Werk Rosenthal Rotbühl

Entwurf TAC-Walter Gropius

Doch es kam Gropius, und es war ein Zufall, und es war irgendwo doch auch kein Zufall. Für den Zufall sorgte der gleichermassen vom Schweizer Niggli-Verlag wie von Rosenthal bemühte Layouter J. Müller-Brockmami, der gerade das Buch über „TAC“ eingerichtet hatte und vom Projekt einer neuen Fabrik in Selb wusste.

„Nehmen Sie doch Gropius“, sagte er. „Warum sagen Sie nicht: Sie haben einen Schnupfen, lassen Sie sich von Sauerbruch operieren“, fragte Rosenthal. Aber Gropius war sofort bereit, als Architekt für Rosenthal zu operieren. Und letztlich war der Auftrag an „The Architects Collaborative“ doch kein Zufall: Da war kein avantgardistisches Experiment mit Ungewissem Ergebnis zu befürchten, da war von Anfang an sicher, dass eine zeitgemässe, in gewisser Hinsicht zeitlose, eine solide, durchdachte, ästhetisch einwandfreie, funktionierende, kurz: gute Architektur geliefert würde. Selbst in der kurzen halben Stunde, die den etwa dreihundert Geladenen für die Besichtigung der Fabrik zugestanden war, wurde man auf Anhieb gewahr, dass da alles „stimmt“, voran der Grundriss, der auf einem zehn mal zehn Meter Raster basiert und die drei „Grundsätze moderner Industrieplanung“ beherzigt: optimaler Materialfluss, Expansionsmöglichkeit und Flexibilität, alle Veränderbarkeiten; denn „wer weiss“, sagte Rosenthal, „wie man Porzellan in zehn Jahren machen wird?“

Die TAC-Architekten Gropius und Cvijanovic notierten: „Der Materialfluss entspricht einem Kreislauf, der nur vom Rohstoff-Einlauf und vom Fertigungs-Auslauf unterbrochen ist.“

Und: „Die Fertigungsabteilungen wurden so angeordnet, dass jede einzeln für sich vergrössert werden kann, ohne dass der organische Materialfluss der Gesamtfabrikation“ — vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt — „verändert wird.“ Gropius hat das Prinzip im Werkbund-Jahrbuch von 1913 beschrieben: das Bauen mit genormten Teilen. Wichtigster Bauteil in Selb ist, was inzwischen Gropius-Harnmer genannt wird: ein Stützpfeiler mit einem hammerartigen Kopf: dieser Kopf ist an den Seiten so eingekerbt, dass die Träger für das Dach einfach aufgelegt werden. Stahlbeton, Gasbeton, Sichtbeton, sind die wichtigsten Materialien mit ganz Charakter istischen „Texturen“. Die Hauptfarben sind Grau und Weiss und — Tür die Tore etwa — ein kräftiges Blau.

Im Inneren helfen wenige blau oder orange gekachelte Wandstreifen bei der Orientierung durch die riesigen, verwirrend mit Fliessbändern und Produktionsapparaturen bestückten weissen Hallen. Fenster sind sparsam in die Wände geschnitten; sie befinden sich an den Seiten flacher, rechteckiger „Erker“. Und die Stirnseiten der Öfen im Brennereibetrieb sind mit blauem Kantstahl eingefasst und mit roten Ziegelsteinen verblendet — so kommt ein bisschen Hansel und Gretel ms Porzellanhaus.

Es sind die Details, die Gropius erkennen lassen: wie beispielsweise Leitungen auf Putz geführt werden, wie ein schmaler, aber sehr hoher Gang optisch niedriger gemacht wird, wie der Informationsraum am Fabrikeingang — für Mitteilungen und kleine Ausstellungen — räumlich und farbig variiert wurde, wie selbst eine so lästige Einrichtung wie der Abfall-Silo im Hof zu einem ästhetisch sehr erträglichen Gegenstand wird, wie zwischen all den Senkrechten und Waagerechten ein leicht geknicktes Dach über das Hauptportal gesetzt und endlich ein kleines Grossraumbüro und ein „Feierabendhaus“ für Theater, Bibliothek, Sport, Unterhaltung an den grossen, teils gepflasterten, teils mit Rasen bepflanzten Hof gruppiert sind. So etwas macht nicht staunen, es beeindruckt nur. Es ist rundherum gute Architektur.

porzellanselb

Zwei Webseiten verschmelzen zu einer Seite über das weiße Gold