Porzellanfachschule Selb

Als erste schriftliche Reaktion auf diese Hiobsbotschaft findet sich im Staatsarchiv Bamberg ein geharnischter Protestbrief von Philipp Rosenthal, datiert vom 15. April 1904 und abgesandt aus dem Grand Hotel in Florenz an die Regierung von Oberfranken. Rosenthal befand sich anscheinend auf einer längeren Geschäftsreise im Ausland und erfuhr erst relativ spät von der Empfehlung des Staatsministeriums. Nach Selb zurückgekehrt, verfaßte er am 20. Juni 1904 ein ausführliches Verbandsschreiben, in dem er nach nochmaliger Überprüfung die Fachschulen als nicht kompetent und ohnehin räumlich zu weit entfernt vom Zentrum der Porzellanindustrie bezeichnet. Neben den nicht tragbaren Kosten für Schüler nach einem so entfernten Ausbildungsort, verweist er in einer nachstehend wörtlich zitierten Passage auf zusätzliche Abwanderungstendenzen junger Fachkräfte; ein auch heute hochaktuelles und durch die Grenzsituation
verstärktes Problem des nordostoberfränkischen Raumes:

„Es hat sich ferner auch als recht unliebsame Erfahrung gezeigt, dass die jungen Leute durch längere Abwesenheit aus der Heimat dieser und der heimischen Industrie entfremdet werden und sie sich nach Vollendung der Studien ganz anderen kreisen und sogar anderen Branchen und zwar den in den Grossstädten bestehenden Industrien zuwenden“

Auch die Handels- und Gewerbekammer Oberfranken unterstützt jetzt fast gleichzeitig mit den Porzellanindustriellen Oberfrankens in einem Schreiben vom 23. Juni 1904 die Gründung einer Porzellanfachschule in Oberfranken. Als beweiskräftiger Beleg wird der Regierung von Oberfranken der damalige Bestand von 37 Porzellanfabriken und Porzellanmalereien mit ca. 7500 Arbeitern in Oberfranken mitgeteilt. Nach Überprüfung aller Probleme und wirtschaftlicher Gegebenheiten befürwortet schließlich die Regierung von Oberfranken unter dem Regierungspräsidenten Rudolph Freiherr von Roman zu Schernau mit einem Gutachten vom 29. Juli 1905 beim Königlich-Bayerischen-Staatsministerium den Antrag des Verbandes in vollem Umfang. Es bedurfte zwar noch vieler schriftlicher Erläuterungen, so einer weiteren Denkschrift des Verbandes der Porzellanindustriellen vom 9. Januar 1906, bis endlich die zu gründende Fachschule für Porzellanindustrie genehmigt wurde. Diese Vorschule nahm am 19. Mai 1908 einen vorbereitenden Unterricht im Zeichnen und Malen mit 46 Schülern im kleinen Rathaussaal der Stadt Selb auf. Am 1. April 1909 wurde – laut Genehmigung des Staatsministeriums vom 7. Februar 1909 – die Königlich-Bayerische Fachschule für Porzellanindustrie in Selb eröffnet. Ohne die vielleicht vorher mündlich getätigten Erkundungen und Anträge war so eine mehr als achtjährige Vorarbeit bis zur Gründung der Schule notwendig.

Auch die Suche nach einer geeigneten Persönlichkeit, die in der Lage war, eine Schule auf kunstgewerblicher Basis aufzubauen und zu leiten, gestaltete sich schwierig. Schon in den Jahren 1906/07 muß Rosenthal mehrmals Herrn Ministerialrat von Blaul im Staatsministerium aufgesucht und bedrängt haben, umgehend durch ein „Ausschreiben“ einen jungen befähigten Künstler zu suchen. Diese Tatsache kann aus den persönlichen Aufzeichnungen von Prof. Fritz Klee gefolgert werden, der 1907 ohne sein Zutun zu Ministerialrat von Blaul gebeten wurde und erfuhr, daß zwar 27 Angebote für diese Aufgabe eingegangen seien, unter denen aber keine geeignete Person sich befände. Fritz Klee war zu diesem Zeitpunkt seit drei Jahren beim Stadtbauamt München als Architekt beschäftigt und bearbeitete auch private architektonische und kunstgewerbliche Aufträge. Herr von Blaul eröffnete Fritz Klee, daß er von vielen Stellen als der geeignete Mann für den Aufbau und die Leitung der Schule bezeichnet werde. Auch Rosenthal war bei einem später in seiner Münchner Wohnung arrangierten persönlichen Gespräch von diesem Mann beeindruckt und teilte dem Ministerium sein volles Einverständnis mit.

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