2010: Porzellanikon – Königstraum und Massenware
2010 jährte sich die Erfindung des Porzellans zum 300sten Male, dass in Europa die Porzellanmanufaktur Meissen auf der Albrechtsburg gegründet wurde. Zwei Jahre nach der ersten erfolgreichen Nach-Erfindung des Hartporzellans auf dem Alten Kontinent durch Johann Friedrich Böttger und Walter Ehrenfried von Tschirnhaus. Das Porzellanikon, Spezialmuseum für Porzellan in Europa, nahm dies als Anlass eine bisher beispielslose Ausstellung zum Thema Porzellan zu präsentieren – nicht nur was die Ausstellungsfläche und die Themenvielfalt betraf: Europaweit hatte man die bedeutendsten Leihgaben renommierter Museen und Privavtsammler erbeten und hatte diese in spektakulären Inszenierungen und auf Themeninseln an beiden Standorten des Porzellanikon in Selb und Hohenberg a.d. Eger präsentiert.
Das Grossereignis wurde am 24. April 2010 durch den Bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon eröffnet. Das PorzellanIkon Selb und Hohenberg, das größte Porzellanmuseum in Europa, eröffnete seine Ausstellung „Königstraum und Massenware“ eine Chance für die Zukunft. Eine Revue durch 300 Jahre Porzellangeschichte. Zu sehen gab es 1.000 Exponate, inklusive Leihgaben aus 17 Ländern. Vorgenommen haben sich die Initiatoren, die größte Porzellanausstellung zu präsentieren, die es in Europa je gegeben hat. Entsprechend ist der Aufwand und die Vorbereitungen, 1000 Besucher hatten sich für die Eröffnungsveranstaltung angemeldet, die Region Selb erwartete einen großen Ansturm.
Ausstellung & Bedeutung
Porzellan – ist ein Material, das so wandlungsfähig wie formbar ist und das auf einzigartige Art die europäische Geschichte der letzten 300 Jahre abbildet und lebendig macht. Vom königlichen Geschirr bis hin zum modernen Badezimmer, von der teuren Skulptur bis zur elektrischen Lampenfassung: Wohl an kaum einem anderen Material lassen sich gesellschaftliche Veränderungen, Wertewandel und wechselnde kulturelle Ideale so lebendig und spannend nachvollziehen wie am Porzellan. Darunter die Objekte von 100 Leihgebern aus 17 Ländern. Mit dabei sind unter anderem das Metropolitan Museum New York, das Londoner Victoria & Albert Museum, das Topkapi Palace Museum in Istanbul, das Maritimmuseum Helsinki sowie das Musée des Arts décoratifs in Paris. Eine Ausstellung – eine besondere Region. Die Jubiläumsausstellung fand in der bedeutendsten Porzellanregion Europas statt.
Nirgendwo ist die Dichte an traditionellen Porzellanbetrieben höher. Stellvertretend für die deutsche und europäische Geschichte des Porzellan-Adels vereint das Porzellanikon an den beiden traditionsreichen Standorten der Weltmarken Rosenthal und Hutschenreuter die ganze Breite und Wandlungsfähigkeit des faszinierenden Werkstoffes Porzellan. Das Porzellanikon ist Europas größtes Porzellanmuseum, das erste Industriemuseum Bayerns und Mitglied der European Route of Industrial Heritage. Die Schirmherrschaft der Ausstellung Königstraum und Massenware übernahm der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Zur Ausstellung erschien ein umfangreiches Katalogwerk. Die Schau wurde begleitet von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm.
Politik & Perspektiven
Bei der Ausstellungseröffnung hatte der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon ein scheinbares Eröffnungsgeschenk im Gepäck: Auf die Exklusivität der Ausstellung und die Besonderheit der Region in Sachen Porzellan anspielend, sagte Fahrenschon: Aus dieser einmaligen Situation kann man mehr machen als ein Museum. Die bayerische Staatsregierung wolle deshalb die Aussenstelle einer entsprechenden Hochschule in Selb einrichten. In Frage kämen etwa die Universität Bayreuth mit ihrem materialwissenschaftlichen Schwerpunkt oder die Hochschule in Hof. Eine Aussage, die man getrost unter der Rubrik Politikersprüche ablegen kann. Besonders wenn man bedenkt, dass die Zukunft des Porzellanikons ungewiss ist. Die Bayerische Staatsregierung weigert sich beharrlich die Trägerschaft des Museums zu übernehmen. Beim Porzellanikon handelt es sich um ein kommunales Museum, das nur bestehen kann durch privates und wirtschaftliches Mäzenatentum. Daher ist es sehr unsicher wie es mit dem Porzellanikon nach der Ausstellung weitergeht.
