Porzellanstrasse

Porzellanstrasse – Route, Ziele und der Wandel der Porzellanregion

Die Porzellanstrasse verbindet die wichtigsten Adressen der Gegenwart rund um Porzellan, Manufaktur- und Industriegeschichte in Nordostbayern. Ihre Streckenführung von Bad Staffelstein über Coburg und Hof bis Bayreuth, Weiden und Vohenstrauß folgt zugleich der historischen Ausbreitung der Porzellanherstellung: vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Hochphase um 1900 – und hinein in die Gegenwart mit Museen, Werksverkäufen, Ateliers und Lernorten.

Historische Achse – von Schney bis Tettau

In Schney (heute Landkreis Lichtenfels) wurde vor über 220 Jahren die erste Porzellanfabrik der Region gegründet. Da der Betrieb bereits 1928 endete, erlaubt heute vor allem das Stadtmuseum Lichtenfels einen Rückblick auf Firmengeschichte und Erzeugnisse. Die zweite Fabrik entstand weiter nördlich in Tettau an der Grenze zu Thüringen.

Über Tettau heißt es im Katalog der Königlich privilegierten Porzellanfabrik: Der Scherben sei „weiß oder cremefarben“, die Masse aus eisenarmem Kaolin, „sehr dünn gehalten und dennoch stoß- und kantenbruchfest“ – eine treffende Beschreibung der Firmenindividualität, die bis heute bewahrt wird.

Ende der 1780er Jahre beantragten Georg Christian Friedemann Greiner (Kloster Veilsdorf) und Johann Friedrich Paul Schmidt (Coburg) eine Konzession für Tettau. Nach einem positiven Gutachten von Alexander von Humboldt willigte König Friedrich Wilhelm II. am 28. Dezember 1794 ein. Tettau ist damit die älteste private Porzellanfabrik Bayerns. Seit den 1960er Jahren gehört sie zur Unternehmensgruppe Seltmann (Weiden).

Ausbreitung – Wissenstransfer, Rohstoffe, Gründerwelle

Was 1709 in Meißen (Böttger/Tschirnhaus) begann und rund 50 Jahre später Thüringen erreichte, setzte sich über Frankenwald, Fichtelgebirge und Oberpfalz fort. Aus dem „Exklusivrecht des Adels am weißen Gold“ wurde um 1800 ein Allgemeingut: Porzellan als Gebrauchs-, Kultur- und Kunstgegenstand.

Pioniere wie Carolus Magnus Hutschenreuther (Hohenberg/Eger, 1822) sowie Zeidler (1866), Rosenthal (1867), Alboth (1872), Goebel (1878), Winterling, Schumann, Walküre, Edelstein u. a. nutzten Rohstoffe (Kaolin, Holz) und die Gewerbefreiheit der zweiten Jahrhunderthälfte. Bis um 1900 wuchs die Zahl der Hersteller im nordostbayerischen Raum auf über 30; 1912 waren es sogar 58 größere Fabriken – 47 davon im heutigen Oberfranken. Die Porzellanbranche trug wesentlich dazu bei, dass die Region zu Beginn der 1930er Jahre das zweitgrößte Industrieballungsgebiet des Deutschen Reiches war.

Nach 1945 kamen im Norden/Nordwesten Oberfrankens weitere Fabriken hinzu (z. B. Lindner in Küps). Schwerpunkte liegen bis heute in den Landkreisen Kronach, Wunsiedel und Tirschenreuth, wo über 50 % der herstellenden/veredelnden Betriebe ansässig sind.

Ziele der Porzellanstrasse – Erleben, Lernen, Bewahren

Wer der Porzellanstrasse folgt, kann die Welt des weißen Goldes an authentischen Orten erleben: Betriebsbesichtigungen, Porzellanmal-Kurse, Seminare und Werksverkäufe (ein „Highlight“ nahezu aller Firmen). Rund 300 Hinweisschilder begleiten die Fahrt durchs „Porzellinerland“. Ziel ist, die lebendige Porzellan-Kultur für Besucher sichtbar zu machen und zugleich die Industrie- und Sozialgeschichte der Region zu vermitteln.

„Porzellan wird hier nicht nur produziert, sondern gelebt“: Etwa 5.000 Beschäftigte arbeiten heute in der Branche (1988: ca. 10.000). Architektur- und Kunstprojekte – etwa die „Regenbogenfassade“ von Otto Piene (1973), die Umbauten von Friedensreich Hundertwasser, das „Spiegelhaus“ von Marcello Morandini (1987) sowie das Werk von Walter Gropius – zeigen, wie stark Porzellan, Design und Baukultur in Selb und Umgebung verknüpft sind.

Strukturwandel – Zahlen, Daten, Fakten zum Rückgang

Die Porzellanstrasse erzählt auch vom Wandel: Globalisierung, Konkurrenzdruck, Materialsubstitution (Glas/Kunststoffe), veränderte Wohn- und Konsumstile sowie Energiepreise haben die traditionelle Keramikindustrie stark getroffen. Beschäftigung und Standortzahl sanken – exemplarisch die Relation 10.000 (1988) zu ~5.000 Beschäftigten heute in der Region. Zahlreiche Marken existieren weiter, jedoch mit konsolidierten Werken, neuen Eigentümern oder veränderter Fertigungstiefe.

