Steingut-Fabrik F.A. Mehlem, Inh. F. Guilleaume (1884–1920)
Royal Bonn – Expansion, künstlerische Kooperationen und internationale Märkte
Einleitung
Unter der Leitung von Franz Guilleaume entwickelte sich die Steingut-Fabrik und Kunsttöpferei F.A. Mehlem in Bonn zwischen 1884 und 1920 zu einem der führenden Unternehmen der deutschen Steingutproduktion. Die Marke Royal Bonn stand für dekorative wie auch funktionale Keramikprodukte, die in ganz Europa und den USA Absatz fanden. Besonders prägend war die Zusammenarbeit mit Künstlern und Designern, die der Fabrik ein modernes Gesicht verliehen und neue Käuferschichten erschlossen.
Expansion und technische Innovation
Nach 1884 wurden zahlreiche Modernisierungen durchgeführt: Neue Pumpwerke, Transmissionen, eine Dampfmaschine und zusätzliche Öfen erweiterten die Produktionskapazität. Die Familie Guilleaume zog 1886 in das firmeneigene „Château du Rhin“. Zwischen 1887 und 1903 stellte die Fabrik sogar Höchst-Figuren nach Originalformen der ehemaligen Höchster Manufaktur her. Zudem wurden Uhrengehäuse für die amerikanische Ansonia Clock Company gefertigt – ein Beleg für die internationale Ausrichtung.
Mit der Marke Royal Bonn etablierte sich das Unternehmen auch auf Exportmärkten in Frankreich, England und den USA. Die Dekore und Glasuren wurden ständig weiterentwickelt, um den wachsenden Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden.
Künstlerische Zusammenarbeit
Besonders bemerkenswert ist die Kooperation der Steingutfabrik mit bekannten Künstlern und Designern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Dies verlieh den Produkten nicht nur gestalterische Qualität, sondern auch eine Nähe zu den avantgardistischen Strömungen der Zeit.
- Ernst Aufseeser (1880–1940): Deutscher Grafiker und Designer, dessen Dekorideen auch auf Mehlem-Produkten umgesetzt wurden. Seine klare, ornamentale Sprache stand für den Übergang zur Moderne.
- Wilhelm Neuhäuser: Weniger dokumentiert, jedoch sind dekorierte Stücke mit seinem Namen belegt. Er war Teil der Netzwerke von Kunstgewerbeschulen und Industriekooperationen.
- Peter Behrens (1868–1940): Als einer der bedeutendsten deutschen Gestalter seiner Zeit arbeitete er an Vasen- und Gefäßentwürfen für Mehlem. Eine 1901 ausgeführte Vase ist ein prominentes Beispiel. Behrens verband Architektur, Kunst und Industrie und gilt als Wegbereiter des modernen Industriedesigns.
- August Macke (1887–1914): Bekannt als expressionistischer Maler des „Blauen Reiters“. Er war zeitweise in den Dekorationsateliers von Mehlem tätig. Seine Mitarbeit zeigt, wie weit die Fabrik künstlerische Einflüsse aufgriff und auch avantgardistische Impulse in ihre Produktion einband.
Bedeutung und Märkte
Mit einer breiten Produktpalette – von Haushaltsgeschirr über Zierkeramik bis hin zu technischen Artikeln – war Mehlem einer der vielseitigsten Betriebe seiner Zeit. Die dekorativen Stücke, insbesondere Delfter Reproduktionen und Jugendstil-Entwürfe, fanden internationalen Anklang. Auf Exportmärkten wurden sie als „German Delft“ respektvoll anerkannt.
Die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Behrens und Macke verband industriell hergestellte Keramik mit der Avantgarde der Kunst. Damit gelang Mehlem ein Brückenschlag zwischen Kunst und Industrie, der die Marke Royal Bonn über die deutschen Grenzen hinaus bekannt machte.
Übergang zu Villeroy & Boch
Nach dem Tod von Franz Guilleaume 1914 führte sein Sohn Walter den Betrieb weiter. Doch wirtschaftliche Interessen und neue Unternehmenspläne führten dazu, dass die Fabrik am 1. Juni 1920 an Villeroy & Boch verkauft wurde. Damit endete eine Ära, in der Mehlem unter Guilleaume als unabhängige Marke internationale Reputation erlangt hatte.