Wallendorf Porzellan
Die Wallendorf Porzellan Manufaktur ist eine der ältesten Thüringer Porzellanmanufakturen in Lichte/Wallendorf im südlichen Thüringer Wald. Ihre Geschichte ist geprägt durch über 200 Jahre Porzellantradition und zahlreiche Besitzerwechsel. Zuletzt befand sich die Manufaktur im Besitz der Bruckert Beteiligungsgesellschaft mbH, heute gehört sie Yihong Mao.
Die Geschichte
1761 stellte Johann Wolfgang Hammann – rund 50 Jahre nach der Erfindung des europäischen Porzellans – den Antrag auf Konzession zur Porzellanherstellung. Obwohl dieser zunächst abgelehnt wurde, gelang ihm 1762 in Katzhütte der erste erfolgreiche Brand. Am 30. März 1764 erhielt er nach dem Erwerb des Rittergutes Wallendorf die Konzession und gründete zusammen mit seinem Sohn sowie Gottfried und Gotthelf Greiner die Porzellanmanufaktur Wallendorf.
Ab 1780 nutzte man böhmischen Kaolin, womit 1793 Wilhelm Martius das Porzellan als „blendend weiß … fein gemahlt und so hart, dass es am Stahl Funken giebt“ beschrieb. Bis 1833 blieb die Manufaktur im Familienbesitz der Hammanns.
Danach wechselte die Manufaktur mehrfach den Besitzer: Hutschenreuther, Kämpfe, Sontag, Heubach, Fraureuth, Schaubach. Auch die Vielzahl an Bodenmarken spiegelt die wechselvolle Geschichte wider; zeitweise ähnelten sie den Meissener Schwertern so stark, dass es zu Abmahnungen kam. Die heutige Marke mit dem „W“ unter der gekrönten Helmkrone und der Jahreszahl 1764 wurde erst 200 Jahre später eingeführt.
Tradition
Den Manufakturcharakter hat sich Wallendorf bis heute erhalten. Seit 1764 werden Kaffee-, Tee- und Schokoladenservices gefertigt, ab 1785 kamen Figuren hinzu. Auch heute umfasst das Programm Zier- und Körbchenserien, Vasen, Schalen, Leuchter und Geschenkartikel. Die Porzellanmasse basiert nicht mehr auf dem ursprünglichen Arcanum, bleibt aber ein streng gehütetes Rezepturgeheimnis.
Alt Wallendorf
Besonders beliebt ist das sogenannte „Dresmer Teegood“, das nach über 70 Jahren Produktionspause wieder nach alten Originalformen hergestellt wird. Dekore wie Blau Dresmer, Rot Dresmer, Ostfriesische Rose wurden anhand von Museumsstücken und privaten Sammlungen rekonstruiert und originalgetreu neu aufgelegt.
Sammler und Liebhaber schätzen außerdem die figürlichen Darstellungen – meist weiß glasiert oder in Biskuit-Porzellan. Jede Figur ist ein Unikat, handgegossen, zusammengesetzt und bemalt. Geschenkartikel, Vasen, Leuchter oder Dosen zeigen Dekore vom klassischen Kobaltblau bis hin zu frühlingshaften Blumen- und Vogelmotiven.
Produktion
Obwohl Wallendorf seine historischen Fertigungsmethoden bewahrt, setzt die Manufaktur heute auch moderne Technologien ein – etwa isostatische Pressen oder Druckgussanlagen. Mit der Übernahme im Jahr 2006 begann die Produktion von Bone China, einem der hochwertigsten Porzellane weltweit.
Bone China zeichnet sich durch cremig-weißen Farbton, hohe Kantenschlagfestigkeit und transluzente Oberfläche aus. Es enthält neben Kaolin, Feldspat und Quarz rund 52 % verglühte Knochenasche. Damit bleibt Wallendorf bis heute ein Synonym für Qualität, Handwerk und edelstes Porzellan.
Entwicklung ab 1964 (DDR-Zeit)
In der DDR-Zeit wurde die Manufaktur ein Volkseigener Betrieb (VEB), der unter Namen wie Schaubach-Kunst Porzellanfabrik Wallendorf firmierte. Nach 1964 erweiterte man das Sortiment gezielt durch ein ästhetisch anspruchsvolles Figurenprogramm.
Im Jahr 1962 präsentierte sich der VEB Wallendorfer Porzellanfabrik als einziger Porzellanhersteller auf der Ausstellung „Kunst für das Heim“ im Berliner Pavilion der Kunst. Dort wurden 40 zeitgenössische Porzellankleinplastiken gezeigt – mit dem Ziel, formschöne und sozial inspirierende Alltagskunst zu schaffen.
Künstlerische Kleinplastiken berühmter DDR-Bildhauer wurden preisgünstig gefertigt und damit einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Laut Emil Vlasak zum 200-jährigen Jubiläum 1964 gelang es so, „die früher so seltenen, wirklich künstlerischen Kleinplastiken zu einem relativ geringen Preis vielen zugänglich zu machen“.
Literatur & Quellen
Ergänzt um zeitgenössische Quellen aus der DDR-Epoche, darunter Artikel und Katalogbeschreibungen zum Porzellanglauben nach 1964 sowie Ausstellungsdokumente.
