Porzellanausstellung

Porzellanausstellung 1926 in Selb

Bei den Vorbereitungen zu dieser Feier kam auch der Gedanke zutage, in der Porzellanstadt Selb eine Ausstellung heimischer Porzellane zu veranstalten, in der die Industrie an der Stätte des Wirkens zeigt, was sie für unser deutsches Vaterland im allgemeinen und für die Stadt Selb im besonderen bedeutet. Es wurde einstimmig beschlossen in dem Gebäude der Fachschule Selb die Ausstellung einzurichten, und aller Beteiligter Wunsch war, eine Schau zu veranstalten, die zeigt, dass Selb trotz seiner Kleinheit als Stadt und seiner Angelegenheit nicht zurückzustehen braucht vor zentraler gelegenen und grösseren Städten. Es soll nun aber nicht nur Porzellan schlechthin gezeigt werden, es sind bei seiner Ausstellung künstlerische Mittel angewandt worden, die sowohl die Industrie als auch Händlerschaft und Laien anregen wollen.

So wurde der Ausstellung ein Rahmen, der sich um die in aller Welt bekannten Erzeugnisse der Selber Porzellanindustrie baut und der sie so zur Geltung bringt, wie es die Selber Porzellane in ihrer technischen und künstlerischen Vollendung verdienen. Das neben der Porzellanindustrie auch Industrien und Firmen ausstellen, die der Porzellanfabrikation dienbar sind, ist selbstverständlich.

Maschinenfabriken und Handelsfirmen zeigen, was zur Herstellung des Selber Porzellans nötig ist. Um nun diese verschiedenen Austellungsarten zu verbinden, hat das Bayer. Staatsministerium gestattet, dass ausser den Schulsälen der Staatl. Fachschule, in der die Porzellane ausgestellt sind, auch die Maschinen- und Werkräume, wie auch die technische Sammlungen zur Ausstellung verwendet werden dürfen. Besonders aber wurde diese Ausstellung älterer und auswärtiger Porzellane eingerichtet, um den Selber Technikern und Künstlern, die leider in unserer kleinen Stadt fehlenden Künstlerischen Anregungen geben.

Die Gelegenheit Porzellan zu kaufen oder zu gewinnen, ist in der Ausstellung dadurch vorhanden, das ein Verkaufsladen, der kleine Andenken führt, und ein Glückshaven eingerichtet sind. So soll die Selber Porzellanausstellung der geistigen Anregung und wirtschaftlichen Förderung der Porzellanindustrie dienen. Sie soll nicht nur dem Fernstehenden zeigen, was unser Selber Industrie leistet, nein die Industrie selbst will sich und ihren Mitarbeitern Rechenschaft geben, über ihre rastlose Tätigkeit und über ihre Entwicklung. Jeder der sein Leben und seine Kräfte zur Herstellung des Porzellans einsetzt, soll sehen, dass er nicht nur des Mammons willens arbeiten muss, sondern dass er auch Werte schafft, die der Menschheit zur Verschönerung und dadurch zum Glück ihrers Daseins beitragen.

Selbstverständlich ist, dass neben der Porzellanindustrie eine Reihe Hilfsindustrien in Selb entstanden sind. In erster Linie muss hier die Maschinenindustrie genannt werden, die durch die Firmen Netzsch und Zeidler, die keramische Maschinen in hervorragender Qualität herstellen, vertreten sind. Nicht allein die Selber Porzellanindustrie wird von diesen Maschinenfabriken versorgt, weit darüber hinaus liefern sie ihre Spezialmaschinen an die keramische Industrie des In- und Auslands. Ausser den Maschinenfabriken sind in Selb und Umgegebung die Baufirmen zu erwähnen, die die umfangreichen Fabrikgebauten aufgeführt haben, und hauptsächlich renommierte Ofenbaufirmen, die durch ihre alterprobten Ofenkonstruktionen nicht allein die örtliche Porzellanindustrie gefördert, sondern wiederum weit über die Grenzen Selb hinaus, die für die Porzellanfabriken geeigneten Ofenbauten ausgeführt haben.

