Selb – die Stadt des Porzellans
Kaum zu glauben, dass in den 1920er Jahren elf Fabriken und fünf Malereien in Selb Tausende Menschen beschäftigten. Doch war dieser wirtschaftliche Aufschwung wirklich so harmonisch, wie oft beschrieben? Bereits 1858 legte Lorenz Hutschenreuther in Ludwigsmühle den ersten Grundstein – doch war seine Vision von Tradition und Innovation ein Segen oder ein späterer Prüfstein für die Region?
Nur neun Jahre später folgte mit J. Zeidler & Co. die zweite Manufaktur am Bahnhof Selb, strategisch günstig an der Strecke Hof–Selb–Eger gelegen. 1887 stieg Philipp Rosenthal in den Ring, ein Pionier, der moderne Formen propagierte. Bald darauf – 1889 durch Paul Müller und 1898/99 durch Heinrich & Co. – entstanden weitere Wettbewerber. War es reiner Unternehmergeist oder bereits skrupelloser Konkurrenzdruck, der 1906/07 die Firma Jäger & Co. hervorbrachte, ehe sie in Hutschenreuthers Hände gelangte?
Zwischen 1912 und 1913 gingen Gräf & Krippner sowie Krautheim & Adelberg an den Start, 1919 kam Zeidler & Pürucker hinzu, 1920 die Gebrüder Hofmann. 1928 schließlich wurde mit der Oberfränkischen Porzellanfabrik die elfte Produktionsstätte eröffnet – und damit der Gipfel des Porzellanzentrums erreicht. Doch wie verhielt es sich mit der Qualität, wenn so viele Hersteller um Absatz kämpften? Dass Rosenthal, Krautheim & Adelberg, Heinrich und Hutschenreuther zu den bekanntesten zählten, bestätigt zwar ihre Marktführerschaft – doch wer kontrollierte eigentlich Standards und Fairness?
Tradition, Innovation und internationales Renommee
Selb, im oberfränkischen Fichtelgebirge gelegen, ist seit über einem Jahrhundert untrennbar mit der Porzellanherstellung verbunden. Die Stadt trägt zu Recht den Beinamen „Porzellanstadt“, denn hier wurden weltbekannte Marken geprägt, die bis heute Sammler und Liebhaber begeistern. Seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelte sich Selb zu einem Zentrum der Porzellanindustrie und steht bis heute für höchste Handwerkskunst und kreative Gestaltung.
Der Grundstein für diesen Aufstieg wurde 1857 gelegt, als Lorenz Hutschenreuther in Selb seine Porzellanfabrik gründete. Was zunächst als lokales Handwerk begann, wuchs in den folgenden Jahrzehnten zu einer florierenden Industrie heran. Bald folgten weitere bedeutende Unternehmen, allen voran Rosenthal, das 1879 gegründet wurde und die Stadt durch seine künstlerischen Innovationen weltberühmt machte. Auch Firmen wie Heinrich & Co. oder Krautheim trugen zum industriellen Profil der Stadt bei.
Die wirtschaftliche Blütezeit der Porzellanstadt lag zwischen dem späten 19. Jahrhundert und den 1970er-Jahren. In dieser Zeit arbeiteten Tausende von Menschen in den Werkshallen, formten, glasierten und bemalten Porzellan für den internationalen Markt. Neben dem Massenmarkt entwickelte sich auch ein starkes Segment für künstlerisch anspruchsvolle Porzellanobjekte – limitierte Editionen, figürliche Darstellungen und aufwendig dekorierte Service.
Heute präsentiert sich Selb als Stadt, die ihre Tradition pflegt und gleichzeitig neue Wege geht. Historische Fabrikgebäude wurden zu Museen, Ateliers und Ausstellungsflächen umgewandelt. Das Porzellanikon, das staatliche Museum für Porzellan mit Standorten in Selb und Hohenberg, bietet einen umfassenden Einblick in die Geschichte und die Technik der Porzellanherstellung. Es ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt.
Neben der Traditionspflege spielt auch die Gegenwart und Zukunft der Porzellanproduktion eine Rolle. Unternehmen wie Rosenthal produzieren weiterhin in Selb und verbinden handwerkliches Können mit modernem Design. Ergänzt wird dies durch neue Formate wie den Selber Porzellanflohmarkt, der jedes Jahr Anfang August stattfindet und Sammler wie Händler anzieht.
Selb setzt zudem auf kulturelle Veranstaltungen, Stadtfeste und Messen, um das Porzellan-Thema lebendig zu halten. Im Jahr 2026 feiert die Stadt ihr 600-jähriges Jubiläum – ein Anlass, der sicherlich auch das Thema Porzellan in den Mittelpunkt rücken wird. Die Kombination aus Tradition, Kreativität und internationaler Vernetzung macht Selb zu einem einzigartigen Standort in der Welt des Porzellans.