Gleichzeitig entstanden neue Wertschöpfungen: Tourismus entlang der Porzellanstrasse, Museen, Manufakturateliers, Design-/Technik-Weiterbildungen sowie Sammler- und Auktionsmärkte. So bleibt Porzellan als Industrie-, Kultur- und Bildungsfaktor präsent – anders als früher, aber weiterhin identitätsstiftend.

Museen & Lernorte entlang der Route

In Selb-Plößberg dokumentiert das Europäische Industriemuseum für Porzellan / Europäisches Museum für Technische Keramik in einer originalen Fabrik die Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte – mit Fokus auf das Leben der Porzelliner. In Hohenberg a. d. Eger behandelt das Deutsche Porzellanmuseum die Porzellangeschichte als Teil der Kulturgeschichte: Inszenierte Zeitabschnitte, zwei große Sonderausstellungen pro Jahr, eine Spezialbibliothek (über 6.000 Bände) sowie das Zentrale Archiv der Deutschen Porzellanindustrie runden das Angebot ab.

Firmeneigene Museen – etwa das Hutschenreuther-Museum (Selb), das Porzellanmuseum Rödental (Goebel, seit 1973), die Sammlung Ludwig Bamberg („Glanz des Barock – Fayence und Porzellan“) – erweitern den Blick über die Porzellanstrasse hinaus und zeigen die europäische Vernetzung des weißen Goldes.

Kurz-Timeline – Porzellanstrasse & Region
1709
Meißen: Böttger/Tschirnhaus – Beginn der europäischen Hartporzellan-Herstellung.
1794
Tettau: Konzession (28. Dezember) – älteste private Porzellanfabrik Bayerns.
1822
Hutschenreuther Hohenberg nimmt den Betrieb auf – Start einer Gründerwelle im 19. Jh.
1912
Regionale Höchststände: 58 größere Fabriken, 47 in Oberfranken.
1973–1987
Selb: „Regenbogenfassade“ (Piene), Umbauten Hundertwasser, „Spiegelhaus“ (Morandini).
Heute
Porzellanstrasse als Kultur- & Bildungsroute: ~300 Schilder, Werksverkäufe, Kurse, Museen; Beschäftigte ~5.000 (1988: ~10.000).
Werk Schönwald 1938
Werk Schönwald 1938

Porzellanstrasse – Überblick & aktuelle Entwicklungen

Die Porzellanstrasse ist eine rund 800 km lange Themenroute in Bayern, Thüringen und Sachsen. Sie verbindet Museen, Werksverkäufe und heute aktive Fabriken/Manufakturen und folgt zugleich der historischen Ausbreitung des „Weißen Goldes“ in Nordostbayern und den Nachbarländern.

Verlauf der Porzellanstrasse durch Bayern, Thüringen & Sachsen

Die Route leitet von Bad Staffelstein/Lichtenfels (Schney) über Coburg, Hof, Selb/Hohenberg, Arzberg, Weiden, Vohenstrauß nach Osten/Norden in Thüringen (u. a. Kahla, Triptis) und in Sachsen (u. a. Meißen, Freital-Potschappel).

  • Bayern (Oberfranken & Oberpfalz): Schney (frühe Fabrik, bis 1928), Tettau (1794), Selb/Hohenberg (Rosenthal, Porzellanikon), Arzberg/Marktredwitz, Weiden/Vohenstrauß (Seltmann), Schönwald (BHS tabletop).
  • Thüringen: Kahla (Produktion), Triptis (Porzellanium & Werksverkauf, Produktion 2022 beendet), Ilmenau/Arnstadt-Plaue (historische Orte).
  • Sachsen: Meißen (Manufaktur & Erlebniswelt), Freital-Potschappel (Sächsische Porzellan-Manufaktur Dresden), Dresden/Elbland als kultureller Kontext.
Wo wird heute produziert? – Auswahl aktiver Fabriken/Manufakturen entlang der Porzellanstrasse

Bayern

  • RosenthalSelb (Produktion); Speichersdorf läuft aus.
  • Schönwald (BHS tabletop) – HoReCa-Porzellan, H₂-Pilotbrennen seit 2024.
  • Königlich privilegierte Porzellanfabrik Tettau – seit 1794, heute Seltmann-Gruppe.
  • Seltmann Weiden – Weiden (Produktion & Werksverkauf).

Thüringen

  • KAHLA/Thüringen Porzellan – Produktion in Kahla.
  • Triptis – Produktion 2022 beendet; Porzellanium & Shop aktiv.

Sachsen

  • Meissen – Staatliche Porzellan-Manufaktur (Manufaktur + Erlebniswelt).
  • Freital-Potschappel – Sächsische Porzellan-Manufaktur Dresden (Zier-/Luxusporzellan).

