Porzellanfabrik Tirschenreuth

Geschichte der Porzellanfabrik Tirschenreuth

Ein traditionsreiches Unternehmen der Oberpfalz mit Wurzeln im frühen 19. Jahrhundert und enger Verbindung zur deutschen Porzellanindustrie.

Am 14. November 1830 erschien im Kreisintelligenzblatt der kgl. Regierung des Obermainkreises in Bayreuth eine Bekanntmachung, dass in der Nähe des Pfarrdorfes Wondreb bei Tirschenreuth „Porcelain Erde“ aufgefunden worden sei. Daraufhin trat Heinrich Eichhorn aus Schney bei Lichtenfels in Verhandlungen mit der Stadt und dem Landgericht in Tirschenreuth wegen Errichtung einer Porzellanfabrik. Diese Verhandlungen erstreckten sich von 1832 bis 1838.

Die Stadt und ihre Bürger setzten dem Gesuch große Schwierigkeiten entgegen. In einem Protokoll vom 14. Januar 1833 hieß es unter anderem:

„Die Errichtung einer Porzellan Fabrike dahier ist weder notwendig, noch nützlich, … Die Etablierung einer solchen Fabrike würde den gegenwärtigen Holzzustand noch mehr in Anspruch nehmen, Theuerung und Mehrung des ohnehin schon hohen Holzpreises erwecken …“
Ansicht Porzellanfabrik Tirschenreuth
Urkunde zur Konzession der Porzellanfabrik Tirschenreuth (1833)

Trotz dieser Proteste erteilte die Regierung am 1. März 1833 die Bewilligung zum Bau einer Porzellanfabrik mit einem Brennofen. Die Bauvollendung verzögerte sich jedoch bis 1838, als auch die Genehmigung für jährlich 100 Klaften Brennholz erteilt wurde.

Durch den Beschluss des Landgerichts Tirschenreuth vom 28. Juli 1846 erhielt Eichhorn die Bewilligung zur Erbauung eines zweiten Brennofens. Trotz erneuter Proteste der Stadt wurde dieses Vorhaben durchgesetzt. Heinrich Eichhorn war zugleich Mitbesitzer der Porzellanfabrik Eichhorn & Co. in Schney, sodass Tirschenreuth zunächst als Filialbetrieb anzusehen war. Kassenbücher belegen, dass das Stammhaus in Schney regelmäßig finanzielle Zuschüsse leisten musste.

Nach Überwindung der Anfangsschwierigkeiten nahm die Entwicklung der Fabrik ihren Lauf. In den folgenden Jahrzehnten wechselte das Werk mehrfach die Besitzer, darunter Edmund Tittel, Friedrich Muther und August Bauscher.

Unter der Firma Muther & Mezger begann der eigentliche Aufstieg. Erweiterungen, der Einsatz einer Dampfmaschine und Grundstückskäufe folgten. Am 3. März 1880 zerstörte ein Großfeuer Teile der Anlage. Mezger ließ sofort neu bauen: zwei Brennöfen, eine Massemühle und ein Lagergebäude entstanden. Am 12. Dezember 1891 wurde die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft beschlossen.

Porzellanfabrik Tirschenreuth historische Ansicht
Historische Ansicht der Porzellanfabrik Tirschenreuth

1902 wurde mit dem Bau der Bahn Tirschenreuth–Bärnau das Pegmatitwerk in Schmelitz gegründet. 1903 folgte die Schönhaiden Kaolin- und Kapselerdegruben GmbH. Nach dem Tod von Karl Gotthold Mezger 1908 führte Johannes Schlipphak das Unternehmen durch Krisenjahre, Inflation und Krieg.

1926 verstarb Schlipphak, 1927 ging die Fabrik durch Fusion an die Lorenz Hutschenreuther AG in Selb über. Damit wurde Tirschenreuth Teil eines der größten Porzellanunternehmen Deutschlands. In den 1970er Jahren entwickelte sich die Fabrik zu einer der leistungsfähigsten Qualitätsporzellanfabriken Ostbayerns mit starkem Exportanteil.

