Eisenbahngüterverkehr

Stadt Selb

Wesentlich schlimmer wirkt sich aber der letzte durchgeführte Gleisrückbau im Bahnhof Selb Stadt aus. Nachdem der Güterverkehr zwischen Oberkotzau und Selb Stadt 1996 stillgelegt wurde und da der Triebwagen im Rahmen des „Bayern-Takt-Verkehrs” nur ein Gleis zur Ein- und Ausfahrt benötigt, beschloss die privatisierte Deutsche Bahn AG die von ihr nun nicht mehr genutzten Gleise zu demontieren und zu verschrotten.

Eine private Schrottfirma begann am 11.11.1996 mit dem Abbau der Bahnhofsgleise und aller Güterbahnhofsgleise. Ausserdem wurden sämtliche Weichen ausgebaut. Der „Bahnhof” Selb Stadt besteht mittlerweile nur noch aus einem Gleis. Eine gerade einmal hundertjährige Eisenbahngeschichte in Selb steht somit vor ihrem endgültigen Ende. Ähnlich verhält es sich mit der grossen Anzahl ehemals in Selb vorhandener Werksgleisanschlüsse.

Im Westen der Stadt liegt die Porzellanfabrik Heinrich & Co, die mit dem Bau der Holenbrunner Lokalbahn die Möglichkeit erhielt einen Gleisanschluss zu errichten. Die auf einem extra hierfür vorgesehenen Abstellgleis bereitgestellten Wagen für und von der Porzellanfabrik wurden auf dem langen Werksgleis durch eine fabrikseigene Dampfspeicherlokomotive befördert und im Werkshof verteilt.

Die Gleisanlagen im Fabriksgelände wiesen neben Abstell- bzw. Ladegleisen auch eine Wagendrehscheibe und ein Lokomotivschuppengleis auf. 1948 wurde die feuerlose Dampfspeicherlok durch eine moderne Diesellokomotive der Lokomotiv- und Maschinenfabrik Gmeinder ersetzt, die bis zur Stillegung des Anschlusses 1977 im Einsatz war.

Heute befindet sich die im Volksmund als „Harre-Bockl” bezeichnete Maschine im Bestand des Modell- und Eisenbahnclubs Selb/Rehau und wird im Lokschuppen Selb Stadt betriebsfähig erhalten. Das entlang einer romantisch wirkenden Birkenallee angelegte Heinrich-Gleis wurde 1977 schliesslich abgerissen, da es dem Neubau einer Fabrikhalle teilweise im Weg war.

Der in den fünfziger Jahren hier neu angelegte Schlachthof erhielt ebenfalls einen zweigleisigen Anschluss, der vom Werksgleis der Heinrich-Fabrik über eine interessante asymmetrische Dreiwegweiche abzweigte. Der Privatanschluss (PA) Städtischer Schlachthof wurde etwa um 1986 abgebaut.

Das östlich des Bahnhofes gelegene, weitverzweigte Industriebahnnetz hat seinen Ursprung in der 1894 eröffneten Flügelbahn zur Porzellanfabrik Hutschenreuther „Ludwigsmühle” (heute Abt. A), die mit dem als Anschlussgleis weiter genutzten ehemaligen Streckengleis 1914 in den neuen Bahnhof eingeleitet werden musste. Die Flügelbahn führte erst zur öffentlichen Ladestelle Ludwigsmühle, wo hauptsächlich Gesteine (vor allem Granit) und Holz aus den umliegenden Wäldern verladen wurden. Der Privatanschluss Hutschenreuther Abt.

A führte von der Ladestelle entlang der Pfaffenleithe Richtung Stadt und erreichte über eine Spitzkehre den Werkshof mit drei Gleisen für die Kohlenentladung und den Versand fertiger Waren. Trotz einer Überholung der Flügelbahn im Jahr 1966 wurde sie bereits 1971 stillgelegt und bis zum Abzweig am Oberen Markt abgebaut. Nach Eröffnung der Holenbrunner Strecke entstanden entlang des alten Streckengleises mehrere Gleisanschlüsse, genauso wie schon vorher vorhandene liegenblieben.

Über eingleisige Ladegleise verfügten das Granitwerk Netzsch (das als erstes in den 50er Jahren wieder demontiert wurde), das Elektrizitäts- und das Gaswerk. Am Oberen Markt, auf Höhe der ehemaligen, gleichnamigen Haltestelle war ein öffentliches Ladegleis vorhanden, das hauptsächlich durch die in der Nähe ansässige Porzellanfabrik Paul Müller und durch Selber Kohlenhändler genutzt wurde. Die Fabrik Hutschenreuther Abt. B erhielt ebenfalls einen Privatanschluss mit mehreren Weichen.

Am ausgedehntesten waren jedoch die Gleisanlagen des Porzellanfabrik Rosenthal. Im Fabrikshof waren vier Weichen vorhanden, die die Gleise im Gelände verteilten. Zwischen beiden Fabriken waren zudem vier Abstellgleise, die von beiden Firmen genutzt wurden, vorhanden. Ausserdem war am Ende des Industriegleises, in unmittelbarer Nähe der Bahnlinie zwischen Erkersreuth und Selb-Nord (hier zweigte von 1894 bis 1914 das Streckengleis zum alten Bahnhof Selb Untere Stadt ab), ein Lokomotivschuppen für die Werkslokomotive der Firma Rosenthal vorhanden.

Nach der Aufgabe der Lokomotivunterhaltung wurde das Rangiergeschäft durch die Deutsche Bundesbahn abgewickelt. Der grosszügig dimensionierte Lokschuppen wurde forthin als Lager genutzt und musste erst 1995 der Spitzhacke weichen. Nach dem Krieg entstand als letzter Anschluss schliesslich das Gleis zur Maschinenfabrik Gebrüder Netzsch. Zusammen mit dem Abbau der Flügelbahn wurden auch der PA Elektrizitätswerk, der PA Gaswerk und die Ladestelle Oberer Markt demontiert.

Der Anschluss der beiden Porzellanfabriken Rosenthal und Hutschenreuther wurde nach Aufgabe der Bahnverladung im Mai 1986 abgerissen. Somit war als letzter Anschluss noch der der Maschinenfabrik Netzsch übriggeblieben. Nach längerer Nichtnutzung wurde er mitsamt dem Zufahrtsgleis im November 1996 im Zuge des Bahnhofsrückbaus abgebaut. Das Ende der umfangreichen Anschlussgleise in Selb ist somit erreicht. Kein nutzbares Gleis existiert mehr.

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