Handweberstädtchen Selb

Ab 1950 gab es bei Rosenthal eine starke Orientierung an amerikanischen Design, seit Ende der fünziger Jahre am skandinavischen Stil. Gleichzeitig war der künstlerische Stil der fünziger und sechziger Jahre geprägt von oft archaisch einfacher Eindringlichkeit, im Rosenthal Programm erfolgreich vertreten durch die Hohlplastiken meist religiöser Bedeutung vom Bildhauer Hans Stangl. Die Gebrauchsformen dieser Zeit waren von asymmetrischer Verschrobenheit. Ein gutes Beispiel hierfür ist der von der Konkurrenz oft kopierte Orchideenkrug von Fritz Heidenreich, im Selber Werksjargon auch bekannt als Schwangere Luise. Derartige Formen wurden in Selb auch bunt dekoriert im abstrakten Stil nach Miro, Kandinsky oder auch Willi Baumeister (Entwürfe:Klaus Bendixen). 1950 war Philip Rosenthal junior als Werbeleiter in das Unternehmen eingetreten, das Rosenthal Motto auf der Hannover Messe 1952 war: In der Tradition gebunden – im Neuen frei und ab 1957 wurde die Kollektion in eine neue traditionelle Rosenthal-Linie unterteilt. Seit 1956 organisierte Philip Rosenthal im Schloss Erkersreuth bei Selb Ausstellungen, Theater, Musik- und Tanzveranstaltungen sowie Jazz-, Popp- und Folkabende. So kam es in der Kleinstadt Selb zu Veranstaltungen mit weltberühmten Künstlern, die selbst in wesentlich grösseren Städten nicht leicht durchgeführt werden konnten. Bis heute gibt es zur Förderung junger Künstler und Designer unter Beteiligung internationaler Hochschulen den jährlichen Rosenthal-Design-Award, einen Wettbewerb innovativen Produktdesigns. Und für die Förderung von Führungsnachwuchs aus Arbeitnehmerkreisen gründete Philip Rosenthal 1969 eine Stiftung zur Schulung von Kindern aus unteren sozialen Schichten.

Die Nachkriegszeit war in Westdeutschland lange geprägt durch den Wiederaufbau, Arbeit, Modernisierung, Schaffung von Wohlstand und Sicherheit, dabei weniger durch ernsthafte Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit und der Verarbeitung des faschistischen Schreckens. Durch Verleugnung und Vergessen wollte man sich vielmehr oftmals persönlich reinwaschen von eigener Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen. Diese Kopf-in-den-Sand-Haltung setzte sich mehrheitlich fort über das Ende des sogenannten Wirtschaftswunders in den Siebzigern hinaus und denkbar unerwünscht war der intellektuelle Studentenführer Rudi Dutschke, der zu neuem, revolutionären Bewusstsein und kritischer Aufklärung aufrief. Aber auch Philip Rosenthal hat sich vor regionaler und bundesweiter politischer Verantwortung niemals gedrückt, ja war sogar ab 1969 SPD Abgeordneter und kurzfristig Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Dort wollte er für eine gerechtere Vermögensverteilung kämpfen, fand sich mit seinen Plänen und Entwürfen jedoch chancenlos.

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