Am 1. April 1909 erfolgte die offizielle Eröffnung der Fachschule für Porzellanindustrie in Selb. Zwischenzeitlich waren die Räumlichkeiten dafür in das alte Volkschulgebäude, dem heutigen „Städtischen Jugendzentrum“, verlegt worden. Die damaligen baulichen und räumlichen Verhältnisse der Fachschule waren nicht unbedingt optimal.
Es bestand beispielsweise, aufgrund der Größe des Brennofens, nicht die Möglichkeit, das ganze Porzellan selbst zu brennen, dies musste auch in den Selber Manufakturen durchgeführt werden und brachte oft unnötige zeitliche Verzögerungen mit sich, manchmal verschwanden sogar Entwürfe.
Sehr schnell war klar: Es musste ein neues Gebäude errichtet werden, selbst Studienrat Dasio, der im Auftrag der Regierung 1910 die Fachschule besuchte, bemängelte den Zustand des Schulgebäudes. Zudem waren die Unterrichtsräume sehr klein, die Schüler waren sehr beengt untergebracht, und für die notwendigen technischen Einrichtungen hatte man sehr wenig Platz.
Trotz dieser Widrigkeiten wurde in der Fachschule für Porzellanindustrie in Selb von Anfang an das Beste gegeben und sowohl gute kunsthandwerkliche und als auch beste technische Leistungen erzielt. Zwar wirkten die ersten Entwürfe der Schüler damals noch ein wenig unbeholfen, doch es gelang den Ausbildern in zunehmendem Maße, das Niveau der künstlerischen Gestaltung und Formgebung zu heben.
So konnten auch Modelle, die in der Fachschule entworfen wurden, an die Industrie weiterverkauft werden. 1911 gab es bereits die ersten 35 Absolventen der Königlich Bayerischen Fachschule, die anschließend in der Industrie eine Anstellung fanden.
Oberlehrer Veit war Prof. Fritz Klee zur damaligen Zeit eine große Hilfe, von ihm stammten sehr viele hervorragende Porzellan–Plastiken, vorwiegend Tierfiguren, die unschwer von den Arbeiten Klees zu unterscheiden sind. Als 1913 von den Porzellanfabrikanten Franz und Jette Heinrich sowie Ernst Adler ein Grundstück gestiftet wurde, rückte der Fachschulneubau ein wenig näher.
1914 beschloss der Selber Stadtrat, nach vorhergehenden Gesprächen mit dem Staatsministerium, den Fachschulneubau in Angriff zunehmen. Aufgrund der mangelnden finanziellen Mittel und der „Kriegswirren“ konnte erst 1919 mit dem Bau begonnen werden.
Die ersten architektonischen Pläne von Fritz Klee für das neue Schulhaus wies jedoch die Oberste Baubehörde des Ministeriums zurück, erst nach langwierigen Debatten – die ersten Entwürfe von Fritz Klee müssen sehr imposant und wahrscheinlich viel zu kostspielig gewesen sein – konnte man sich auf einen etwas veränderten und raummäßig verkleinerten Klee-Entwurf einigen. Am 5. Mai 1921 konnte Prof. Fritz Klee mit den Schülern und Lehrern endlich in die von ihm entworfene und geplante „Neue Fachschule“ in der Weißenbacher Str. 60 in Selb einziehen.
Ziele und Aufgaben der Fachschule
Grundgedanke der Schule war nicht nur die Ausbildung von kompetenten und kreativen Fachkräften mit praktisch-technischen Fähigkeiten, sondern auch die ansässige Industrie mit neuen Formen und Entwürfen für Gebrauchs- und Zierporzellan zu versorgen. Es galt, den gewerblichen Nachwuchs auszubilden, ein Höchstmaß an praxisorientiertem Wissen zu vermitteln.
Der Schüler sollte befähigt werden, aus dem gegebenen Material mit den geeignetsten handwerklichen Mitteln das formal Bestmögliche zu schaffen und den „Zeitgeschmack“ zu treffen – was nicht immer einfach war, denn einerseits sollte jeder individuell seine künstlerische Begabung und Neigung entfalten können, andererseits musste der Entwurf markt- und industrieorientiert sein, also gut verkäuflich und fabrikationstechnisch machbar. Neue Formen und Dekore entstanden unter der strengen Aufsicht von Fritz Klee, dessen Ausbildungsrichtlinien sehr klar formuliert waren.