Abnehmer waren u. a. der Schah von Kuwait, die Republik Ghana, die Stadt Rotterdam (Staatsempfang für Königin Elisabeth II.) sowie zahlreiche Botschaften und Adelsfamilien.

Die Marktstellung verdankte Tirschenreuth der Arbeit von Generationen tüchtiger Porzelliner, moderner Produktionsanlagen und der Einbindung in die Lorenz Hutschenreuther AG. Ein Rundschreiben von 1951 betonte, dass aufgrund hoher Auftragslage keine zusätzlichen Reiseaufträge angenommen werden konnten.

Bis in die Gegenwart bleibt der Name Tirschenreuth ein Synonym für feines Porzellan aus der Oberpfalz – eine Verbindung von Tradition, Qualität und internationaler Reputation.

Timeline – Porzellanfabrik Tirschenreuth

1830

Fund von „Porcelain Erde“ bei Wondreb (Bekanntmachung im Kreisintelligenzblatt).

1832–1838

Verhandlungen von Heinrich Eichhorn (Schney) mit Stadt/Landgericht Tirschenreuth zur Fabrikgründung.

01.03.1833

Bewilligung zum Bau einer Porzellanfabrik mit einem Brennofen.

1838

Bauvollendung; Genehmigung für jährlich 100 Klaften Brennholz.

1839

Kassenbuchbeleg: monatliche Zuschüsse aus dem Stammhaus Schney.

1846–1848

Bewilligung zweiter Brennofen (1846/47); erneute Proteste der Stadt (1848).

1880–1891

Großbrand (03.03.1880) → Wiederaufbau/Erweiterung; Umwandlung in AG (12.12.1891).

1902–1903

Pegmatitwerk Schmelitz (1902) & Gründung Schönhaiden Kaolin- und Kapselerdegruben GmbH (1903).

1907–1908

Weitere Neubauten moderner Prägung verdoppeln die Anlagengröße; Tod Kommerzienrat K. G. Mezger (15.12.1908).

1926–1927

Tod Generaldirektor Kommerzienrat Schlipphak (1926); Fusion mit Lorenz Hutschenreuther AG (1927).

1951

Rundschreiben: Hohe Auftragslage – keine zusätzlichen Reiseaufträge möglich.

1970er & später

Leistungsfähige Qualitätsporzellanfabrik der Oberpfalz; hoher Exportanteil (u. a. Italien, Skandinavien, Benelux, Frankreich); Repräsentativ-Services für internationale Auftraggeber.

Urkunde Konzession Porzellanfabrik Tirschenreuth
Urkunde Konzession Porzellanfabrik Tirschenreuth (1833)

Urkunde zur Konzession

Die abgebildete Urkunde dokumentiert die Konzession zur Gründung der Porzellanfabrik Tirschenreuth, die im Jahr 1833 durch die königliche Regierung des Obermainkreises erteilt wurde. Damit wurde der langjährige Widerstand der Stadtvertretung überwunden und die Grundlage für die spätere Entwicklung des Werks geschaffen.

Die Konzession erlaubte den Betrieb eines Brennofens und die Nutzung von jährlich 100 Klaften Brennholz aus staatlichen Forsten. Diese Urkunde gilt heute als Schlüsselzeugnis für die industrielle Geschichte der Region Tirschenreuth und den Beginn der Porzellanproduktion im Oberpfälzer Raum.

Interne Vernetzung – Oberpflälzische Porzellanregion

Diese Übersicht verbindet die wichtigsten Standorte und Unternehmen im Netzwerk der Porzellanindustrie: Gareis, Bareuther, Mitterteich und Tirschenreuth. Alle vier prägten die Region durch Tradition, Export und Designlinien.

porzellanselb

Ich kaufe Porzellan überwiegend von Rosenthal und KPM von 1950 bis 1980 Studio-Line, Hubert Griemert, Tapio Wirkala, Victor Vasarely, Grießhaber, Otto Piene, Wolf Karnagel und viele mehr.