seiner geringen Größe (1939 hatte es 1.350 Einwohner) in seiner Geschichte ungewöhnlich viele Porzellanfirmen auf. Im wesentlichen waren es drei Fabriken mit abwechslungsreicher Firmengeschichte und verschiedenen Besitzern, die das Bild von Tiefenfurt prägten: C. H. Tuppack, K. Steinmann und Silesia, die später in der Firma Steinmann aufging.
Porzellanfabrik Carl Hans Tuppack
Die Fabrik geht zurück auf eine im Jahre 1808 in den Räumen einer alten Töpferei von dem Holsteiner Johann Heinrich Nikolai Matthiesen gegründete Steingutfabrik auf der östlichen Seite des Hammerbaches. 1865 wurde sie von seinem Sohn Friedrich Nikolai auf die Produktion von Porzellan erweitert. 1872 ging der Betrieb an die Schlesische Porzellan- und Steingut-Manufaktur, Aktiengesellschaft, die nach anfänglichen Erfolgen 1885 in Konkurs ging. Die Tiefenfurter Hauptfabrik wurde wohl von Louis Lövinson erworben und um eine eigene Malerei erweitert. 1891 ging sie an seinen Geschäftsführer Paul Georg Alfred Donath (1855-1901) über und erhielt den neuen Namen Schlesische Porzellanfabrik P. Donath. Nach seinem Tode wurde die Fabrik von seinen Erben zunächst weitergeführt und 1909 an die neugegründete Schlesische PorzellanfabrikP. Donath G.m.b.H. verkauft. Sie bestand bis etwa 1920. Dann wurde sie von ihrem Geschäftsführer Carl Hans Tuppack, der seit 1916 in der Firma arbeitete, übernommen und unter seinem Namen als Porzellanfabrik CK Tuppack weitergeführt. Trotz einiger Rückschläge in den schweren Jahren der Weltwirtschaftskrise baute Tuppack die Porzellanfabrik, die 1931 in eine GmbH umgewandelt wurde, zu einem Unternehmen mit weit über 200 Arbeitern und Musterlagern im In- und Ausland (Dresden, Nürnberg, Köln und Königsberg sowie Kopenhagen, Mailand und Oslo) aus.
Zu den bekanntesten Produkten dieser Fabrik gehörte Geschirr mit dem Umdruckdekor „China Blau“, der seit den zwanziger Jahren produziert wurde (Abb. 6). Ergänzt wurde es durch Geschirr in „China Grün“, „China Rot“ und „China Lila“. Neben Gebrauchsporzellan aller Art wurden hier auch Tierfiguren hergestellt, für die Tuppack einzelne Modelleure anwarb. Besonders Pferde (Titelbild) erfreuten sich großer Beliebtheit – vielleicht, weil die Fabrik neben Werkswohnungen und einer Gärtnerei, deren Treibhäuser die Abwärme der Fabrik nutzten, auch das nahegelegenen Gut Charlottenhof mit einem Gestüt betrieb. Die Fabrik arbeitete bist 1945 und wurde nach dem Krieg demontiert. Zu Beginn der neunziger Jahre wurde einer der ehemals fünf Brennöfen der Fabrik wieder in Betrieb genommen. In ihm wird heute aber Porzellit gebrannt, das dem Steinzeug ähnlich ist.
In der Regel wird das Markenzeichen dieser Firma von einem bekrönten „S“ zwischen den Worten „Tuppack“ und „Tiefenfurt“ beherrscht. Das „S“ taucht erstmalig in der Marke von 1886 in Verbindung mit zwei gekreuzten Degen auf und soll auf die Herkunft Schlesien/Silesia hinweisen. Die Marke wurde jedoch von Meissen wegen möglicher Verwechslungsgefahr mit der „Schwertermarke“ beanstandet und seit 1900 nicht mehr verwendet. Die Firma P. Donath ersetzte sie 1897 durch das gekrönte „S“, bevor sie sich 1910 für einen Greifen über ihren Namenszug entschied. Tuppack ließ die S-Marke in verschiedenen Variationen wieder aufleben. Daneben wählte er für seine „China“-Dekore ab 1927 auch orientalische Motive.
