Industriemuseum Selb-Plößberg – Entstehung, Kosten, Ziele und Erwartungen
Das Industriemuseum Selb-Plößberg dokumentiert nicht nur die Porzellanherstellung, sondern die gesamte Industriekultur der Region. Diese Zusammenfassung vereint die Überlegungen zur Schaffung, die Bauabschnitte, die Kosten, die denkmalpflegerischen Herausforderungen sowie die Erwartungen und Ziele für die Zukunft.
Einleitung
Das Industriemuseum Selb-Plößberg ist ein in Deutschland einzigartiges Projekt, das die Geschichte der Porzellanindustrie in Oberfranken bewahrt, sichtbar macht und gleichzeitig neue Nutzungen für historische Industriebauten erschließt. Während viele Fabrikanlagen nach dem Niedergang der Porzellanindustrie leerstanden oder abgerissen wurden, entschied man sich in Selb-Plößberg für den Weg der Erhaltung, Dokumentation und musealen Nutzung. Grundlage war die Einsicht, dass alte Industriebauten nicht nur funktionale Gebäude, sondern auch Denkmäler und Identitätsträger einer Region sind. Diese Zusammenfassung behandelt die Überlegungen zur Schaffung des Museums, beschreibt die Bauabschnitte mit ihren Kosten, geht auf Erwartungen und Ziele ein und beleuchtet die Einbindung in Tourismus, Politik und Gesellschaft.
Die Überlegungen zur Schaffung des Industriemuseums
Bereits 1982 wurde der Zweckverband „Museum der Deutschen Porzellanindustrie“ gegründet, um das kulturelle Erbe der Region systematisch zu dokumentieren und zu bewahren. Zunächst konzentrierte man sich auf die Einrichtung des Porzellanmuseums in Hohenberg an der Eger, das in der ehemaligen Direktorenvilla der Hutschenreuther-Fabrik entstand. Doch schnell wurde klar, dass Porzellan nicht allein als fertiges Objekt gezeigt werden darf, sondern dass auch die industrielle Herstellung und die Arbeitswelten einbezogen werden müssen. So reifte die Idee, ein Industriemuseum für Porzellan zu schaffen, das die Produktionsprozesse vom Modellieren über das Brennen bis zur Dekoration dokumentiert.
Der Standort Selb-Plößberg bot sich an: Die ehemalige Zeidlersche Porzellanfabrik, gegründet 1866, später von Rosenthal übernommen und bis 1971 betrieben, bildete ein authentisches Ensemble. Mit Rundöfen verschiedener Bauarten, Verwaltungsgebäuden, Pförtnerhaus, Fabrikantenvilla und Werkstätten dokumentierte sie die Entwicklung einer Porzellanfabrik über mehr als ein Jahrhundert. Zudem lag das Gelände günstig im Stadtgefüge, eingebettet in ein Umfeld aus Arbeiterwohnhäusern, Bahnhof und Infrastruktur.

Bauabschnitte und Kosten
Der Aufbau des Industriemuseums erfolgte in mehreren Bauabschnitten, die jeweils unterschiedliche Gebäude und Funktionsbereiche umfassten:
- Erste Maßnahmen (1991–1995): Aufräum- und Sicherungsarbeiten, Abriss ruinöser Anbauten, Rettung historischer Maschinen. Finanzierung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM).
- Werkstattgebäude & Pförtnerhaus (1991–1992): Umbau des Malereigebäudes zur Werkstatt (Tischlerei, Schlosserei). Sanierung des Pförtnerhauses mit Wiederherstellung historischer Schablonenmalereien.
- Bauabschnitt 1 (1994–1995): Sanierung von Gebäude 1 (Massemühle, kleine Dampfmaschine). Kosten: ca. 3,27 Mio. €.
- Bauabschnitt 2 (1997–1998): Restaurierung des Dampfmaschinengebäudes (Gebäude 2). Kosten: ca. 520.000 €.
- Sanierung Gebäude 5 (1997–1998): Wiederaufbau der Erdenmacherei, Einrichtung einer historischen Schlosserwerkstatt und eines Kontors.
- Bauabschnitt 3 (1998–2002): Umbau von Gebäude 3 zur Weißfertigung, Anlage des Parkplatzes. Kosten: ca. 4,96 Mio. €.
- Bauabschnitt 4 (2001–2005): Sanierung der Gebäude A und B (u.a. Rosenthalmuseum, Mehrzwecksaal, Studiensammlungen). Kosten: ca. 8,39 Mio. €.
- Technische Keramik (2004–2005): Ausstellung moderner Anwendungsgebiete. Kosten: ca. 350.000 €.
- Bauabschnitt 5 (2006–2007, geplant): Ausstellung zu Dekorationsverfahren (Buntbetrieb). Kosten: ca. 1,1 Mio. €.
- Bauabschnitt 6 (2008–2010, geplant): Sanierung von Gebäude 4, Werkstätten und Außenanlagen. Kosten: ca. 3,0 Mio. €.
Insgesamt beliefen sich die Baukosten auf über 20 Millionen Euro, wobei Mittel aus Landes- und Bundesprogrammen, der EU, Stiftungen, dem Kulturfonds Bayern und Spenden zusammenkamen.
Erwartungen und Ziele
Das Industriemuseum verfolgt mehrere Ziele:
- Erhalt von Industriebauten: Nicht Abriss, sondern Umnutzung historischer Bauten, um die Identität und das Stadtbild zu bewahren.
- Dokumentation von Produktionsverfahren: Maschinen, Rundöfen und Werkstätten bleiben nicht nur Kulisse, sondern werden funktionsfähig erhalten.
- Soziale Verantwortung: Integration von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Beschäftigung schwer vermittelbarer Arbeitnehmer.
- Tourismus: Einbindung in das Stadtmarketing Selbs (Porzellanroute, Wochen des weißen Goldes).
- Bildung: Schulklassen, Vereine und Familien sollen Einblicke in die Arbeits- und Technikgeschichte gewinnen.
- Kultur: Nutzung der Gebäude für Vorträge, Konferenzen, Sonderausstellungen, Märkte und Feste.
Das Industriemuseum versteht sich als Europäisches Industriemuseum, das die grenzüberschreitende Geschichte von Thüringen, Böhmen und Oberfranken berücksichtigt.

Fazit
Das Industriemuseum Selb-Plößberg ist das Ergebnis visionärer Ideen, beharrlicher Aufbauarbeit und großer finanzieller Anstrengungen. Es zeigt, dass Industriebauten nicht nur Relikte, sondern lebendige Zeugnisse einer Region sind. Mit über 20 Mio. € Investitionen, zahllosen Arbeitsstunden und einer klaren Konzeption konnte ein einzigartiger Lern- und Erlebnisort entstehen. Herausforderungen bleiben: Der dauerhafte Betrieb erfordert hohe Wartungskosten, EDV-Betreuung, Werkstattunterhalt und eine kontinuierliche touristische Vermarktung. Dennoch beweist das Museum, dass Industriekultur erhaltenswert ist – als Erinnerung, als Lernort, als Teil des Stadtmarketings und als Identitätsträger einer ganzen Region.
Quelle
Fachtagung am 10. Oktober 2006
Torsten Schöpe, Dipl.-Ing. Architekt, Hof