Karlsbader Porzellanindustrie

Als die Zettlitzer Grundbesitzer Jakob Lorenz und Anton Pfeiffer um 1800 die Kaolingewinnung aufnahmen, bekam die junge Porzellanfabrikation im Karisbader Land ihren besten Rohstoff. Da auch große Braunkohlenlager in Westböhmen vorhanden waren und damals schon genutzt wurden, waren die Grundlagen für eine Industrie gelegt, die noch heute blüht. Die ersten Versuche zur Herstellung von Porzellan in Böhmen machte Franz Haberditzl in Rabengrün bei Elbogen.

Ihm folgte im Jahre 1792 die Gründung des Schlaggenwalder Bergmeisters Johann Georg Paulus, der eine Porzellanfabrik in einem verlassenen Sichelhammer im Zechgrunde errichtete, aus der die bekannte Porzellanfabrik von Haas & Czjizek hervorging. Die Versuche, gutes Porzellan herzustellen, wurden 1794 in Klösterle durch den Grafen Thun fortgesetzt, besonders als der ‚Müringer Christian Nonne den Betrieb für einige Jahre pachtete, ehe er 1803 in Gießhübl-Sollrnus seine eigene Porzellanfabrik errichtete, wobei er den Kaolin aus Zettlitz und den Feldspat von Engelhaus bezog.

Porzellan Schaufenster 1960
Porzellan Schaufenster 1960
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Im Jahre 1803 errichtete Friedrich Höcke eine Porzellanfabrik in Pirkenhammer, die heutige „Epiag“, die durch Christian Fischer bald zur Blüte kam. Im selben Jahr entstand auch in PremlowitzZettlitz durch Johann Georg Raimund eine Porzellanfabrik, die aber bald wieder ihren Betrieb einstellte. Dagegen entstand gleichzeitig durch Johann Ritter von Schönau die Porzellanfabrik in Dallwitz und 1815 durch die Brüder Haidinger die Porzellanfabrik in Elbogen. Daher wurde das Karlsbader Land die Ursprungsstätte des Böhmischen Porzellans, das als Karlsbader Porzellan noch heute in aller Welt bekannt ist.

Viel Schönes vom künstlerischen Schaffen aus den ersten Zeiten dieser Porzellanindustrie bewahrte das Karlsbader Stadtmuseum. Bereits im Jahre 1820 bestanden nach einem Bericht der Prager Fabriksinspektion zwölf Porzellanfabriken, die schon vorwiegend Zettlitzer Kaolin verwendeten. Im Jahre 1848 entstanden noch in Fischern und 1849 in Aich neue Porzellanfabriken in der Nähe Karlsbads.

Besonders aber wurde Altrohlau bei Karlsbad mit mehreren großen Betrieben ein Mittelpunkt der Karlsbader Porzellanindustrie, wo 1814 Benedikt Haßlacher die erste Steingutfabrik gründete. Im Jahre 1820 verpachtete er die Fabrik an Andreas Schwengsbier. Aber erst August Novotny brachte von 1823 an die Fabrik zur Blüte. Er ging auch mit Verwendung von Zettlitzer Kaolin von der Steingut- zur Porzellanerzeugung über. 1884 kaufte Moritz Zdekauer die Fabrik, der auch einen Betrieb in Meierhöfen eröffnet hatte.

Die Errichtung der zweiten Porzellanfabrik in Altrohlau erfolgte durch die Firma Ing. Fritsch & Weidemann. Als durch das Bankhaus Schmidt & Co. 1883 die Porzellanfabrik“Viktoria“ errichtet wurde, entwickelte sich dieses Unternehmen zu einer der größten Porzellanfabriken Böhmens mit über 2000 Arbeitern. Als viertes Großuntemehmen erfolgte 1904 die Gründung der Porzellanfabrik Schneider & Co.