Porzellanfabrik K. Steinmann
Die Anfange der Fabrik liegen im Dunkeln. Das im Jahre 1818 gegründete Unternehmen befand sich seit etwa 1835 im Besitz von Carl Rädisch, der hier eine Porzellan-, Steingut- und Glasmalerei betrieb. 1840 errichtete er eine Steingutfabrik, deren Produktion er 1868 durch Porzellanherstellung erweiterte (dieses Datum erscheint später als Gründungsjahr der Firma Steinmann). Rädischs Firma wurde 1872 von der Tiefenfurter Porzellan-Manufactur-Gesellschaft übernommen, aus der kurz darauf die Tiefenfurter Porzellan- und Chamottewaaren-Fabriken, Aktiengesellschaft wurde. Schon 1876 verkaufte man die Steingutfabrik in Tiefenfurt, die bis 1893, zuletzt unter dem Namen Steingut- und Porzellanfabrik Sporleder & Benker, bestand.
Die Aktiengesellschaft wurde 1883 aufgelöst. Ihr langjähriger Direktor, der Thüringer Kuno Hugo Steinmann (1839-1893), erwarb das auf Porzellan spezialisierte Tiefenfurter Werk und produzierte mit etwa 100 Arbeitern Frühstücks-, Tee-, Kaffee- und Waschservice, Brot- und Kuchenkörbe, Geschirr, Blumentöpfe und für den Export nach Amerika Barttassen, Becher, Krüge, Eierbecher und Handleuchter.
Nach seinem Tode 1893 wurde die Firma von Gustav Müller geleitet, bis Steinmanns ältester Sohn, Walter (1877-1934), im Jahre 1899 nach seiner Lehrzeit in Bremen und in den USA die Nachfolge seines Vaters antreten konnte. Um 1900/1901 erweiterte er sein Unternehmen mit dem Kauf der Porzellanfabrik Silesia in Tiefenfurt, Kreis Bunzlau, die seit 1897 im Besitz von Otto Schmidt gewesen war. In ihren Ursprüngen ging sie wahrscheinlich auf eine 1826 oder 1832 gegründete Steingutfabrik von Christian Matthiesen zurück. 1903 heiratete Walter Steinmann Maria Donath, eine Tochter seines zwei Jahre zuvor verstorbenen Konkurrenten Paul Donath. Die beiden bedeutendsten Porzellanfirmen Tiefenfurts waren so durch ein familiäres Band verbunden.
Die Porzellanfabriken K. Steinmann mit eigener Malerei, Druckerei und Aerographenanlage entwickelten sich vor dem Ersten Weltkrieg zu einem mittleren Betrieb der Porzellanindustrie mit etwa 250 Beschäftigten im Hauptwerk und 80 in der Filiale. Ihre Produkte wurden 1905 in Görlitz mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Auch auf dem internationalen Markt waren sie erfolgreich, sie wurden besonders in den englisch sprachigen Raum, nach Nordamerika, England, Australien, Afrika und Englisch-Ostindien exportiert.
Der Verlust der überseeischen Absatzmärkte nach dem Ersten Weltkrieg bedeutete für das Tiefenfurter Unternehmen einen schweren Rückschlag. Mit der Entwicklung neuer Formen und Dekore für ihre unterschiedlichen Service, Obstgarnituren, Dosen und Aschenschalen sowie mit der Produktion von Geschenkartikeln Und Figuren behauptete sich das Unternehmen auf dem Markt. Beliebt waren Service mit fern-östlich anmutenden Formen und Dekoren und, in den dreißiger Jahren, Geschirr aus dem zartbeigefarbenem Elfenbeinporzellan. Vertreter in Hamburg, London, Kopenhagen, Oslo und Barcelona sorgten für den Absatz.
Die Weltwirtschaftskrise bedeutete das Ende des Familienunternehmens. 1932 wurde es liquidiert und mit Hilfe eines Bankenkonsortiums als GmbH weitergeführt. Innerhalb von nur zwei Jahren stieg dann die Zahl der Arbeiter von 100 auf das Dreifache. Im Hauptwerk wurde nach wie vor Gebrauchs- und Luxusporzellan hergestellt, während die Filiale Silesia ihre Produktion auf Feinsteinzeug umstellte. Die Leitung übernahm nun Walther Becht, als stellvertretender Geschäftsführer stand ihm Günther Steinmann zur Seite. Im Jahre 1943 kaufte Walter Becht die Firma. Unter dem Namen Porzellan- und Steinzeugfabrik Walther Becht KG bzw. Becht & Co. existierte sie noch bis 1945.
