Wenn man von der offiziellen Eröffnung der Staatlichen Fachschule für Porzellan am 1. April 1909 – damals benannt als „Fachschule für Porzellanindustrie“ – zurückblickt, so findet man als erstes schriftliches Dokument im Staatsarchiv Bamberg einen Antrag vom Kommerzienrat Philipp Rosenthal in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des „Verbandes der Porzellan-Industriellen von Oberfranken und Oberpfalz“, datiert vom 9. Februar 1901 und gerichtet an die „Königlich Bayerische Kreisregierung von Oberfranken in Bayreuth“. In diesem Schreiben wird dringlichst gebeten, in Oberfranken eine Zeichen- und Modellschule zur Förderung der keramischen Industrie zu errichten. Es wird erwähnt, daß man von der Planung einer Zeichen- und Malschule in Weiden vernommen habe und verdeutlicht, daß in Oberfranken fünfmal so viel Arbeiter in der Porzellanindustrie beschäftigt seien, als in der Oberpfalz. Deswegen komme auch nur Selb oder Hof für die Errichtung einer solchen Schule in Frage.
Anscheinend muß diese Malschule in Weiden schon vor längerer Zeit geplant gewesen sein und auch zur Entscheidung angestanden haben, da Philipp Rosenthal schon 4 Tage nach seinem 1. Antrag am 13. Februar 1901 ein weiteres Schreiben an die Regierung von Oberfranken richtete, in dem er kurz und lapidar ergänzend mitteilt, daß die in Oberfranken erzeugten „Porzellan-Gebrauchsgeschirre in der Hauptsache nach Amerika expediert werden“. Als weitere wichtige Exportländer gibt er Dänemark, Schweden, Norwegen, Schweiz, Holland, Belgien und England an. Weniger umfangreich bezeichnet er die Ausfuhr nach Rußland. Frankreich und Italien.
Obwohl er in diesem Brief kein Wort über die Bedeutung des Exportes für die Bayerische Wirtschaft verliert, muß dieser sachliche aber deutliche Hinweis sehr effektiv gewesen sein. Am 31. Mai 1901 verfügt das „Königliche Bayerische Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten“ in München, daß in Weiden keine Malschule errichtet wird. Damit war zwar vorläufig ein aktueller Konkurrent ausgeschaltet, aber das Ringen um die tatsächliche Neugründung einer Fachschule für Porzellan war noch lange nicht ausgestanden.
In den folgenden Jahren mußten vom Verband der Porzellanindustriellen von Oberfranken und Oberpfalz Denkschriften und Untersuchungen über den Zweck und die Organisationsform der Schule ausgearbeitet werden, die mit jeweiligen, erfreulicherweise überwiegend positiven Stellungsnahmen der Regierung von Oberfranken dem Staatsministerium in München vorgelegt wurden. Auch über den Standort der Schule wurde schon am 12. August 1902 auf Betreiben von Kommerzienrat Rosenthal im Selber Stadtmagistrat unter Bürgermeister Pöhlmann ein Beschluß gefaßt, in dem sich Selb verpflichtete, geeignete Schulräume zur Verfügung zu stellen. Die Aussichten für die Fachschule in Selb schienen sich, wenn auch langsam, positiv zu entwickeln. Anscheinend völlig überraschend und unerwartet erhält die Regierung von Oberfranken mit Datum vom 5. Januar 1904 aus dem Bayerischen Staatsministerium eine schriftliche Anweisung, den Verband der Porzellanindustriellen von der Entscheidung zu unterrichten, daß wahrscheinlich die Bedürfnisse der Porzellanindustrie hin- sichtlich der Ausbildung des fachlichen Nachwuchses von den bereits bestehenden Fachschulen in Landshut (Töpferei) und Zwiesel (Glas) abgedeckt werden können.