Ehrenbürger Stadt Selb 1989 – Roland Dorschner
Die höchste Auszeichnung, die die Stadt Selb verleiht, wurde Roland Dorschner zuteil: Der Vorstandsvorsitzende der Hutschenreuther AG ist Ehrenbürger von Selb.
Beschluss des Stadtrates
In seiner Sitzung vom 1. Juni 1989 fasste der Stadtrat den einstimmigen Beschluss, Roland Dorschner zum Ehrenbürger zu ernennen. In der Begründung für den Antrag von Oberbürgermeister Werner Schürer heißt es, Roland Dorschner habe sich „in jahrzehntelanger Arbeit an der Spitze der Hutschenreuther AG auf wirtschaftlichen und sozialem Gebiet um die Entwicklung der Stadt Selb in hervorragender Weise verdient gemacht.“ Er hatte im Jahr 1976 bereits die Goldene Bürgermedaille verliehen bekommen.

Tradition im Hause Hutschenreuther
Roland Dorschner setzt damit die Tradition im Hause Hutschenreuther fort, dass die Leiter des Unternehmens sich der Stadt ebenso verpflichtet fühlen wie ihren Mitarbeitern. Lorenz und Viktor Hutschenreuther waren die ersten Selber, die diese Auszeichnung im Dezember 1885 beziehungsweise im Oktober 1900 entgegennehmen durften. Seit erstmals 1946 wird sie nun wieder ausgesprochen. Mit Roland Dorschner werden es neun Ehrenbürger der Stadt Selb sein. Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft für Roland Dorschner findet statt am 26. Juli 1989 im Selber Rathaus.
Kooperation der Porzellanunternehmen
Für die Stadt Selb war es sicherlich auch von großem Vorteil, dass sich ohne große schriftliche Vereinbarung die Hutschenreuther AG und die Rosenthal AG die sportliche und kulturelle Förderung geteilt haben und damit einen Ausspruch, der einmal in einem Gespräch zwischen Ihnen und Philip Rosenthal fiel, über lange Jahre in die Wirklichkeit umsetzten: „Wir sind Konkurrenten auf dem Markt, aber Verbündete in unserer Stadt“. Es ist schöner Ausdruck dieses Bündnisses, dass Philip Rosenthal vor wenigen Wochen gleichfalls Ehrenbürger von Selb wurde.
Dankesworte von Roland Dorschner
Dankesworte Dorschner anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Großen Kreisstadt Selb am 26. Juli 1989:
Sicher haben Sie Verständnis dafür, wenn ich Ihnen jetzt zu Beginn meiner Dankesworte erst einmal sagen möchte, dass ich diese Stunde tief bewegt erlebe – denn natürlich gehen heute meine Gedanken 41 Jahre zurück, d. h. in das Jahr 1948, als ich damals heimat- bzw. staatenlos sowie mittel- und arbeitslos zum ersten Mal nach Selb kam und bei Hutschenreuther um Arbeit nachfragte. Dies war mein Start in Selb und ich meine, ich sollte Ihnen jetzt – eben weil ich kein gebürtiger Selber bin – deshalb auch kurz darlegen, wie ich nach Selb kam.

Lebensphasen
Die erste war meine Jugendzeit in meiner Egerländer Heimat. Die Jugend war relativ kurz – von August 1926 bis August 1943. Zu diesen siebzehn Jugendjahren ist nicht viel zu sagen – hier ging es mir wie Millionen anderen jungen deutschen Menschen während der Kriegszeit, bis ich ohne Schulabschluss zu den Waffen eingezogen wurde.
Damit begann die zweite Periode meines Lebens mit den Stationen Luftwaffenhelfer, Arbeitsdienst, Frontsoldat und schließlich Kriegsgefangenschaft in Frankreich bis Ende 1946. Anschließend war ich landwirtschaftlicher Arbeiter in Württemberg – dort allerdings als Staatenloser, da ich mich vergeblich um Zuzugsgenehmigung bemühte. Diese erhielt ich endlich im Januar 1948 in Hof, anschließend im Februar 1949 in Selb. Aber auch das war nichts Besonderes in jener Zeit, denn hier teilte ich ebenfalls das Schicksal von Millionen junger deutscher Menschen, denen, wie mir, die Rückkehr in das Elternhaus, in die Familie und in die Heimat verwehrt war.


Und dann schließlich die dritte und mein ganzes Leben prägende Periode. Es war mein Weg nach Selb in meinen späteren Beruf. Als ich 1948 hier ankam, sah ich – nach dem bis dahin Erlebten – nicht sehr hoffnungsvoll in die Zukunft. Dass ich 41 Jahre später die höchste Auszeichnung dieser Stadt – nämlich die Ehrenbürgerschaft – würde in Empfang nehmen können, wäre mir daher damals nicht einmal in den kühnsten Träumen eingefallen.
Dankbarkeit und Familie
Und so stehe ich heute hier voller Dankbarkeit gegenüber meinem Schicksal und meinem Leben und möchte stellvertretend für alle anderen meinen Dank an fünf Adressen abtragen. Da ist zunächst der Herrgott: Ihm da oben gilt mein erstes Dankeschön. Ich danke dem Herrgott, dass er meine Schritte in diese Stadt gelenkt hat und dass er mir die Kraft und die Gesundheit gab, den Weg zu gehen, den ich von da ab in mehr als 41 Jahren gehen durfte.
Dann an meine Familie: Natürlich richtet sich in einer solchen bedeutenden Stunde des Lebens auch ein besonderer Dank an die Familie – und hier zunächst wieder an die Eltern. Es war mein Vater, der mir – nachdem meine Eltern selbst erst 1948 aus der CSSR nach Hof ausgesiedelt wurden – den entscheidenden Ratschlag für die Porzellanindustrie und für Hutschenreuther gab. Er kannte meinen eigentlichen Berufswunsch und wusste von meiner großen Neigung, Sportlehrer zu werden. Aber wir wussten beide, dass dieser Berufswunsch in jener Zeit für mich nicht erreichbar, weil nicht finanzierbar war. So wurde ich Porzelliner in der dritten Generation, denn mein Großvater war Modelleur und mein Vater kaufmännischer Prokurist in einer böhmischen Porzellanfabrik, mittlerweile verkörpert unser Sohn Uli als Keramingenieur bereits die vierte Generation unserer Familie in der Porzellanindustrie.