Sicherheit & Logistik
Bewaffnete Kuriere und Satellitenüberwachung für Porzellan – Es sind nicht gerade die Kronjuwelen. Doch was an ehemals kaiserlichem und königlichem Porzellan aus allen Ecken Europas seine Reise ins größte Porzellanmuseum des Alten Kontinentes antritt, verlangt ähnlich spektakulären Sicherheits- und Transportaufwand. Die Logistik und Facility Reports zu „Königstraum und Massenware. 300 Jahre europäisches Porzellan“ halten derzeit das Kuratorenteam im Porzellanikon Selb und Hohenberg a. d. Eger in Atem. Warum beispielsweise das Geschirr aus dem Ordensservice von Katharina der Großen in garantiert wasserdichten und wärmeregulierten Holzkisten reisen muss, bleibt das Geheimnis des leihgebenden Museums in St. Petersburg. Der Hauptkuratorin Petra Werner treibt es den Schweiß auf die Stirn: „Dass wir Angaben über die Federung und Art der Bereifung der Fahrzeuge machen müssen, ist noch einzusehen. Wenn man jedoch beispielsweise Aufzeichnungen der dort installierten Hygrometer aus den letzten Monaten verlangt, wird’s schon schwieriger.“
Illuster sind auch die Anforderungen, die die Sicherheit der Stücke auf der Reise garantieren sollen. Die frühen Porzellane aus Neapel beispielsweise werden von bewaffneten Kurieren bis zur Landesgrenze begleitet. Ebenso werden das Porzellan aus dem Krakauer Königspalast oder die russischen Leihgaben von bewaffneten Eskorten begleitet. Doch verlangen die italienischen Kollegen darüber hinaus eine Satelliten gestützte Diebstahlüberwachung. Bei einer Gesamtversicherungssumme von etwa 25 Millionen Euro wird der Aufwand verständlich.
Eine Ausstellung – zwei Standorte
Die Jubiläumsausstellung begann in der ehemaligen Hutschenreuther Villa im Porzellanikon Hohenberg a. d. Eger. Der Gang durch die glanzvolle und erfolgreiche Geschichte des Porzellans entführt in die Lebenswelten europäischer Geschichte, nachvollziehbar am Porzellan der Epochen, die in einer speziellen Ausstellungsarchitektur stimmungsvoll in Szene gesetzt sind. Zu sehen ist u.a. Medici Porzellan, von dem es weltweit nur noch 60 Stücke gibt, Teile aus dem persönlichen Service von Katharina der Grossen, Porzellane aus den berühmten Esterhazy-Sammlungen und noch nie gezeigte Meissen Stücke von der 1747 vor der baltischen Küste gesunkenen St. Michael.
Im nahen Porzellanikon Selb, in der denkmalgeschützten Rosenthal Fabrik, geht es um Design vom Funktionalismus bis hin zu neuesten Gestaltungen, um Lifestyle und Architektur, um Kunst und um das Thema zukünftiger Aufgaben des Porzellans. Auf fünf Themeninseln präsentieren verschiedene Kuratoren unterschiedliche Sichten auf das weiße Gold. Zu sehen sind u.a. Arbeiten von Tobias Rehberger und Sylvie Fleury.
Highlights der Ausstellung
Die St. Michael – Als die St. Michael 1747 im finnischen Golf sank, nahm sie 144 Meissner Porzellane mit. 250 Jahre später konnten zahlreiche Figurinen und Services geborgen werden. Heute im Besitz des Maritimmuseums Helsinki, wurden sie in der Ausstellung gezeigt.
Medici Porzellan – Die Porzellanexperimente Franceseco De Medici in Florenz gelten als Vorläufer des Hartporzellans. Weltweit existieren nur noch etwa 60 Stücke. Gezeigt wurde eine Grotesken-Vase aus dem Musée national de Céramique, Sèvres.
Sisi Privat – Ein prunkvoll bemaltes, transportables Wasch-Klosett aus Nussbaumholz und Porzellan, Eigentum des Sanitärmuseums Laufen, Gmunden, stand im Mittelpunkt dieser Abteilung.
Porzellan von Katharina der Großen – Gezeigt wurde ein Stück aus dem Hl.-Georg-Ordensservice, eines der bedeutendsten Zarin-Services, heute im Besitz des Museums Peterhof, St. Petersburg.
Literatur & Quellen
Katalog zur Ausstellung Königstraum und Massenware, Porzellanikon 2010. Presseberichte und Archivunterlagen des Porzellanikon Selb/Hohenberg. Zeitgenössische Medienberichte (SZ, FAZ, internationale Fachpresse).