Werk Rosenthal Rotbühl

Walter Gropius

Walter Gropius baute für uns ein neues Werk . Aus dem mechanischen Ungeheuer wurde sozusagen ein mechanischer Freund. Zwar geht es in diesem Werk mechanisierter als vorher und am Fliessband stumpf zu, das ist nun einmal so, aber man hat versucht, den Mitarbeiter „durch geeignete räumliche und sonstige architektonische Mittel anzuregen und seine Leistungsfähigkeit zu steigern“. Was die Sprache bewusst human einfärbt, stellt sich im Werk leibhaftig dar.

Gebaut für die Menschen

Mitten in die Fabrik hat Gropius, um die individuellen, bei Porzellanarbeitern schon immer beliebten Blumentöpfe hinauszuwerfen und dennoch zu erhalten, sie also zu neutralisieren, einen mächtigen Supertopf gepflanzt, ein gläsernes Oktogon, das über dem flachen Fabrikdach wie ein Bleistift spitz zuläuft und bei exotischem Klima exotische Flora nebst Fauna beherbergt: drei Flamingos, rosarot, durchstapfen gelangweilt die vollklimatisierte grüne Hölle.

Von entfernteren Arbeitsplätzen aus wirkt der raumhohe Vogelbauer vor dem boribonlila gefärbten Hintergrund wie die Pforte zu einem Haremspalast oder eine lästerliche Kathedrale mit dem Etikett „Gute Form“. Schönheit der Arbeit. Schönheit des Fortschritts: „Dieses Werk ist auch gebaut als Haus für Menschen.“ Muss man so etwas sagen? Es ist, als behaupte einer von dem Wasser, das seiner Quelle entspringt, es sei wohl Wasser und kein Wein, aber es sei besser als Wasser und deshalb so gut wie Wein. Das ist gewiss nicht so sehr das Produkt berechnender Taktik, sondern Bedürfnis und Weltanschauung.

Gute-Form-Pathos

Es entspricht dies alles dem Mann, der Rosenthal heisst und zugleich auch „Rosenthal“ ist: der Stil, das Gute-Form-Pathos, die Publizität und ihre bestaunenswerte Virtuosität. Es ist ja alles so schrecklich gut gemeint. Dazu gehört, neben dem lächelnd verbrüdernden Umgangston, die Perfektion der Organisation.

Kein Stand der Hannover-Messe geniesst einen solchen weit widerhallenden Ruf wie der Rosenthals; keine Firma beherrscht die Geste der kleinen Gabe — eine Vase für Gäste, ein Besteck, drei Likörgläser, eine Bierstange, ein kleines Service für zwei — so sicher; kein Unternehmen kennt die Grenze zur Anbiederung und zur plumpen Werbung so traumwandlerisch sicher wie Rosenthal, diese Fabrik, die nicht von ungefähr hat, was man „eine gute (und fleissige) Presse“ nennt. Und in den Studio-Häusern gibt es Versuche, Kunden nicht mit einem „Guten Tag, bitteschön?“ zu bedrängen, sondern mit einem „Willkommen, schau’n Sie sich nur um“.

Keine Firma beherrscht den Umgang mit Menschen so wie Philip Rosenthal und beispielsweise sein einfallsreicher Presseamtsdirektor, und wo der eine nicht mehr ankommt, egal bei welcher sozialen Schicht, zünden die Funken des anderen. Es verblüfft gar nicht, dass dieser Mann Rosenthal eine Kaskade von Adjektiven provoziert: charmant, geschickt, gewandt, drahtig, sportlich, distanziert-vertraulich, ehrlich, demokratisch, gerecht, ideenreich, überzeugungsstark, modern mit einem — instinktsicher auf das Geschäft, das ja laufen muss, bezogenen — Schlenker ins Modische.

Eigentlich hätte ihm als Architekt eher als Gropius ein Mann wie Philip Johnson angestander oder Edward Dureil Stone, und die Affinität zur Studio-Linie hätte vermutlich der aus Japan stammende Amerikaner Yamasaki am stärksten verbürgt.

porzellanselb

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