Ausstellungen im Jubiläumsjahr 2010

300 Jahre Porzellan in Europa

Unter mehreren Versionen, die sich um die Deutung des Begriffes Porzellan bemühten, dürfte die Annahme, das Wort leitete sich vom Italienischen her und sei auf das lateinische PORCELLUS = Schweinchen zurück zuführen, die grösste Wahrscheinlichkeit besitzen. Als PORCELLUS bezeichnete man im alten Rom eine zur tropischen Familie der Vorderkiemer gehörende Schnecke. Ihr porzellanartig aussehendes Gehäuse stand vermutlich Pate bei der Namensgebung für das neue abendländische Produkt, das – beraten von dem bereits mit der Glasbereitung vertrauten königlichkursächsischen Physiker Tschirnhaus – der Goldmacher Johann Friedrich Böttger im Jahre 1709 auf der Jungfernbastei in Dresden erfand.

Sowohl hinsichtlich der Erfindung des europäischen als auch des asiatischen Porzellans mag es interessant sein, auf einige gleichzeitige Zeichen geistiger Substanz in anderen Kutlurbereichen kurz hinzuweisen. Was wir kulturelle Leistung nennen, ist ja keinesfalls nur eine Summierung der Tatbestände künstlerischer Äußerungen, sondern eine im Ursprünglichen und Ursächlichen wurzelnde Auswirkung jener universalen, allgeistigen Ordnung, die auch dort, wo die Systematik des Verstandes klassifizierend trennt, mit hintergründigen Beziehungen bindet und in uner- schöpflichen Möglichkeiten alle Lebensformen umspannt. So soll hier bei den einzelnen, die Entwicklungsstufen skizzierenden Abschnitten – soweit es der zur Verfügung stehende Raum überhaupt zulässt – versucht werden, die Betrachtung jener Errungenschaft, die aus unserem Dasein nicht mehr fortzudenken ist, wenigstens in etwa dem Gesamtbild menschlichen Schaffens einzufügen. Sie wird, den Hintergrund dieses grösseren Raumes belebend, sich selbst um so klarer abzeichnen.

Während Böttger an seinen Schmelztiegeln experimentiert, reist ein unbekannter Organist, Johann Sebastian Bach, nach Lübeck, um Buxtehude zu besuchen. Händel erlebt in Hamburg die Uraufführung seiner ersten Oper Almira und besiegt in Rom bei einem Klavier- und Orgel Wettstreit seinen Rivalen Scarlatti. Im Jahre 1706 erblickt, gewissermaßen im Nochungewußten sich schon mit Künftigem überschneidend, ein Mann das Licht der Welt, der einer der bedeutendsten Gestalter des sich erst ankündi- genden Materials werden sollte, Johann Joachim Kändler, nachmalig erster Bildhauer der von August des Starken gegründeten Meissner Porzellanmanufaktur.

Mit dem Erfolg Bötgers war auch in Europa die Lösung eines technischen Prob- lems geglückt, um das es sich bei der Porzellanfertigung bis heute und bei jedem Brand von neuem handelt: den selbst unter der Einwirkung sehr hoher Temperaturen nicht schmelzenden Kaolin durch Zusatz von Flußmitteln zum Sintern zu bringen und transparent werden zu lassen, zugleich aber die Plastizität der Porzellanmasse, deren Eigenschaften er wesentlich bestimmt, in ungebrannten Zustand so weit zu erhalten, dass, je nach Bedarf, ihre Verarbeitung sowohl auf der Drehscheibe als auch im

Gießverfahren möglich wird. Die heute gebräuchlichen Massemischungen bestehen hauptsächlich aus vierzig bis fünfundfünfzig Prozent Kaolin, fünfzehn bis dreißig Prozent Quarz und fünfzehn bis fünfunddreißig Prozent Feldspat, wobei unter- schiedliche Zwecke entsprechende Abweichungen bedingen, als Grundstoff bei allen Mischungsverhältnissen aber stets der weißbrennende Kaolin dominiert. Durch ihn erhält das Brenngut unter mannigfachen, auch chemischen Umsetzungen seine charakteristischen Merkmale. Es sintert, die bereits beim Trocknen und Verglühen einsetzende Schwindung des Scherbens erreicht mit linear zehn bis siebzehn Prozent ihren Höhepunkt, das Porzellan wird – Porzellan.

Nun hatte man mit der Ermöglichung des hier angedeuteten Vorgangs, als dessen Resultat unser entwicklungsgeschichtlich jüngstes keramisches Produkt sich mit dem nur ihm eigenen Reiz des durchscheinenden Scherbens präsentiert, zwar auch in Europa die keramische Variante eines aussergewöhnlich eleganten Werkstoffes entdeckt; den frühesten Anfängen des Porzellans begegnen wir aber nicht dort, wo es Böttger gelang, den Kaolin, ein weißgraues, bis dahin nur als Haarpuder benutztes Zersetzungsprodukt feldspathaltiger Urgesteine, zu verarbeiten, sondern bei den Anfängen der Keramik überhaupt.

Auch in China vollzog sich die Kunst der Porzellanfertigung über die Vorstufen des gebrannten Tons und des Steinzeugs, wobei allerdings infolge der von Natur aus gefügigeren Rohstoffe diese Entwicklung systematischer verlaufen dürfte als bei uns. Während man in Europa nur gewöhnt war, fette Tone zu verarbeiten, und hier mit der Verwendung des Kaolins das Porzellan als völlig neue Errungenschaft auf den Plan tritt, finden wir bereits in der Bronzezeit Chinas um etwa 1350 vor Christus, weiße, dickwandige, noch unglasierte, aber doch schon porzellanähnliche Gefäße mit tief gefurchten Streifenmustern. Es sei hier vermerkt, dass in Ägypten, das schon beschriftete Papyrusrollen und Schmelzöfen zum Guß grösserer Gegenstände aus Metall kannte, zur gleichen Zeit die berühmte bemalte Kalksteinplastik des Kopfes der Königin Nofretete entstand. Da das für Porzellan in China noch heute gebräuchliche Wort T’se ursprünglich in viel umfassenderem Sinn angewandt wurde, müssen wir uns hinsichtlich der genaueren Einordnung frühester keramischer Daten mit Mutmaßungen begnügen.

Alten Berichte zufolge wurde unter der Regentschaft des mythischen Kaisers Huang-Ti um die Mitte des dritten Jahrtausends vor Christus die Töpferscheibe erfunden. Um die gleiche Zeit ist sie auch bereits in Mesopotamien nachweisbar. Wenig später soll ein ob seiner Kunstfertigkeit berühmter Töpfer – welche Anerkennung einer kulturellen Leistung! – als Kaiser Schun den Thron bestiegen haben. Authentisch ist, dass im zwölften Jahrhundert vor Christus ein Kaiser Wu-Wang, der Begründer der Dynastie Tschou, seine Tocheter mit dem Sohn eines Kaisers Schun vermählte und während der Regentschaft seines Hauses die Töpferei so gefördert wurde, dass den damaligen Handwerkern bereits das Pressen in Formen geläufig war

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