Das erste bekannte Markenzeichen der Firma zeigte den heraldischen Adler über den Initialen des Gründers. Um die Jahrhundertwende wurde es durch ein gekröntes „S“ ersetzt. Die Krone blieb auch in den späteren Marken erhalten, die nach und nach um die Zusätze „Silesien“, „Silesia“ und „K.St.T.“ bis zum ausgeschriebenen Firmennamen erweitert wurden. Der letzte Besitzer, Walther Becht, führte allein den Namen seiner Firma über der Ortsangabe Tiefenfurt in seiner Marke.
Tillowitz, Kreis Falkenberg/OS
Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde in mehreren Manufakturen Oberschlesiens unter adeliger Obhut Fayence und später auch Steingut produziert; am bekanntesten ist die Manufaktur in Proskau (1763-ca.l850). Einer ihrer Maler und Modelleure, Johannes Degotschon, gründete um 1813 unter der Schirmherrschaft des Grafen Johann Carl Praschma nahe dem Tillowitzer Schloß eine Fayence- und Steingutmanufaktur. 1842 wurde sie an den Grafen Ernst von Frankenberg-Ludwigsdorf, den neuen Besitzer der Herrschaft Tillowitz, verkauft. Ungefähr zehn Jahre später, wohl 1852, stellte man die Produktion auf Porzellan um und verpachtete die Fabrik wenige Jahre später nacheinander an Albert Teichelmann (1855-1863/64), Carl Heckmann (1864-1878), zunächst zusammen mit einem Herrn Wenck, dann nach dessen Ausscheiden mit August Rappsilber (ca. 1872 -1878). Beide treten in dieser Zeit auch als Eigner der Porzellanfabrik Königszelt in Erscheinung.
Produziert wurde weißes und bunt bemaltes Geschirr, besonders Tassen und Kannen aller Art, Teller, Zuckerdosen, Butterbüchsen, aber auch Telegraphenglocken. Sie wurden hauptsächlich nach Übersee verhandelt. Gemarkt waren die Produkte mit dem Wappen der Frankenbergs. Der Betrieb erwies sich jedoch als unrentabel. Da er aber ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der kleinen Herrschaft war, hielt man eisern an ihm fest. 1879 wurde die Fabrik für 15 Jahre an H. W. Leopold verpachtet, der aber nur bis 1886 blieb, und von 1889-1899 an den Thüringer Porzellanfabrikantensohn Erhard Schlegelmilch. Da die Fabrik für seine Ansprüche nicht leistungsfähig genug war, gründete er im Ort Tillowitz eine eigene, moderne Fabrik. Die Gräflich Frankenberg’sche Porzellanfabrik konnte sich gegenüber dieser Konkurrenz nicht halten und schloß 1905 ihre Pforten.
Porzellanfabrik Reinhold Schlegelmilch
1887 wurde Tillowitz an die Eisenbahnlinie Oppeln-Neisse angeschlossen. In der Nähe des neuen Bahnhofs erwarb Erhard Schlegelmilch ein günstig gelegenes Gelände für den Bau seiner Fabrik. Geldgeber für dieses Projekt war sein Vater, der Firmengründer Reinhold Schlegelmilch, im heimatlichen Suhl. 1894 nahm die Tillowitzer Fabrik als Zweigniederlassung des 1869 gegründeten Suhler Stammwerkes mit zwei Brennöfen ihre Produktion auf.
Die gute Qualität des Tillowitzer Porzellans verhalf dem jungen Unternehmen schon bald zu großem Erfolg. Um 1904 waren etwa 450 Personen in der Fabrik beschäftigt. Die Zahl stieg noch vor dem ersten Weltkrieg auf 700. Hergestellt wurde vor allem Gebrauchs- und Luxusgeschirr (Abb. 10). Schon bald wurden Erweiterungen erforderlich. Drei weitere Brennöfen wurden gebaut, die Firma erhielt einen eigenen Gleisanschluß an die Bahn, was die Anlieferung von Rohstoffen und Brennmaterial sowie den Abtransport der verpackten Fertigware erleichterte. Besonders beliebt waren die Tillowitzer Erzeugnisse in Übersee. Bis zu 95% der Produktion wurde exportiert; Hauptabnehmer waren die Vereinigten Staaten und Kanada. Aber auch in Südamerika, Frankreich, Holland und im Orient wurde Tillowitzer Porzellan verkauft.