Wie für Karlsbader Glaswaren war Goethe, der von 1785-1823 dreizehnmal Karlsbad besuchte, auch ein großer Bewunderer für Karlsbader Porzellan. Er besuchte wiederholt die Porzellanfabriken in Pirkenhammer, Elbogen und Dallwitz, wo er auch ein Tafelservice erwarb, und war mit dem Altrohlauer Porzellanfabrikanten Haßlacher und den Brüdem Haidingerin Elbogenaufs beste bekannt. Noch heute hat sich das Karlsbader Kunstporzellan seinen bevorzugten Platz auf dem Weltmarkt erhalten.

Die Tschechen haben damit ein sehr ergiebiges sudetendeutsches Erbe übernommen.’Die böhmische Porzellanindustrie beschäftigte vor 1945 ungefähr 14000 Arbeiter in 60 Fabriken, von denen die Hälfte in den Kreisen Karlsbad und EIbogen lagen. Die Karlsbader Porzellanindustrie war zu 85% auf den Export angewiesen. Eine eigene „Staatsfachschule für Porzellanindustrie“, die 1923/24 vom Porzellan-Industriellen-Verband in Karlsbad Fischern errichtet wurde und die als die beste ihrer Art in der ganzen Welt bezeichnet wurde – mit so hervorragenden Künstlern als Lehrkräfte wie Schickl, Mörtl, Hegenbarth und Waldemar Fritsch -, gab der Industrie immer wieder neue Impulse zu künstlerischer Gestaltung.

Karlsbader Porzellanindustrie vor 1945

Ort / Manufaktur Gründungsjahr & Kurzbeschreibung
Březová (Pirkenhammer) – Fischer & Mieg 1803, eine der ältesten böhmischen Porzellanfabriken, Luxusporzellan; später in Thun integriert
Chodov (Chodau) – Concordia Porzellanfabrik 1881, spezialisiert auf Alltags- und Hotelporzellan; Export nach ganz Europa
Dalovice (Dallwitz) – Pfeiffer & Löwenstein 1873, hochwertige Tafelservices, Zierporzellan, viel Export in die USA
Horní Slavkov (Schlaggenwald) – Bohemia 1792, berühmt für Hartporzellan und Goldmalerei; großer Exportanteil
Karlovy Vary (Karlsbad) – Ludwig Porzellanfabrik 1904, dekoratives Porzellan, Kaffeeservice, Andenkenporzellan für den Kurort
Klášterec nad Ohří (Klösterle) – Thun’sche Porzellanfabrik 1794, Tafel- und Zierporzellan; größte Porzellanmanufaktur Böhmens
Loket (Elbogen) – Porzellanfabrik Loket 1815, feines Zierporzellan und Servicegeschirr
Nová Role (Neurohlau) – Haas & Czjzek 1792, einer der wichtigsten Hersteller von Tafel- und Hotelporzellan, großer Export
Ostrov (Schlackenwerth) – Porzellanfabrik Schlackenwerth 1878, Haushalts- und Zierporzellan; regionale Bedeutung
Žlutice (Luditz) – Porzellanfabrik Luditz 1900, Gebrauchs- und Hotelporzellan; kleine Serienproduktion

