Ausstellungen im Jubiläumsjahr 2010

Ein uns überlieferter Henkeltopf aus der Zeit um etwa 500 vor Christus ist bereits hartgebrannt und glasiert. Rund ein Jahrtausend später (zur Zeit der Sui-Dynastie von 581 bis 617 nach Christus) soll es einem um die von Indien eingeführte, aber wieder in Vergessenheit geratene Kunst der Glasbereitung erneut bemühten Ho-Tsch’ou gelungen sein, undurchsichtiges, aber noch durchscheinendes Glas herzustellen, ein Produkt, das mit ziemlicher Sicherheit als frühestes Porzellan angesprochen werden darf. Anschliessend gefertigte Erzeugnisse werden als Gefäße aus künstlichem Jade bezeichnet, andere als weiß und glänzend gerühmt. (Einzige Hinweise zur gleichzeiti- gen Situation in Europas: Allmählicher Stillstand der Völkerwanderung – blühende Goldschmiedekunst der merowingisch-fränkischen Epoche – Anfänge der Kathedrale von Arles – der fränkische Historiker Gregor von Tours erwähnt zum erstenmal Kirchenfenster aus Glas.)

Aber erst um 1350 nach Christus entstehen jene sorgfältig durchgebildeten, dünnwandigen, glasierten, hartgebrannten, unter der Glasur mit Kobaltblau bemalten Keramiken, die mit der Zeit – in ganzen Schiffsladungen nach dem Orient und Europa gelangend und die dort geübten Künste sowie das bodenständige Kunsthandwerk beeinflussend – eine Art Porzellanfieber auslösen, als dessen Folge Sammler märchen- haft anmutende Preise für das Weiße Gold bezahlen und sich zahlreiche Werkstätten (Delft, Staffordshire, Wedgewood) immer mehr, wenn auch vorerst vergeblich bemühen, ein dem asiatischen ebenbürtiges Produkt auf den Markt zu bringen. (In China selbst schreibt Li Hsing Tao sein Drama – Der Kreidekreis. Mit der Alhambra in Granada wird eines der bedeutendsten Werke islamischer Architektur vollendet. In Deutschland beginnt man mit dem Bau der Westfassade des Kölner Doms, dessen gotische Glasbilder eine der grossartigsten Leistungen der Glasmalerei überhaupt darstellen.)

Die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts nach Christus in Asien und die Zeit um 1709 in Europa brachten jedoch nicht nur einen neuen Werkstoff hervor. Die aus ihm geschaffenen Dinge trugen auch das Gesicht ihrer Zeit. Eine bis dahin unbekannte technische Errungenschaft – und als solche nur einen kleinen Personenkreis zugän- glich – wurde wahrnehmbar. Aber sie wurde bereits verwandelt wahrnehmbar, übersetzt in den Bereich hand-werklich-künstlerischer Gestaltung. Mit besonderer Noblesse und sensibelstem Empfinden für die neuen Möglichkeiten steigerte sich in den Schöpfungen der damaligen Manufakturen das Material an der Form und die Form an der Bildsamkeit und schimmernden Eleganz des Materials.

Der Eindruck, den die neuen Gefäße und Plastiken vermittelten, war so nachaltig, dass die Anschau- ung späterer Generationen den Werkstoff an sich, von den Dingen, die seine spezielle Eigenart zur Geltung brachten, nicht mehr zu trennen vermochte. Die Folge: Man ahmte nach, ohne zu erkennen, dass auch die unsichtbare Zeit in ihrern Symptomen sichtbar wird. Man machte in Stil ohne zu bedenken, dass auch Stil Geisteshaltung und nicht Formalismus, aber immer nur Variante ist und niemals seine stubstanz. Das Resultat war – als durchaus logisches Ergebnis dieser Einstellung – dementsprechend, und in der Konsequenz seiner Logik fragwürdig genug.

porzellanselb

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