Einführung & Anfänge
Die Schwierigkeiten, die sich Lorenz Hutschenreuther am Anfang entgegenstellten, waren erheblich. Fehlerhafte Einrichtungen der Maschinerien durch die Lieferfirmen verzögerten den Beginn der Fabrikation. Aber Hutschenreuther überwand alle Hindernisse durch seine Energie, und schon im Frühjahr 1859 konnte er die Arbeit aufnehmen. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse des nächsten Jahres trat er erstmals mit seinen Erzeugnissen hervor. Seine Facharbeiter hatte er aus bestehenden Betrieben in Böhmen, Thüringen, Schlesien und vermutlich auch aus Hohenberg verpflichtet.
In seinen Annahmeschreiben betonte er stets, nur auf solide und anständige Kräfte zu reflektieren. Unverheiratete Arbeiter ließ er nach Möglichkeit in der Fabrik Quartier beziehen. Bezeichnend für seine strengen Anschauungen ist ein Brief vom 17. August 1859, in dem er Senior Clöter in Selb sein Bedauern über das anstößige Verhalten seiner Arbeiter beim Pfingstfest äußerte – verbunden mit der Mitteilung, den Ruhestörern kurzerhand gekündigt zu haben.
Familie & Teilhaber
Lorenz Hutschenreuther vermählte sich am 15. Oktober 1843 mit Berta Bessner, einer Kaufmannstochter aus Altenburg in Thüringen. Von den sechs Kindern dieser Ehe erreichten nur drei ein höheres Alter: Viktor (1854–1907), Eugen (1860–1899) und Lina (geb. 1846), die den Ingenieur Hans Pabst heiratete. Letzterer trat 1864 als Teilhaber in die Fabrik ein und stärkte das Unternehmen finanziell. Durch den Bau weiterer Öfen konnte so den steigenden Ansprüchen der Abnehmer entsprochen werden.
Auch die beiden Söhne Viktor und Eugen traten in die Fabrik ein. Lorenz Hutschenreuther zog sich Ende der 1870er-Jahre aus gesundheitlichen Gründen nach Würzburg zurück, wo er am 8. Oktober 1886 verstarb. Er wurde im Erbbegräbnis der Familie auf dem Selber Gottesacker beigesetzt, neben seiner 1867 verstorbenen Gattin.
Aufschwung & Produktion
Auszeichnungen lehnte Hutschenreuther stets ab, trotz seiner Verdienste als Unternehmer und Selber Stadtrat. Seine Fabrik jedoch nahm einen ungeahnten Aufschwung. In den 1880er-Jahren begann man mit der Fertigung von dekoriertem Tafelgeschirr und Hotelporzellan, die den Ruf der Firma als Qualitätsfabrik festigten und auf Ausstellungen große Erfolge erzielten.
Die Beschaffung von Rohstoffen war schwierig. Kaolin, Rohton, Kohle und Holz mussten aus Böhmen oder von entfernten Bahnstationen mühsam per Fuhrwerk herangeschafft werden. Dennoch entwickelte sich die Fabrik stetig weiter, und schon bald konnte man auch handgemaltes Tafelservice fertigen.
Materialquellen & Expansion
Um die Versorgung zu sichern, erwarb Hutschenreuther die Zedwitzer Kaolingruben bei Karlsbad und errichtete in Fischern eine Kaolinschlemmerei. Nach seinem Tod führten seine Söhne Viktor und Eugen die Fabrik weiter.
1902 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um die Fabrikation weiter ausbauen zu können. Die Gründung erfolgte durch die Bank von Thüringen unter Herrn Geheimrat Dr. Strupp in Meiningen.
Bedeutung & Nachwirkung
Die Geschichte von Lorenz Hutschenreuther zeigt, mit welchen Schwierigkeiten die junge Porzellanindustrie in Selb zu kämpfen hatte. Durch Energie, Strenge und Qualitätssinn gelang es ihm, eine Fabrik von internationalem Rang zu schaffen. Seine Prinzipien – beste Qualität und unternehmerische Weitsicht – prägten die Entwicklung der Selber Porzellanindustrie nachhaltig und machten die Marke Hutschenreuther weltbekannt.
Literatur & Quellen
Hermann Bohrer: Lorenz Hutschenreuther – Porzellanindustrie Selb, Manuskript 1930. Familienarchiv Hutschenreuther, Selb. Unternehmenschroniken der Hutschenreuther AG, 19. und 20. Jahrhundert.
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Porzellanfabrik Jäger & Werner – Entwicklung & Eingliederung
Im Jahr 1896 erfolgte der Ankauf der neuerbauten Porzellanfabrik Jäger & Werner in Selb. Diese wurde als Abteilung B (während die Ludwigsmühle Abteilung A bildete) dem Unternehmen Hutschenreuther angegliedert und entsprechend ausgebaut.