Timeline – Karlsbader Porzellanindustrie vor 1945

1792 – Horní Slavkov (Schlaggenwald)
Gründung der Porzellanfabrik Bohemia, berühmt für Hartporzellan und Goldmalerei, hoher Exportanteil.
1792 – Nová Role (Neurohlau)
Gründung von Haas & Czjzek, einer der größten Produzenten von Tafel- und Hotelporzellan in Böhmen.
1794 – Klášterec nad Ohří (Klösterle)
Gründung der Thun’schen Porzellanfabrik, größter Hersteller von Tafel- und Zierporzellan in Böhmen.
1803 – Březová (Pirkenhammer)
Fischer & Mieg etablieren eine Luxusporzellanproduktion, später weltbekannt für feines Dekor.
1815 – Loket (Elbogen)
Gründung der Porzellanfabrik Loket, spezialisiert auf feines Zier- und Serviceporzellan.
1873 – Dalovice (Dallwitz)
Gründung von Pfeiffer & Löwenstein, Hersteller von hochwertigen Services, Export in die USA.
1878 – Ostrov (Schlackenwerth)
Porzellanfabrik Schlackenwerth produziert Haushalts- und Zierporzellan, regionale Bedeutung.
1881 – Chodov (Chodau)
Gründung der Concordia Porzellanfabrik, spezialisiert auf Alltags- und Hotelporzellan.
1900 – Žlutice (Luditz)
Porzellanfabrik Luditz mit Produktion von Gebrauchs- und Hotelporzellan in kleinen Serien.
1904 – Karlovy Vary (Karlsbad)
Gründung der Ludwig Porzellanfabrik, spezialisiert auf dekoratives Kurort- und Andenkenporzellan.
Vergleichs-Timeline – Bayerische & Karlsbader Porzellanindustrie

Vergleichs-Timeline – Bayern vs. Karlsbad/Böhmen

Zentrale Gründungen und Entwicklungsschritte beider Porzellanlandschaften – komprimiert und gut vergleichbar.

Bayern – Schlüsselereignisse
1747
München – Nymphenburg
Hofmanufaktur der Wittelsbacher; Figuren (Bustelli) & luxuriöse Services.
1814
Hohenberg a. d. Eger – C. M. Hutschenreuther
Startpunkt der oberfränkischen Industrieregion; feines Hartporzellan.
1857
Selb – Hutschenreuther (Lorenz)
Selb entwickelt sich zum Porzellan-Cluster von Weltrang.
1879
Schönwald – (später Schönwald AG)
Früher Fokus auf Tafel- & Hotelporzellan; später Verbund mit Kahla.
1881
Weiden – Bauscher
Pionier im Hotel-/Gastrosegment; robuste, funktionale Formen.
1887
Arzberg – Porzellanfabrik Arzberg
Design-Ikonen, später Form 1382 (Gretsch): funktional & modern.
1901
Vohenstrauß – Seltmann (Johann)
Ausbau der Serienfertigung; langlebiges Gebrauchs- & Hotelporzellan.
1904–1909
Schwarzenhammer / Schirnding
Neue Werke & AG-Gründungen; stärkere Export- und Verbundstrukturen.
1910–1930er
Weiden / Bayreuth u. a.
Professionalisierung Hotelporzellan; Design & Serien konsolidieren.
bis 1945
Nordostbayern (Fichtelgebirge/Oberpfalz)
Dichtes Werksnetz (Selb, Tirschenreuth, Marktredwitz); starke Exportorientierung.
Karlsbad/Böhmen – Schlüsselereignisse
1792
Horní Slavkov (Schlaggenwald) – Bohemia
Hartporzellan, Goldmalerei; früher Exporttreiber der Region.
1792
Nová Role (Neurohlau) – Haas & Czjzek
Tafel- & Hotelporzellan in großer Breite; internationale Märkte.
1794
Klášterec n. O. (Klösterle) – Thun
Größter Hersteller Böhmens; später Integrationskern (Thun-Gruppe).
1803
Březová (Pirkenhammer) – Fischer & Mieg
Luxus- & Zierporzellan; weltweite Reputation.
1873
Dalovice (Dallwitz) – Pfeiffer & Löwenstein
Feine Services, starker USA-Export.
1881
Chodov (Chodau) – Concordia
Alltags-/Hotelporzellan; ergänzt das regionale Portfolio.
1878–1904
Ostrov / Karlovy Vary
Schlackenwerth & Ludwig: Haushalts- und Kurort-Andenkenporzellan.
bis 1945
Karlovarský kraj
Hohe Exportquote, starke Verflechtung mit deutschen Märkten.
Bayern Karlsbad/Böhmen

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