Steingut- & Porzellanfabrik Bareuther – Waldsassen (1866–1994)
Von der Steingutfabrik des Johann Mathäus Riess bis zur Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co. AG: technische Modernisierung, rasches Wachstum, Zerstörung und Wiederaufbau – und schließlich das Ende durch globalen Wettbewerbsdruck.



Steingutfabrik Johann Mathäus Riess (1866–1885)
1866 gründete der frühere Oberdreher der C. M. Hutschenreuther-Fabrik in Hohenberg, Johann Mathäus Riess (geb. in Ottenlohe), in Waldsassen eine eigene Steingutfabrik – verstarb jedoch bereits ein Jahr später. Sein Sohn Johann Riess übernahm den Betrieb und begann 1875 zusätzlich mit der Porzellanproduktion.
Wirtschaftliche Probleme führten schließlich 1884 zur Veräußerung an Wilhelm Schreider (Schwarzenhammer); zu diesem Zeitpunkt beschäftigte das Werk rund 100 Personen. Bereits 1885 verkaufte Schreider die Anlage weiter.
Porzellanfabrik Jena, Bareuther & Co. (1885–1887)
1885 übernahmen die Industriellen Max Jena (Selb), Ernst Ploß (Asch) und Oskar Bareuther (Haslau) den Betrieb. Nach Modernisierungen stiegen Qualität und Ausstoß spürbar.
1887 schied Max Jena aus der Gesellschaft aus – das Unternehmen wurde umfirmiert.
Porzellanfabrik Bareuther & Co. (1887–1904)
Unter Bareuther & Ploß wurde das Werk kontinuierlich ausgebaut: 1890 rund 150 Beschäftigte; später standen 7 Rundöfen und ein eigenes Dekorationsfeuer zur Verfügung. Kooperationen, u. a. mit der Porzellanfabrik Königszelt AG (Schlesien), sorgten für Technologietransfer – bekanntes Beispiel: „Indisch Blau“.
Die Nachfrage wuchs rasant. Mit dem Einstieg des Kaufmanns R. Schmerler (Eger) 1902 wurden weitere Investitionen möglich (u. a. 130-PS-Dampfmaschine von Rockstroh, Marktredwitz). 1904 zählte die Belegschaft bereits 600 Personen; am 29. September 1904 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Porzellanfabrik Bareuther & Co. AG (1904–1969)
Belegschaftszahlen: 1906/1913 ca. 600, 1930 ca. 700, 1937 ca. 650. Mit zwölf Großöfen zählte man zur Spitzengruppe der Branche; Qualitäts- und Investitionspolitik legten die Basis für den Wiederaufbau nach dem Krieg.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Werk nahezu vollständig zerstört. Nach 1945 organisierte die Leitung die Rückkehr vieler Fachkräfte – u. a. aus der aufgelösten Porzellanfabrik Königszelt AG. Bereits 1947 liefen erste einfache Produkte, 1949 war das Werk wieder voll einsatzfähig (417 Beschäftigte).
Zwischen 1955 und 1965 gehörte Bareuther erneut zu den größten Herstellern Deutschlands. Am 1. Juli 1969 fusionierte man mit Gareis, Kühnl & Cie. – neue Firma: Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co. AG; insgesamt nun rund 1.000 Beschäftigte. 1979 erinnerte die Marke „Königszelt Bayern“ an die langjährige Verbindung.
Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co. AG (1969–1994)
Nach der Fusion erreichte Bareuther Platz 6 unter den deutschen Porzellanherstellern. Ab den 1990er-Jahren setzten Billiglohn-Konkurrenz und Markteinbruch der Branche ein – mit Stellenabbau, schließlich Insolvenz 1994 und Löschung aus dem Handelsregister 1996.
Mehrere Verwertungsversuche scheiterten u. a. wegen hoher Altlastensanierung. 2002 übernahm der Freistaat Bayern die Sanierung, 2006 begann der Abriss; heute befindet sich dort ein Einkaufszentrum.
Timeline – Bareuther & Co. (Waldsassen)
1866–1867
Gründung Riess (Steingut) in Waldsassen; früher Tod des Gründers.
1875
Beginn Porzellanproduktion unter Johann Riess.
1884–1885
Verkauf an Wilhelm Schreider; Weiterverkauf im Folgejahr.
1885–1887
Jena, Bareuther & Co.; Modernisierung, Qualitätsaufbau.
1887–1904
Bareuther & Co.; starke Expansion, 7 Rundöfen + Dekorofen, 600 MA (1904).
1904
Umwandlung in die AG.
1947–1949
Wiederaufbau; 1949 voll betriebsfähig, 417 MA.
1969
Fusion mit Gareis, Kühnl & Cie. → Porzellanfabrik Waldsassen Bareuther & Co. AG (~1.000 MA).
1994–1996
Insolvenz; Löschung aus dem Handelsregister.
2002–2006
Bodensanierung (Freistaat Bayern); Abriss und Nachnutzung.
Interne Vernetzung – Oberpflälzische Porzellanregion
Diese Übersicht verbindet die wichtigsten Standorte und Unternehmen im Netzwerk der Porzellanindustrie: Gareis, Bareuther, Mitterteich und Tirschenreuth. Alle vier prägten die Region durch Tradition, Export und Designlinien.
Porzellanfabrik Gareis, Kühnl & Co.
Gegründet 1899 in Waldsassen, später mit Kühnl & Stark geführt, prägte Gareis die Serienproduktion im 20. Jahrhundert.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Gareis“Porzellanfabrik Bareuther & Co.
Seit 1885 in Waldsassen ansässig, bekannt für Serien wie „Indisch Blau“. Fusion 1969 mit Gareis, Kühnl & Co.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Bareuther“Porzellanfabrik Mitterteich
Seit 1895 bedeutender Produzent. Mit Werken A, B, C und bis zu 800 MA wichtiger Teil der Oberpfälzer Industrie.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Mitterteich“Porzellanfabrik Tirschenreuth
Seit 1838 aktiv, im 20. Jahrhundert mit Dekoren wie „Juliette“ oder „Rhapsodie“ international erfolgreich.
➜ Zum Artikel „Porzellanfabrik Tirschenreuth“Tirschenreuth Porzellan
Übersicht zu Markenentwicklung, Dekoren und Bedeutung der Tirschenreuther Produktion seit dem 19. Jahrhundert.
➜ Zur Übersicht „Tirschenreuth Porzellan“