Die neue Porzellanfabrik trug wesentlich zur weiteren Entwicklung von Tillowitz bei. In den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts errichtete die Firma neben einigen Villenbauten auch die neue Post, die evangelische Kirche und neun Zweifamilienhäuser, die sogenannte Arbeiterkolonie.
Der Erste Weltkrieg bedeutete auch für Tillowitz einen schweren Einbruch. Nordamerika, der wichtigste Exportpartner, ging verloren und man mußte sich jetzt auf den inländischen Markt einstellen. Das Werk in Suhl wurde aufgegeben. Sein Leiter, Erhards Bruder Arnold Schlegelmilch, kam nach Tillowitz. Bis in die Mitte der zwanziger Jahre gelang es dem Unternehmen, sich wieder auf dem internationalen Markt zu etablieren. Etwa 60% der Ware wurde in die Vereinigten Staaten, in die Schweiz, nach Kanada, Australien, Neuseeland und Skandinavien exportiert. 1928 führte Arnold Schlegelmilch das Elfenbeinporzellan ein, das mit dem neuen Stempel EPOS (Edel-Porzellan Oberschlesien) gemarkt wurde.
Etwa 400 Männer und Frauen waren nun in der Fabrik beschäftigt. Produziert wurden vor allem Luxus- und Hotelgeschirre, zahlreiche Service, Schalen, Bonbonnieren, Dosen, Mokka- und Sammeltassen (Abb. 12). Üppige, barocke Formen in farbenfroher Ausgestaltung kamen hierbei ebenso zur Geltung wie die modernen Formen des Art deco.
Die Krise des Porzellangewerbes in den dreißiger Jahren traf die Tillowitzer Fabrik besonders hart. Sie hatte nicht nur mit Absatzschwierigkeiten, Entlassungen – die Beschäftigtenzahl sank auf 250 – und Kurzarbeit zu kämpfen, sondern verlor 1934 kurz hintereinander ihre beiden Inhaber Arnold und Erhard Schlegelmilch. Ihr Nachfolger war Arnolds Sohn, Dipl.-Ing. Lothar Schlegelmilch. Die Firma erholte sich kurzzeitig wieder. Während des Krieges bekam das Unternehmen eine Genehmigung zur Fortführung der Produktion, da es große Auslandsaufträge, besonders von den Balkanländern und aus Skandinavien aufweisen konnte. 1940 starb Lothar Schlegelmilch. Seine Nichte Brigitte Koch führte das Unternehmen noch bis zum endgültigen Zusammenbruch 1945.
Die Maschinen der Fabrik wurden von den einrückenden Russen demontiert und abtransportiert. Nach deren Abzug wurde sie unter polnischer Leitung mit Maschinen aus niederschlesischen Porzellanfabriken wieder eingerichtet und in Betrieb genommen. Dabei stützte man sich auf das Wissen von noch nicht ausgewiesenen Fachkräften, die die polnischen Arbeiter anlernen mußten. Mit den alten Formen wurde nun jedoch nicht mehr Porzellan, sondern bis heute das dem Steinzeug ähnliche Porzellan hergestellt.
Die Marken der Firma zeigen in der Regel die Initialen des Firmengründers RS, entweder in einer Art Kapelle oder in einem Lorbeerkranz, oft in Verbindung mit dem Zusatz „Tillowitz“ oder „Germany“. Einige der frühen Marken, die nicht ausdrücklich den Herkunftsort nennen, waren gleichermaßen in Suhl und in Tillowitz gebräuchlich.
Literaturhinweis:
- Gerhard Schmidt-Stein, Schlesisches Porzellan vor 1945, Würzburg 1996
- (mit ausführlicher Bibliographie).
- Herausgeber: HAUS SCHLESIEN – Museum für Landeskunde, Dollendorfer Str. 412 – 53639 Königswinter
- Text, Gestaltung, Fotos: Beate Sass M.A.; Lektorat: Gerhart Schmidt-Stein, Dr. Albrecht Tyrell. 1. Auflage 1997 – Druck: Paul Zimnoch & Söhne, 53347 Alfter
- Titelbild: Pferdefigur, Carl Hans Tuppack, MZ 7, um 1920-1930
- Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums des Innern