Hinweis: Die Liste zeigt zentrale Leuchttürme; weitere Ateliers, Zulieferer und Veredler sind regional verteilt.

Bedeutung & Strukturwandel – Zahlen, Daten, Fakten
  • Hochphase: um 1912 ca. 58 größere Fabriken im Raum, davon 47 in Oberfranken.
  • Beschäftigung: 1988 ca. 10.000 Mitarbeitende in Nordostbayern → heute gesamt (Bayern/Thüringen/Sachsen) etwa ~5.000.
  • Verschiebung: weniger Großserien, mehr Premium/Manufaktur, Museen, Werksverkäufe und touristische Angebote entlang der Porzellanstrasse.

Ergebnis: Die Porzellanstrasse trägt heute als Kultur-, Bildungs- und Tourismusroute zur Wertschöpfung bei, bewahrt Wissen und macht die industrielle Tradition sichtbar – trotz sinkender Industrie-Beschäftigung.

Kurz-Timeline – Meilensteine an der Porzellanstrasse
1709
Meißen: Beginn der europäischen Hartporzellan-Herstellung (Böttger/Tschirnhaus).
1794
Tettau: Konzession (28. Dezember) – älteste private Porzellanfabrik Bayerns.
1822
Hutschenreuther Hohenberg startet – Gründerzeit nimmt Fahrt auf.
1912
Höchststand: 58 größere Fabriken (47 in Oberfranken).
Heute
Aktive Leuchttürme (Selb, Schönwald, Tettau, Weiden, Kahla, Meißen) + Museen/Werksverkäufe; Beschäftigte ~5.000.

Strukturwandel: Ziel – dieses Artikels ist, Besucher über Route, Ziele und den Strukturwandel der Porzellanindustrie in Oberfranken, Thüringen und Sachsen zu informieren.

Weitere Malereien & Entwicklungen

Ergänzend zu den bekannten Werkstätten in Selb, Oberkotzau, Rehau, Kirchenlamitz und Hohenberg gab es in der Region zahlreiche kleinere Ateliers, Heimarbeitsplätze und Werksmalereien. Typisch war die Arbeitsteilung: Weißware aus den Fabriken – Überglasur-Dekor in freien Malereien.

Orte & Schwerpunkte (Auswahl)

  • Röslau / Marktleuthen / Schwarzenbach a. d. Saale: kleinere freie Malereien (1890–1960), häufig Gold-/Silberstaffage, Lüster, florale Dekore auf Tellern, Tassen, Serviceteilen.
  • Selb & Hohenberg: Werksmalereien (Rosenthal, Hutschenreuther) neben freien Ateliers; frühe Ausbildungs- und Beschäftigungszentren für Porzellanmalerinnen.
  • Oberkotzau & Rehau: dichte Verzahnung von Formlieferanten und Dekorationsateliers (z. B. freie Ateliers, spätere Eigenproduktion einzelner Betriebe).
  • Nach 1945: Zuzug vertriebener Porzellanmaler aus Böhmen/Thüringen → viele Kleinwerkstätten bis in die 1970er.
  • Heute: nur noch wenige Handmalereien (Auftragsarbeiten, Restaurierung, kleine Serien).

Arbeitsteilung & typische Techniken

  • Weißware-Bezug: Selb, Hohenberg, Rehau, Arzberg (Formen/Service), Weitergabe an freie Maler.
  • Überglasur-Bemalung: Blumen/Ranken, Ansichten, Schriftzüge (Jubiläum, Städte), Lüster, Emaille, Gold-/Platinlinien.
  • Werkstatttypen: Heimarbeiterinnen (Stücklohn), Familienateliers (2–10 Personen), gewachsene Manufakturmalereien mit kleiner Formfertigung.
Kurz-Timeline – Malereien in Selb & Umgebung
1814 Frühe Werksmalereien im Umfeld Hohenberg (C. M. Hutschenreuther) – Ausbildungswirkung für die Region.
1879–1908 Rosenthal (Erkersreuth/Selb): startende Malereien, 1908 Kunstabteilung → künstlerische Impulse für freie Ateliers.
1890–1930 Viele Familien-/Heimateliers (Oberkotzau, Rehau, Röslau, Marktleuthen): Auftragsbemalung von Geschirr/Tellern; Staffage, Lüster.
1919 Rudolf Wächter (Kirchenlamitz): Malerei → Manufaktur (bis 1974); Einfluss auf regionale Dekortrends.
1945–1970 Zuzug aus Böhmen/Thüringen; viele neue Kleinwerkstätten – Hochphase der freien Aufglasur-Bemalung.
ab 1980 Rückgang der freien Malereien; Spezialisierung (Restaurierung, Signaturen, Kleinserien) und museale Vermittlung.

porzellanselb

Ich kaufe Porzellan überwiegend von Rosenthal und KPM von 1950 bis 1980 Studio-Line, Hubert Griemert, Tapio Wirkala, Victor Vasarely, Grießhaber, Otto Piene, Wolf Karnagel und viele mehr.