Eine weitere Hilfsindustrie stellen die Sägewerke und Holzwollfabriken dar, die Holz, Bretter, Planken, Holzwolle und Kisten liefern. Eine grosse Anzahl Agenturen vermitteln den Bezug der von ausserhalb kommenden Rohstoffe und Rohmaterialien, Farben, Gold etc. für die Porzellanindustrie, so dass ausser der eigentlichen Porzellanarbeiter- und -angestelltenschaft noch eine bedeutende Anzahl der Bewohner der Stadt Selb als mit der Porzellanindustrie eng verknüpft bezeichnet werden muss. Weiterhin müssen die Buchdruckereien Erwähnung finden, die Preislisten, Reklameartikel und Bürobedarfsartikel für die Porzellanfabriken herstellen und endlich die Transport- und Speditionsfirmen, welche die Fertigware in alle Welt verschicken.

Die lebhafte Propaganda, die in der gesamten deutschen Tagespresse für diese Ausstellung betrieben wurde, hat keinesfalls zuviel versprochen. Wohl jeder, der Selb in diesen Tagen besucht hat, ist überrascht worden durch die Eigenart dieser Ausstellung, die vollkommen aus dem Rahmen aller bisherigen Ausstellung herausgefallen ist. Das ist bedingt durch die gegebenen Verhältnisse. Aber wie aus diesen zum Teil sehr widrigen Umständen ein Unvergleichbares aufgebaut werden konnte, das muss die höchste Anerkennung aller finden, die Sinn haben für das Schöne und die Interesse daran haben, auf angenehme Weise und tiefgründig unterrichtet zu werden.

Der Schauplatz der Ausstellung ist das erst vor wenigen Jahren erstellte Gebäude der Staatlichen Fachschule für Porzellanindustrie in Selb. Es liegt ausserhalb der Stadt, so dass ein Spaziergang von immerhin fünf bis zehn Minuten notwendig ist, die Ausstellung zu erreichen. Aber dieses Bemühen findet Belohnung. Schon der Weg zur Ausstellung zeigt, wie sehr diese Veranstaltung Angelegenheit des ganzen Städtchens ist. Die Ausstellung, die mit der Fünfjahrhundert Feier der Stadt Selb zusammenfällt, ist ein Ereignis, an dem alle Bewohner teilnehmen, denn sie alle hängen ja direkt oder indirekt auf‘s engste mit der Porzellanindustrie zusammen. So ist diese Ausstellung Ausdruck des Seins und Lebens dieser Stadt, ein Zusammenfassen und Herausstellen dessen, was hier in sonst verhältnismässig weiter Abgeschiedenheit vom grossen Verkehr in der Stille wirkt und strebt.

Gewiss, das Selber Porzellan setzt sich auch sonst nach aussen ab. Es ist auf der Leipziger Messe stets in ganz hervorragender Weise vertreten; gehören doch gerade die Ausstellungsräume der Selber Fabriken mit zu den grössten und schönsten der Leipziger Messe. Das Selber Porzellan ist in hunderten, ja tausenden von Musterräumen und Schaufenstern der ganzen Welt zu sehen. Aber diese Ausstellung, diese Zusammenhäufung von Selber Porzellan ist doch etwas ganz besonderes.

Ganz abgesehen ist hier vom rein Verkaufsmässigen in der Ausstellung, denn hier will sich in beruhigender Sammlung gleichsam der hohe Wert des Selber Porzellans, seine so überraschend hohe und gleichmässige Qualität und die Vielheit des Selber Porzellans dokumentieren. Mit einer Liebe und einem Verständnis für das ihm Anvertraute ist der Anreger und künstlerische Leiter der Ausstellung, Architekt Prof. Fritz Klee, der Direktor der Staatlichen Fachschule, zuwege gegangen, die des Lobes nicht bedarf, denn selbst aus den hier gezeigten Bildern wird die Einzigartigkeit dieser Leistung überzeugend deutlich.

Das Städtchen Selb besitzt, weil es ja erst 1856 fast völlig niedergebrannt ist, keinerlei historisch interessante und architektionisch überragende Bäulichkeiten. Nach dem Brand ist es zwar schnell, aber doch nur ärmlich nüchtern wieder emporgewachsen. Aus Anlass des Festes, das die Ausstellung ihr bedeutet, hat sich diese vorher so graue Stadt nun bunt, froh und heiter in klare, kräftige Farben gekleidet; fast jedes Haus auf dem Weg zur Ausstellung, das nicht in überraschend lebensfroher Weise seine Aussenseite erneuert hat. Das ist der Auftakt gleichsam für den Besucher der Ausstellung. Ist er dann hinter den letzten Häusern des Städtchens dem Ausstellungsgebäude nahe gekommen, so nimmt ihn erst einmal ein Zelt auf, in dem die Selber Maschinenfabriken, die sich ganz oder doch fast ausschlieslich dem Bau von Maschinen für die Porzellanindustrie widmen; Gebr. Netzsch und Heinrich Zeidler, interessante Neuerungen auf fabrikationstechnischem Gebiet zeigen, die hier aber natürlich keine eingehende Wirkung finden können.