Bodenmarken & Eigentümerwechsel
Die wechselvolle Geschichte der Wallendorfer Porzellanmanufaktur lässt sich besonders gut an den Bodenmarken ablesen. Schon in den Anfangsjahren nach 1764 verwendete man einfache Initialen oder gekrönte Buchstaben. Ab etwa 1785 ähnelten die Marken den Meissener Schwertern so stark, dass es zu Abmahnungen kam.
Mit den zahlreichen Eigentümerwechseln – von der Familie Hammann über Kämpfe, Hutschenreuther, Heubach, Fraureuth bis hin zu Schaubach – veränderten sich auch die Markenzeichen. Jede Epoche brachte ihre eigenen Varianten hervor, oft eine Kombination aus Krone, „W“ und Jahreszahl.
Während der DDR-Zeit (als VEB Schaubach-Kunst/Wallendorf) wurden teils vereinfachte Schriftzüge mit „Wallendorf“ genutzt. Zum 200-jährigen Jubiläum 1964 wurde schließlich das bis heute gültige Zeichen eingeführt: ein „W“ unter der Helmkrone mit der Jahreszahl 1764.
Für Sammler sind diese Markierungen ein wichtiges Hilfsmittel, um Stücke zeitlich einzuordnen und bestimmten Eigentümerperioden zuzuweisen. Besonders begehrt sind frühe Varianten sowie seltene Marken aus Übergangszeiten.
Timeline – Wallendorf Porzellan
Meilensteine der traditionsreichen Porzellanmanufaktur seit 1764
Gründung & erste Jahre (1763–1772)
Im Jahr 1761 beantragte Johann Wolfgang Hamann aus Katzhütte eine Konzession zur Porzellanproduktion. Diese wurde zunächst abgelehnt, da kurz zuvor Heinrich Macheleid die Exklusivrechte erhalten hatte. Hamann forschte jedoch weiter und konnte 1762 erstmals erfolgreich Hartporzellan brennen. Gemeinsam mit seinem Sohn und den Cousins Johann Gottfried und Johann Gotthelf Greiner gründete er 1763 die Fabrik in Wallendorf. Am 30. März 1764 erteilte Herzog Franz Josias von Sachsen-Coburg die offizielle Konzession. Das Sortiment umfasste früh Kaffee-, Tee- und Schokoladensets, Bierkrüge, Tabakdosen, Sanitärartikel und Pfeifenköpfe.
Hamann-Familie (1772–1829)
Ab 1772 führten die Hamanns die Manufaktur allein. Figuren ergänzten das Sortiment, wurden aber erst nach 1780 bedeutsamer, als in Böhmen reineres Kaolin entdeckt wurde. Dieses verbesserte die Porzellanqualität erheblich. Anna Margaretha Hamann leitete die Fabrik nach dem Tod ihres Mannes und musste 1787 die Bodenmarke ändern, da diese den Meissener Schwertern zu ähnlich war. Ihr Sohn führte das Werk bis zu seinem Tod 1833.
Hutschenreuther & Partner (1829–1887)
Zwischen 1829 und 1887 wurde die Manufaktur von Hutschenreuther, Kämpfe und Heubach geführt. Mit erheblichen Investitionen konnte die Produktion ausgebaut und die Qualität gesteigert werden. Besondere Marken sind aus dieser Zeit nicht überliefert.
Kämpfe, Heubach & Sontag (1887–1915)
Ab 1887 stieg Sontag als neuer Partner ein. Interne Konflikte führten zu vielen gescheiterten Projekten. Nach seinem Ausscheiden 1897 konzentrierten sich Kämpfe & Heubach wieder auf Figurenproduktion, was erfolgreich war. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte die Manufaktur rund 150 Arbeiter. 1915 musste sie jedoch kriegsbedingt schließen.
Fraureuth & Schaubach (1919–1953)
Nach dem Krieg wurde Wallendorf ab 1919 von der Porzellanfabrik Fraureuth genutzt, jedoch aufgrund wirtschaftlicher Probleme 1926 aufgegeben. Heinz Schaubach erwarb daraufhin die Fabrik und gründete Schaubach-Kunst. Die Firma florierte bis zum Zweiten Weltkrieg und beschäftigte zeitweise über 160 Menschen. Während des Krieges blieb sie weitgehend in Frauenhand, da die meisten Männer eingezogen waren.
DDR-Zeit (1953–1990)
1953 wurde die Fabrik verstaatlicht und als VEB Schaubach Kunst Lichte-Wallendorf weitergeführt. Die Produktpalette beschränkte sich auf Figuren, Kaffee- und Tafelservices. In den 1960er Jahren arbeiteten fast 1.000 Menschen im Betrieb. Verschiedene Direktoren prägten die Jahrzehnte, zuletzt Bernd Zetzmann bis zur Wende.
Von der Treuhand bis heute (1990–2024)
Nach der Wiedervereinigung kam die Fabrik zunächst unter die Kontrolle der Treuhand und wechselte mehrfach den Besitzer. In den 2000er Jahren folgten Insolvenzen, Umstrukturierungen und schließlich die Übernahme durch die Bruckert Beteiligungsgesellschaft mbH. Später war das Werk kurzzeitig Teil der Design House Lichte GmbH, die 2019 in Insolvenz ging. Seit 2013 gehört die Marke Yihong Mao aus Ningbo/China. Heute wird die Geschichte Wallendorfs vor allem von Sammlern und Museen bewahrt.