Westerwälder Werkstätten – Reformkeramik aus Höhr-Grenzhausen
Die Westerwälder Werkstätten (um 1919/1920) stehen für den Brückenschlag zwischen der jahrhundertealten Salzglasur-Tradition des Westerwaldes und den Reformidealen von Deutschem Werkbund und Bauhaus: funktionale Formen, serielle Gestaltung und Materialgerechtigkeit prägten ein neues Bild der Keramik.
Ursprung und Kontext
In Höhr-Grenzhausen, dem Zentrum des Westerwälder Steinzeugs, wurden die Werkstätten nach dem Ersten Weltkrieg als Antwort auf die Keramikreform gegründet. Ziel war es, die regionalen Kompetenzen – Ton, Salzglasur, Dreh- und Brenntechnik – mit einer modernen Formauffassung zu verbinden, die den Alltag in den Blick nahm und zugleich serielle Produktion ermöglichte.
Werkbund-Prinzipien und Bauhaus-Impulse
Die Werkstätten orientierten sich an den Leitlinien des Deutschen Werkbundes: Formklarheit, Funktionalität, Materialgerechtigkeit, Verzicht auf Historismus-Dekor. Zugleich wirkten Impulse aus dem Bauhaus (Typisierung, Werkstattgedanke) und der Burg Giebichenstein Halle (Lehre + angewandte Produktion) in die Region hinein.
Produktion und Stil
Das Spektrum reichte von Gebrauchs- und Tafelgeschirr über Seriengefäße bis zu Bau- und Zierkeramik. Typisch sind schlichte, geometrische Grundkörper, monochrome oder dezent variierte Glasuren (Grau, Blau, Braun, erdige Töne) sowie gelegentlich Ritz- oder Schlickerdekor. Entscheidend war die Alltagstauglichkeit – gut stapelbar, robust, wiederholbar – bei zugleich klarer, moderner Form.
Gestalter und Netzwerk
Im Umfeld der Werkstätten wirkten Gestalter, die Reformkeramik entscheidend prägten – etwa Theodor Bogler (Bauhaus-Schüler), Max Laeuger (Jugendstil, Baukeramik) sowie Keramiker aus dem Kreis des Werkbund-Netzwerks, u. a. August Hanke. Die Westerwälder Werkstätten stehen exemplarisch dafür, wie regionale Kompetenz und gestalterische Reform zusammenfanden.
Bedeutung und Wirkung
Als Schlüsselakteur der Keramikreform verbanden die Westerwälder Werkstätten die Salzglasur-Tradition mit einer seriellen, modernen Formgebung. Sie halfen, den Westerwald als Gestaltungszentrum zu profilieren – eine Wirkung, die bis heute nachhallt, etwa im Keramikmuseum Westerwald und in zahlreichen zeitgenössischen Werkstätten der Region.
Timeline – Westerwälder Werkstätten
- 1919/1920 – Gründungsidee in Höhr-Grenzhausen: Reformkeramik für den Alltag, Seriengedanke
- ab 1920er – Werkbund- und Bauhaus-Impulse: Formklarheit, Materialgerechtigkeit, Typisierung
- 1930er–1950er – Ausbau funktionaler Serien, Bau- und Zierkeramik
- heute – Museale Aufarbeitung, anhaltende Prägung der Region (Keramikmuseum Westerwald)