Eine weitere bedeutende Erweiterung folgte 1917 mit dem Ankauf der Porzellanfabrik Paul Müller in Selb, die 1890 von Paul Müller aus Wiesbaden gegründet worden war. Ursprünglich mit nur zwei Brennöfen gestartet, wuchs die Fabrik rasch und beschäftigte 1913 bereits 350 Arbeiter. In sechs großen Rundöfen wurde hier Gebrauchsgeschirr als Spezialität gefertigt, das im In- und Ausland regen Absatz fand. Nach der Übernahme durch Hutschenreuther blieb das Werk als eigenständige Abteilung unter Leitung von Paul Müller bestehen.
Expansion & neue Werke
Das Hutschenreuther-Werk erfuhr auch außerhalb von Selb eine beachtliche Ausdehnung. 1927 wurden die Tirschenreuther Porzellanfabrik und die Porzellanfabrik Bauscher in Weiden übernommen. Mit diesen Ankäufen gingen auch wertvolle Rohstoffvorkommen in den Besitz der Hutschenreuther AG über, darunter die bedeutendsten Pegmatitvorkommen Bayerns sowie Teile der Schönhaider Kaolin- und Kapfelerdegruben.
In der Folgezeit verfügte der Konzern über rund 60 Brennöfen, beschäftigte mehr als 5.000 Arbeiter und sicherte sich durch eigene Kaolinfelder, Quarzvorkommen und Tonlagerstätten eine weitgehende Unabhängigkeit.
Weitere Porzellanunternehmen in Selb
Neben Hutschenreuther entstanden auch andere Porzellanfabriken in Selb. Bereits im Sommer 1866 gründeten die Bürger Jakob Zeidler (Rothgerbermeister), Martin Zeidler (Bäckermeister), Karl Guz (Stiftsverwalter), Christoph Schmidt (Kaufmann), Andreas Meuchner (Bäckermeister), J. Jena (Porzellanbrenner) und der Modelleur Götze eine neue Porzellanfabrik am Bahnhof, die im Frühjahr 1867 den Betrieb aufnahm.
Darüber hinaus wurden in den Jahren 1879/80 von Philipp Rosenthal in Erkersreuth sowie 1884 von Krautheim & Adelberg in Selb eigene Malereien gegründet. Beide Unternehmen wurden anfangs mit Weißgeschirr von Hutschenreuther beliefert – ein Umstand, der zeigt, dass die Firma Hutschenreuther in gewissem Sinne auch den Grundstein für diese später bedeutenden Porzellanunternehmen gelegt hat.
Bedeutung für die Porzellanindustrie
Die Eingliederung der Fabriken Jäger & Werner, Paul Müller, Tirschenreuth und Bauscher in den Hutschenreuther-Konzern trug entscheidend dazu bei, dass Selb und die Oberpfalz sich zu einem der bedeutendsten Zentren der europäischen Porzellanindustrie entwickelten. Durch die Kombination von Fertigungsstätten, Rohstoffsicherung und internationalen Absatzmärkten konnte Hutschenreuther eine marktführende Stellung einnehmen, die den Namen Selb weltweit bekannt machte.
Literatur & Quellen
Archivunterlagen der Hutschenreuther AG, Selb. Chroniken zur Gründung der Porzellanfabrik Jäger & Werner, Paul Müller und Bauscher Weiden. Zeitgenössische Berichte zur Porzellanindustrie in der Oberpfalz und in Oberfranken (1860–1930).
Timeline – Porzellanindustrie in Selb (1866–1927)
Meilensteine von den ersten Gründungen bis zur Expansion des Hutschenreuther-Konzerns
Vernetzung: Carl Magnus ↔ Lorenz Hutschenreuther
Vater Carl Magnus Hutschenreuther legte in Hohenberg a. d. Eger den Grundstein (Konzession 1822), Sohn Lorenz Hutschenreuther führte in Selb mit der Konzession von 1857 die Expansion fort. Wissenstransfer, Rohstoffkenntnis, Personal & Absatznetzwerke verbinden beide Entwicklungen.
Carl Magnus Hutschenreuther → Hohenberg
Standortwahl, Rohstofffunde, Probebrände & Know-how-Aufbau bilden die technische und organisatorische Basis für spätere Unternehmungen in der Region.
Lorenz Hutschenreuther → Selb
Eigenständiger Aufbau in Selb, rascher Markterfolg (ab 1859), Programmvielfalt, technische Modernisierung bis ins 20. Jahrhundert.
Querbezüge
• Familie & Nachfolge: Vater (Grundstein in Hohenberg) → Sohn (Expansion in Selb)
• Wissen & Material: Rohstoff- und Brennerfahrung → Qualität & Programmvielfalt
• Standorte & Wirkung: Hohenberg (Pionier) ↔ Selb (Industriezentrum)
• Netzwerke: Lieferketten, Malereibetriebe, Absatzmärkte – Kontinuität über Generationen