Alles bleibende, sagt Philip Rosenthal, wird von Idealisten gemacht. Die Machtmenschen stauben nur dauernd davon ab. Was ist das, ein Generaldirektor gewesen zu sein und im Laufe seines Lebens 200 Milliarden Umsatz gemacht zu haben? Das ist doch sinnlos, keine Lebensaufgabe! An seiner eigenen Tätigkeit findet er idealistisch, dass er Verleger des Guten ist. Dass er sehr hohe Umsätze erzielt, hat für ihn damit nichts zutun. Es bringt ihn vielmehr auf ein Lieblingsthema, das Thema seines Lebens als Porzellanindustrieller: Man darf nicht entweder Idealist sein und schwärmen oder Machtmensch und rechnen. Man muss etwas Gutes machen und davon leben. Ein anderes Lieblingsthema: Niemanden nachahmen (auch nicht den Vater)! Als er vor fünf Jahren erfuhr, dass Schloss Erkersreuth, in dessen Keller Vater Rosenthal mit Maler Roth die Produktion eröffnet hatte, zum Verkauf stand, griff er sofort zu. Für 40.000 Mark erwarb er die prachtvolle Verpackung der Rosenthal Urzelle. Dort lebt er jetzt als Schlossbesitzer mit seiner englischen Frau Lavinia, der kleinen Tochter Sheila und dem winzigen, Weihnachten geborenen Sohn Philip Turpin, Philip dem Dritten, der natürlich nicht der Nachfolger werden soll.
Zuviel Geld sagt der Schlossbesitzer und Millionär Philip Rosenthal, ist schlecht. Es nimmt den Menschen die notwendige Grenze weg. Wer nur einen Scheck auszuschreiben braucht, und schon ist das Auto bezahlt, der verliert die Freude. Deshalb sind so viele reiche Leute ja unglücklich. Sie können sich über nichts mehr freuen. Und wie macht er selber es mit der notwendigen Grenze? Mir fehlt es an Zeit. Das gibt die Grenze. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Dieser Mann lässt möglichst wenig mit sich geschehen, er macht selber. Er macht es sich nicht leicht, um nicht im Geld zu veröden, im Erfolg zu verblöden. Angestrengt bemüht er sich um endgültige, druckreife Formulierungen seiner Probleme und strahlt, wenn ihm die Lösungen wie Sprichworte einfallen: „ Ein Snob ist jemand, der Dingen nachjagt, die andern etwas bedeuten, nicht ihm selbst.“ Oder: „Ein Playboy ist jemand, der die wunderschönen Nebenbeschäftigungen des Lebens dadurch verdirbt, dass er sie zur Hauptbeschäftigung erhebt“.
Philip Rosenthal findet sich nicht damit ab, dass er keine Zeit hat. Er baut sich Hindernisse aus der Zeit, über die er dann zu neuen Freuden hüpfen muss. So hat er mit seiner sehr attraktiven Frau (mit rauem Lachen) das alte Schloss nicht etwa auf einen Schlag eingerichtet, sondern nach und nach. Noch heute, nach fünf Jahren Wohnens, gibt es Zimmer, die fast oder ganz leer stehen. Es ist den beiden noch nicht das Richtige hierzu eingefallen. Dafür wird der Besucher der fix und fertigen Räume von einer etwas bedrückenden Perfektion des schönen Geschmacks geradezu überwältigt. Sie wirken ein wenig wie Theaterdekorationen. Aber im Theater hilft die Phantasie, die man im Schloss nicht braucht, weil nichts, aber gar nichts mehr fehlt. Da gibt es herrlich drapierte, voll fallende goldene Vorhänge, atemberaubend schöne Altbilder, sanft restauriert. Da dämpfen Ledertapeten das Licht, leuchten Bücherwände, wölbt sich hoch ein weiß-goldener Saal mit zwei Kaminen und Ahnengalerie. Philip Rosenthal bringt die Ahnen des Porzellans dort an, wertvolle Stücke aus uralter Zeit bis heute.
Aber er hat auch in diesem Sonntagsorgelkonzert vollkommener Schönheit noch Sinn für Pfiff. Im Arbeitszimmer kreist ein abgebrochener Flugzeugprobeller elektrisch als Uhrzeiger auf einem riesigen, ziffernloses Lederzifferblatt, na ja. Und er fährt Volkswagen, einen simplen, und einen Transporter, in den (Serienherstellung) Arbeitstisch, Kleiderschrank, Bar, Eisschrank und Betten eingebaut sind, ein Reisewagen für Arbeit und Urlaub. Philip Rosenthal hat sich dazu noch ein Telefon (über Funk) neben dem Fahrersitz einrichten lassen. Kostenpunkt: fast 10.000 Mark. Er muss, er will erreichbar sein, auch unterwegs. Es sei denn, er besteigt den Himalaja. Die Bergsteigerei bis zu hohen Gipfeln deutet für Philip Rosenthal einen Erlebnisbereich, den er für unerlässlich hält, um mehr zu sein, als nur reich: „Rauf auf die Berge, auch wenn man Angst hat und müde ist. Da bleibt man normal. So was braucht der Mensch. Er muss frieren, hungern, naß werden, um sich am Gegenteil freuen zu können. Ich versuche so zu leben, dass ich auch ohne Geld glücklich sein könnte.“