Meissner Porzellan

Die Porzellanerfindung in Meißen – Ursprung des europäischen Hartporzellans

Zwischen Hofkunst, Naturforschung und Staatsgeheimnis: Wie es um 1708/1710 in Sachsen gelang, das lange gesuchte Hartporzellan herzustellen – und warum Meißen damit die europäische Keramikgeschichte dauerhaft prägte.

Voraussetzungen: Alchemie, Hof und Ressourcen

Anfang des 18. Jahrhunderts war das feine „weiße Gold“ aus China und Japan in europäischen Fürstenhöfen begehrt, aber teuer und technisch unerreicht. In Sachsen vereinten sich mehrere Faktoren, die schließlich zur Erfindung führten: der experimentelle Geist der Zeit, die finanzielle und politische Unterstützung Augusts des Starken, das naturwissenschaftliche Wissen gelehrter Kreise – sowie geeignete regionale Rohstoffe. Im Spannungsfeld von Alchemie und aufkommender Chemie suchte man zunächst nach der Transmutation von Metallen; der Forschungsfokus verschob sich dann zunehmend auf glas- und keramische Schmelzen.

Die Erfindung: 1708 – 1710

Um 1708 gelang in Dresden die erste verlässliche Herstellung eines echten europäischen Hartporzellans. Zentral sind die Namen Johann Friedrich Böttger (1682–1719) und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651–1708). Tschirnhaus brachte physikalisch-chemisches Wissen, Hochtemperaturversuche und experimentelle Apparaturen ein; Böttger führte die Arbeiten mit großer Beharrlichkeit fort und entwickelte die Rezepturen weiter. Entscheidende Bedeutung hatte der Nachweis geeigneter Rohstoffe in Sachsen – insbesondere Kaolin (Porzellanerde) und feldspatreiche Gesteine aus Lagerstätten im Erzgebirge/Raum Aue–Colditz.

Am 6. Juni 1710 erfolgte die offizielle Gründung der Königlich-Polnischen und Kurfürstlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur in der Albrechtsburg zu Meißen. Das Arkanum – die genaue Mischung und das Brennverfahren – wurde zum Staatsgeheimnis erklärt, die Produktion organisatorisch wie militärisch gesichert. Aus der Experimentierkunst wurde binnen kurzer Zeit ein leistungsfähiges, frühindustrielles Gewerbe.

Material & Technik: Was Hartporzellan auszeichnet

Europäisches Hartporzellan besteht im Kern aus Kaolin, Feldspat und Quarz. Bei Brenntemperaturen um 1.350 °C entsteht ein dicht gesinterter, vitreous Scherben mit hoher Festigkeit, Klang und Lichtdurchlässigkeit. Feldspat wirkt als Flussmittel; die Alkalien bilden eine Glasphase, die Quarz- und Kaolinitkristalle bindet. Im Unterschied zu weicher gebrannten Fayencen und Weichporzellanen der Zeit erreichte Meißen eine bislang unbekannte Kombination aus Härte, Resonanz und Beständigkeit – die Grundlage für den raschen Ruhm der Manufaktur.

Form, Farbe, Bildsprache – vom Labor zur Hofkunst

Bereits in den 1720er Jahren wechselte der Schwerpunkt von der reinen Materialeroberung zur künstlerischen Ausformung. Die frühe Dekorsprache orientierte sich an Ostasien (Kakiemon-, Imari-Bezüge), wurde jedoch bald durch eigenständige europäische Motive erweitert. Prägend wirkten der Malereidirektor Johann Gregorius Höroldt (ab 1720) mit seinem reichhaltigen Farb- und Motivkanon sowie der Modelleur Johann Joachim Kändler (ab 1731), dessen Figurinen – höfische Genreszenen, Tiere, Allegorien – die barocke Plastik in das Medium Porzellan übersetzten. Form und Dekor verbanden technische Virtuosität mit höfischer Repräsentation und marktwirksamer Eleganz.

Wirkungsgeschichte: Maßstab für Europa

Der Meissener Durchbruch setzte europaweit eine Welle von Gründungen in Gang. Zahlreiche Höfe versuchten, das „Geheimnis“ zu kopieren; nicht wenige Manufakturen wurden von abgewanderten Fachkräften, Rezeptfragmenten oder gezielten Staatsinteressen gespeist. Trotz späterer Konkurrenz – Berlin, Wien, Sèvres, später Nymphenburg, Höchst, Fürstenberg u. a. – blieb Meißen im 18. Jahrhundert Referenz für Materialgüte, Farbpalette und künstlerische Ausformung. Die Verbindung aus sächsischer Rohstoffbasis, experimenteller Forschungstradition und straffer Hoforganisation erwies sich als historisch einmalige Konstellation.

Timeline – Schlüsseljahre

um 1708

Erste verlässliche Herstellung europäischen Hartporzellans in Dresden.

1710

Gründung der Meissener Porzellanmanufaktur in der Albrechtsburg.

ab 1720

Höroldt-Farbpalette & eigenständige Dekorsprache.

ab 1731

Kändler-Ära: Figurinenkunst als europäische Leitgattung.

Fazit

Die Meissener Erfindung des Hartporzellans ist kein Zufallsfund, sondern das Resultat disziplinierter Experimente, kluger Ressourcenpolitik und eines geschlossenen Hofsystems. Sie schuf die technische und ästhetische Grundlage, auf der Europa eine eigenständige Porzellankultur entwickelte – mit Meißen als dauerhaftem Bezugspunkt. Wer das „weiße Gold“ der Aufklärung verstehen will, muss in der Albrechtsburg beginnen.

porzellanselb

Ich kaufe Porzellan überwiegend von Rosenthal und KPM von 1950 bis 1980 Studio-Line, Hubert Griemert, Tapio Wirkala, Victor Vasarely, Grießhaber, Otto Piene, Wolf Karnagel und viele mehr.