Einführung & Hintergrund
Im Jahr 1973 entschloss sich der Vorstand der Hutschenreuther AG, die Porzellanfabrik und das Tonwarenwerk in Schwandorf (Oberpfalz) neu zu strukturieren. Die Werke waren vormals Teil der Porzellanfabrik Arzberg sowie Produktionsstätten für Feuerton- und Sanitätskeramik. Mit der Fusion Hutschenreuthers mit dem Kahla-Konzern gingen die Schwandorfer Fabriken auf das Selber Unternehmen über.
Da die wirtschaftliche Lage angespannt war, stellte man die Produktion um: Der größte Teil der Hallen wurde für die Fertigung von Sanitärkeramik umgerüstet. Ein Seitentrakt wurde der Hotelporzellanfabrik Bauscher in Weiden überlassen, während die weitläufigen Lagerflächen an die Deutsche Steinzeuggesellschaft, Köln, vermietet wurden.
Kooperation & Gründung
Neben Hutschenreuther beteiligte sich die Keramag, Ratingen, mit 50 % am neuen Werk. Hutschenreuther brachte Maschinen und Anlagen ein, während Keramag Kapital zur Verfügung stellte. Dieses Bündnis wurde im Oktober 1973 feierlich mit der Zündung des neuen Sanitärtunnelofens durch Staatssekretär Sackmann begründet.
Die Organgesellschaft verfügte zunächst über ein Stammkapital von 100.000 DM, wurde jedoch bereits 1974 in eine Gesellschaft öffentlichen Rechts umgewandelt und mit drei Millionen DM ausgestattet. Rund 400 Mitarbeiter aus den beiden Schwandorfer Vorgängerwerken fanden hier eine neue Anstellung.
Produktion & Materialien
Besonders wertvoll für die neue Sanitärproduktion waren die erfahrenen Hilfskräfte, die ihre Kenntnisse aus der Feuertonfertigung erfolgreich einbrachten. Anders als bei klassischem Porzellan („weißes Gold“) wurden die Sanitärteile bei rund 1200 °C gebrannt und erhielten so Eigenschaften ähnlich dem Vitreous China.
Hergestellt wurden Toilettenschüsseln und Waschbecken, deren Vertrieb von Keramag übernommen wurde. Damit war Schwandorf in das internationale Netzwerk der Muttergesellschaft ALLIA-Doulton eingebunden.
Wirtschaftliche Entwicklung
In den Folgejahren stieg der Mechanisierungsgrad deutlich, parallel zur Entwicklung der gesamten Branche. Jährlich wurden rund 250.000 Teile gefertigt. Die Produktion hing stark von der Baukonjunktur ab, konnte aber dennoch stabile Ergebnisse erzielen.
Wie der Geschäftsbericht 1983 der Hutschenreuther AG zeigt, war die Entwicklung weiterhin zufriedenstellend. Im selben Jahr feierte die Hutschenreuther Keramag GmbH ihr zehnjähriges Jubiläum.
Bedeutung & Rezeption
Die Gründung der Keramag Schwandorf stellte einen wichtigen Meilenstein für die Region dar: Einerseits wurden Arbeitsplätze gesichert, andererseits gelang der Anschluss an den internationalen Sanitärmarkt. Keramag Schwandorf wurde so zu einem Beispiel für erfolgreiche Restrukturierung in der Oberpfalz.
Literatur & Quellen
Archivmaterial der Hutschenreuther AG und Keramag GmbH, Geschäftsberichte 1973–1983. Zeitzeugenberichte ehemaliger Mitarbeiter aus Schwandorf. Unternehmenschronik: Porzellan und Keramik in der Oberpfalz.
Historischer Kontext: Kahla Ost & West
Die Erwähnung des „Kahla-Konzerns“ im Jahr 1973 bezieht sich nicht auf den gleichnamigen Betrieb in der DDR, sondern auf die westdeutsche Nachfolgegesellschaft. Nach 1945 war das traditionsreiche Porzellanwerk Kahla in Thüringen enteignet und als VEB Porzellanwerk Kahla Teil der DDR-Wirtschaft geworden.
Parallel dazu existierten im Westen Kahla-Beteiligungen, die Werke in Bayern und Franken führten – unter anderem in Schwandorf und Arzberg. Diese westdeutsche Gesellschaft wurde 1973 von der Hutschenreuther AG übernommen und in deren Strukturen integriert.
👉 Damit ist klar: Die „Fusion“ betraf allein die westdeutschen Werke des Kahla-Konzerns, nicht jedoch den volkseigenen Betrieb in der DDR.
Timeline – Keramag Schwandorf
Meilensteine der Entwicklung von der Umstrukturierung bis zum Jubiläum