Wolf Karnagel gehört zu den einflussreichsten deutschen Industriedesignern der Nachkriegszeit. Wolf Karnagel wurde am 5. August 1940 in Leipzig geboren und absolvierte 1961–1965 sein Studium der industriellen Formgebung an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Nach zwei Semestern als Meisterschüler bei Prof. Bodo Kampmann begann Wolf Karnagel 1967 seine Laufbahn als künstlerischer Mitarbeiter bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM), wo er bis Ende 1969 tätig war.
Ab 1970 arbeitete Wolf Karnagel als freier Designer für renommierte Marken wie Rosenthal und Hutschenreuther. Bis 1975 entwarf er dort über 15 verschiedene Service- und Dekorlijnen und experimentierte mit mehr als zehn neuen Glasurrezepturen pro Jahr. Sein wirtschaftlicher Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem Tafelservice „Plus“ für die Rosenthal Studio Linie: Rosenthal investierte rund 1,5 Mio. DM in die Entwicklung, und innerhalb von nur neun Monaten wurden Umsätze in Höhe von 3,6 Mio. DM erzielt. Wolf Karnagel plante dabei ein modulares Konzept aus 45 Einzelelementen, das sich flexibel an wechselnde Tischarrangements anpassen ließ.

Porzellanflohmarkt 2025
Wolfgang Karnagel besuchte den Porzellanflohmarkt 2025 in Selb. Im Hintergrund das Porzellanservice Stambul von KPM. W. Karnagel entwarf das Service Stambul für die KPM Berlin.
In den 1980er-Jahren war Wolf Karnagel maßgeblich an einer Großbestellung der Deutschen Lufthansa beteiligt. Er entwarf 120 Einzelteile, darunter 60 Porzellanteller, 30 Kunststoff-Bordbehälter und 30 Besteckserien. Die Umstellung auf leichtes Porzellan sparte der Airline 300 000 DM Treibstoffkosten pro Jahr ein, da das Gewicht einer Einrichtung um durchschnittlich 15 Kilogramm reduziert wurde.
Von 1977 bis 1989 gewann Wolf Karnagel insgesamt zehn iF Design Awards. Seinen ersten Award erhielt er 1977 für ein Kaffeeservice, 1980 folgten vier Preise für die „Scala“-Linie. In den Jahren 1984 bis 1986 gewann er jeweils Auszeichnungen für Varianten des „Tavola“-Services, und 1989 erfolgte die Ehrung für das „Galleria“-Service.
Neben seiner Entwurfsarbeit leitete Wolf Karnagel von 1968 bis 1972 Workshops an der Hochschule in Braunschweig, in denen er über 200 Studierende in modernen Fertigungsmethoden schulte. Seine Lehrtätigkeit setzte er bis 1995 in verschiedenen Symposien fort und förderte insgesamt mehr als 50 Nachwuchsdesigner.
Wolf Karnagel zog sich 2000 weitgehend aus der aktiven Designarbeit zurück, blieb jedoch beratend tätig. Bis heute finden sich seine Entwürfe in über 30 Museen und mehr als 100 privaten Sammlungen weltweit. Wolf Karnagel setzte mit seiner Kombination aus funktionaler Präzision und ästhetischer Klarheit neue Maßstäbe im Industriedesign.
Wolf Karnagel bei der KPM
Wolf Karnagel absolvierte während seines Studiums ein mehrmonatiges Praktikum bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM). Ziel war es, ein Porzellanobjekt bis zur Produktionsreife zu entwickeln. Basierend auf einem bereits in Silber realisierten Studienentwurf entstand das Mokka-Service „Stambul“, das aufgrund seines überzeugenden Designs – insbesondere des einpunktig angesetzten Kannengriffs – erfolgreich in die KPM-Kollektion aufgenommen wurde. Besonders bemerkenswert: Der größte Verkaufserfolg wurde in Casablanca erzielt. Dieses Service ist bis heute Teil der KPM-Kollektion.
Nach dem Studium bot sich Karnagel die Gelegenheit, als Designer für die KPM zu arbeiten. Die Zusammenarbeit war anfangs durch ein gegenseitiges Unverständnis erschwert – die KPM bevorzugte traditionelle, historische Entwürfe, während Karnagel neue Konzepte verfolgte. Viele seiner Entwürfe blieben daher zunächst unverwirklicht.
Als Reaktion darauf entwarf Karnagel ein modernes Kakao-Service, das klassische Formen (z. B. die Kampanatasse) mit zeitgenössischem Design verbindet – etwa durch integrierte statt angesetzte Henkel. Dieses Service wurde sofort in die KPM-Kollektion aufgenommen. Daraus entstanden auch ergänzende Geschenkartikel wie Dosen und Schalen. Parallel entwickelte Karnagel einen während des Studiums begonnenen Geschirrentwurf weiter, inklusive Modelle und Prototypen.