Mehr als Reich – Philip Rosenthal

Durch Journalistenarbeit wider Willen zum Kaufmann vorbereitet und ohne es zu wissen, näherte sich Philip Rosenthal nach dem Kriege arglos seinen Schicksal Porzellan. Seine Mutter hatte ihn gebeten, einmal nach dem Erbe zu sehen. Er tat es und geriet sofort ins Drahtverhau behördlicher Un- und Zuständigkeiten, Verordnungen und Bestimmungen. Durch den Streit mit Behörden, sagt er, hab ich mich eigentlich erst an die Sache rangeärgert. Hinzu kam ein Ärger darüber, dass das Instrument, das mein Vater geschaffen hatte, garnicht richtig genutzt wurde. Wie es richtig zu nutzen war, konnte er sich damals allerdings auch noch nicht vorstellen. Er wusste weder etwas von Bilanzen noch von Porzellan. Aber eines wusste er besser: Obwohl durchaus ungebeten, brachte er es fertig, im Handumdrehen in die ehedem väterliche Firma hineinzukommen. Nicht ohne List überließ man dem etwas unheimlich zudringlichen jungen Mann die Werbeabteilung, die es eigentlich garnicht gab. Aber bald gab es sie. Sehr bald wusste er, dass es ihm nur Spaß machen würde, für etwas zu werben, was ihm wichtig erschien. Das althochdeutsche Kaffeeklatschgeschirr, das damals in Selb hergestellt wurde, erschien ihm keineswegs wichtig genug. Er suchte etwas Neues.

Auf der Ausschau nach Künstlern, die ihm helfen könnten, sah er Anfang der fünfziger Jahre in München eine Faschingsdekoration der phantasieverspielten Malerin Bele Bachem und fragte sie: Wie wär‘s? Er gewann zuerst sie, dann mehrere andere Künstler zur Verschönerung seiner gehobenen Gebrauchsware. Der Versuch gelang. Mit dem geglückten Versuch gelang es auch dem Werbeleiter, in dem Verkauf zu kommen und Direktor zu werden – eine fast folgerichtige Entwicklung seiner Aktivität. Der neue Rosenthal Stil, der in einem besonderen Studio auf dem Werksgelände in Selb erarbeitet worden ist und gepflegt wird, bekam den Namen Studio Linie. Sie wurde ein immer grösserer Erfolg. Anfangs waren nur ein, zwei, drei Prozent der Gesamtprodukion vom neuen Stil. 1961 war die Nachfrage nach Philip Rosenthals junger Linie bereits derart gestiegen, dass über 65% der Gesamtproduktion nach den Studio-Modellen verfertigt wurden. Im gleichen Zeitraum stieg der Umsatz auf etwa das Dreifache von 1950.

Weil er keine Titel mag, ist er heute nicht Generaldirektor wie sein Vater, sondern Vorstandsvorsitzender und hat nach eigenen Angaben sieben Prozent der Aktien im Besitz, viel weniger als der Gründer. Aber dafür hat er etwas Eigenes und Neues gemacht, woran ihm zweifellos mindestens soviel gelegen ist, wenn nicht mehr. Vater Rosenthal der 1879 mit Hilfe des Malers und späteren Obermalers Roth im Kellerraum eines alten Schlosses bei Selb in Erkersreuth mit Porzellan Malerei und 1891 mit der Herstellung von Rosenthal Porzellan begann, hat die Porzellan Qualität und das Werk gemacht. Sohn Rosenthal hat mit Hilfe moderner Künstler einen neuen Stil gefunden und damit wahrscheinlich die Geschmacksbildung von Hunderttausenden mit beeinflusst. Begreiflicherweise sieht er, jetzt, auch gerade darin seine eigentliche Aufgabe. Denn sein stärkster Wunsch geht dahin, dazu beizutragen, dass was bleibt von unserer Zeit, dass nicht alles Schall und Rauch ist, sondern dass die Kräfte unserer Zeit realistisch zu Wort kommen. Das Wort „realistisch“ ist ihm als Gegengewicht zu dem, was er „idealistisch“ nennt, sehr wichtig. Er will beides.

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