Erst dann betritt der Besucher das Hauptgebäude und beginnt den Rundgang im Kellergeschoss, wo er neben einer Ausstellung der Rohstoffe, die zur Porzellanherstellung notwendig sind, die Fabrikationslehrräume der Fachschule findet, die ihm eine klare und aufschlussreiche Anschauung des so komplizierten Fabrikationsganges des Porzellans vermitteln. Er sieht neben der Masseaufbereitungsanlage die Dreherei und Formerei der Schule und deren Öfen. Die Schulsammlung, durch die ihn dann der Rundgang führt, zeigt ihm ausserordentlich interessant und instruktiv die zahlreichen Fehlerquellen, mit denen immer wieder von neuem die Porzellanherstellung zu kämpfen hat, seien die Fehler in der Formgebung oder Fehler der Materialzusammensetzung oder der Brandführung oder dergl. mehr.

Auch die anderen Schulsammlungen, die der Ausstellung eingegliedert sind, sind ausserordentlich interessant. So findet sich eine Zusammenstellung der hauptsächlichsten Formmodelle, die in der Schule selbst geschaffen wurden. Sie sind nach den Jahren der Entstehung geordnet und geben so ein gestreutes, sonst selten zu sehendes Beispiel der Stil- und Formentwicklung der letzten eineinhalb Jahrzehnte. Ausserdem findet der Besucher eine Sammlung alter Selber Porzellane vor allem Dingen der Fabriken Lorenz Hutschenreuther und Ph. Rosenthal & CO. A-G. wie auch der Porzellanfabrik Krautheim & Adelberg von den ersten Anfängen dieser Firmen an bis zur jüngsten vergangener Zeit.

Der Porzellanliebhaber, wie jeder, der der Ware Porzellan mit Liebe und Interesse gegenübersteht, wird gerade diesem Teil der Ausstellung sein besonderes Augenmerk widmen. Er findet da Service von Lorenz Hutschenreuther aus den 1900 Jahrhundert von bester Qualität, die beweisen, wie geschmacklich hoch dieses Jahrzehnt mancherorts doch noch stand. Die ruhige Gediegenheit dieser nach Entwürfen von Prof. Gmelin hergestellten Geschirre mit einem zwar reichen aber doch in sich beruhigten und heute fast modern anmutenden breiten Bordürendekor ist trefflicher Beweis der damals hier noch lebendigen handwerklichen Vertiefung, die in den zwischenliegenden Jahrzehnten teilweise verloren ging und um die wir heute wieder ringen mit, wie die Ausstellung beweist, doch sehr beachtlichen Erfolg. Die Anfänge von Rosenthal und Krautheim fallen da schon in eine weit schlechtere Zeit. Hier sind es vor allen Dingen französische Vorbilder eines verfallenen Rokoko, die zu allererst nachgeahmt wurden. Aber die Selber Fabriken haben sich immer dem Neuen erschlossen.

So hat denn vor allem Rosenthal auch dem Jugendstil schon von Anfang an eine Stätte gewahrt. Auch die überbleibsel einer nun schon wieder fast vergessenen hinter uns liegende Epoche, ohne die aber unsere heutige Formenwelt nicht denkbar wäre, interessieren den, der tiefer sieht. Da steht z.B. eine Vase, die uns in ihrer absolut unkeramischen wuchernden Form heute nur ein Lächeln abzugewinnen vermag, die aber von einem der heute bedeutendsten Künstler und Kunstpädagogen stammt, der wohl selbst auch lächeln oder erschrecken würde, wenn er sich diesem Werk, auf das er und die Herstellerfirma seinerzeit ungeheuer stolz waren, wieder einmal gegenüber sähe.
Prospekt 1926 zur 500 Jahrfeier Selb.

porzellanselb

Ich kaufe Porzellan überwiegend von Rosenthal und KPM von 1950 bis 1980 Studio-Line, Hubert Griemert, Tapio Wirkala, Victor Vasarely, Grießhaber, Otto Piene, Wolf Karnagel und viele mehr.